Das Viermächte-Abkommen über Berlin 1971

Im Rahmen ihrer neuen Ostpolitik war der seit 1969 amtierenden sozialliberalen Bundesregierung eine endgültige Garantie der Sicherheit West-Berlins und seiner Bindungen an die Bundesrepublik besonders wichtig.

Die Bonner Regierung unter WILLY BRANDT machte davon ihre Zustimmung zu den übrigen sogenannten Ostverträgen abhängig. Sie erklärte Berlin zu einem Testfall der allgemeinen Entspannungspolitik zwischen Ost und West.
Seinen Grund hatte das letztlich in der besonderen Situation der Stadt. Denn das geteilte Berlin stand im Zentrum des Ost-West-Konflikts. Der Eiserne Vorhang, der seit Ende der 40er-Jahre den Block der osteuropäischen Staaten unter Dominanz der Sowjetunion von den westeuropäischen Staaten unter Führung der USA trennte, verlief mitten durch Berlin. Besonders anschaulich machte das der Bau der Berliner Mauer im Jahre 1961, als die Verbindungen des zur DDR gehörenden Ostteils der Stadt zu ihrem westlichen Teil, der enge Bindungen zur Bundesrepublik hatte und unter der Oberhoheit der drei Westmächte Frankreich, Großbritannien und USA stand, endgültig durchschnitten wurden.
Der Bau der Mauer aber war zudem nur deutlichstes Symbol für eine insgesamt prekäre Lage des Westteils der Stadt. Schon seit Beginn des Kalten Krieges war das wie eine Insel im Gebiet der DDR liegende und wie ein Schaufenster des Westens wirkende West-Berlin den Machthabern in der Sowjetunion und in der DDR ein Dorn im Auge gewesen. Mehrmals kam es daher zu Berlinkrisen, als die Behörden der Sowjetunion oder der DDR den Zugang zur und die Versorgung der Stadt entweder blockierten, wie in der Zeit der Berlinblockade 1948/49, oder zumindest behinderten, zum Beispiel 1958, als die Sowjetunion Berlin den Status einer „freien Stadt“ geben wollte und daher einen Rückzug der vier Besatzungsmächte forderte.
Auch gegen Ende der 60er-Jahre gab es immer wieder Behinderungen und Schikanen auf den Zugangswegen von und nach West-Berlin.

Der besondere Status Berlins

Für eine Klärung des Status Berlins konnte die Regierung der Bundesrepublik Deutschland aber offiziell kein Verhandlungspartner sein. Über Berlin als Ganzes hatten die vier Siegermächte des Zweiten Weltkrieges zusammen immer noch die Oberhoheit. Auch wenn sie seit 1948 ihre Befugnisse nicht mehr gemeinsam im Rahmen einer sogenannten Interalliierten Stadtkommandantur wahrnahmen, war dies 1970 immer noch der rechtliche Status der Stadt. Vereinbarungsgemäß übte aber gleichzeitig jede der vier Mächte Frankreich, Großbritannien, Sowjetunion und die USA die Kontrolle in einem von vier Sektoren Berlins aus. Daher war Ost-Berlin faktisch der Regierungssitz der zum sowjetisch dominierten Ostblock gehörenden DDR geworden, wohingegen West-Berlin enge Verbindungen zur zum westlichen Staatenblock gehörenden BRD hatte. Eine Klärung der Lage Berlins konnte letztlich trotzdem nur durch die vier Mächte herbeigeführt werden.

Das Viermächte-Abkommen über Berlin

Für ein Abkommen sah die Sowjetunion zunächst keinen Anlass.
Da ihr aber andererseits eine endgültige Verabschiedung der Ostverträge und eine Fortsetzung der Entspannungspolitik nicht unwichtig war, kam es dann schon seit März 1970 aufgrund des Drucks der Bonner Regierung zu ersten Gesprächen der vier Mächte über Berlin.
Inhaltlich ging es bei den Verhandlungen über das Viermächte-Abkommen um Lösungen für drei Problemkomplexe, die der damalige Westberliner Oberbürgermeister KLAUS SCHÜTZ als die „drei Z“ bezeichnete. Das war zum einen die Frage der Zuordnung West-Berlins zur Bundesrepublik Deutschland. Es bestanden zwar enge Bindungen. Eine genauere Definition der rechtlichen Lage, die aufgrund der alliierten Oberhoheit kompliziert war, schien sinnvoll, um die Zugehörigkeit oder Bindung West-Berlins zur Bundesrepublik zu sichern und es vor Zugriffen der östlichen Machthaber endgültig zu schützen.
Im weiteren Sinne ging es dabei dann auch um eine Klärung des rechtlichen Status der Stadt insgesamt. Beim zweiten „Z“ ging es um den Zugang nach West-Berlin von der BRD aus, und beim dritten um die ebenso eher praktische Frage des Zutritts von Westberlinern nach Ost-Berlin.
Der rechtliche Status Berlins, konnte im am 3. September 1971 unterzeichneten und am 3. Juni 1972 in Kraft getretenen Viermächte-Abkommen letztlich nicht geklärt werden.
Man einigte man sich aber darauf, dass die bestehende Situation nicht einseitig verändert werden sollte, was zum Beispiel hieß, dass die westlichen Sektoren Berlins weiterhin kein Bestandteil der Bundesrepublik sein sollten. Gleichzeitig bestanden aber die engen Bindungen fort. Ost-Berlin blieb damit faktisch Bestandteil der DDR und wurde auch weiterhin von ihr als Hauptstadt angesehen. Für Berlin als Ganzes trugen weiter die vier Mächte die Verantwortung. Sie verpflichteten sich aber zu einem gegenseitigen Gewaltverzicht und zum Abbau wechselseitiger Spannungen. Im Detail fand man zudem einige Formelkompromisse, mit denen letztlich beide Seiten leben konnten.
Ein konkretes Beispiel veranschaulicht das:
In West-Berlin sollten einerseits keine Sitzungen der Verfassungsorgane der BRD zum Beispiel der der Bundesregierung, des Bundestages oder des Bundesrates stattfinden.
Um den im Abkommen erwähnten besonderen Bindungen des Westteils der Stadt an die Bundesrepublik aber auch in politischer Hinsicht Rechnung zu tragen, konnten Sitzungen einzelner Bundestagsfraktionen in Berlin stattfinden, allerdings niemals mehrerer Bundestagsfraktionen gleichzeitig, denn das hätte, so meinte man, einen zu starken Bezug auf das Verfassungsorgan Deutscher Bundestag bedeutet.
Wie so häufig, wenn man sich im Bemühen um Entspannung einigen wollte, aber gleichzeitig grundsätzliche Widersprüche hatte, bestand die gefundene Lösung aus einem Kompromiss, der sehr kompliziert und verwirrend sein konnte.
Für die Menschen allerdings waren sowieso die beiden anderen genannten Problemkreise des Zuganges nach West-Berlin und des Zutritts von Westberlinern nach Ost-Berlin wichtiger. Denn hierbei ging es um ihre konkreten Lebensbedingungen. Dabei ergaben sich konkrete Erleichterungen und Fortschritte.

Konkrete Erleichterungen als Folge des Abkommens

Die Reisemöglichkeiten von der Bundesrepublik nach West-Berlin und umgekehrt wurden im Viermächte-Abkommen allein schon durch die verbindliche Zusage der Sowjetunion, sie zukünftig nicht mehr zu behindern, sondern sie im Gegenteil zu erleichtern und zu befördern, gesichert.
Weitere Einzelheiten sollten nach dem Abkommen deutsch-deutschen Folgevereinbarungen zwischen der BRD und der DDR vorbehalten bleiben.
Ein wichtiges solcher weiterer Abkommen war das Transitabkommen, das schon während der Verhandlungen der vier Mächte zwischen den Regierungen in Bonn und in Ost-Berlin ausgehandelt und als Ergänzung zum Viermächte-Abkommen am 3. Juni 1972 mit diesem gemeinsam in Kraft trat. Es regelte Erleichterungen auf den Zugangswegen - man sagt auch Transitwegen - von der Bundesrepublik nach West-Berlin.
Ebenso verbesserten sich nach dem Vertrag der vier Mächte die Besuchsmöglichkeiten von Westberlinern nach Ost-Berlin. Sie sollten fortan aus humanitären, familiären, religiösen, kulturellen, kommerziellen oder auch ganz einfach touristischen Gründen stattfinden können.
Auch hier gab es wieder innerdeutsche Folgeregelungen, nach denen Fahrten in die DDR zunächst an bis zu 30 Tagen möglich sein sollten, seit 1984 dann sogar an bis zu 45 Tagen.
Insgesamt registrierte der Westberliner Senat bis zur Öffnung der Mauer 1989 schließlich über 44 Millionen solcher Besuche.
So förderte auch dieses Abkommen die Begegnungen der Deutschen untereinander und sorgte mit dafür, dass sie sich nicht übermäßig entfremdeten. Es stellte eine feste Grundlage für konkrete Erleichterungen dar. sogenannte Berlinkrisen gab es seitdem nicht mehr.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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