Der Eiserne Vorhang – Osteuropa wird kommunistisch

Ein Eiserner Vorhang teilt Europa

Der Begriff Eiserner Vorhang geht auf den ehemaligen britischen Premierminister CHURCHILL zurück. Erstmals verwendete er diesen Ausdruck am 12. Mai 1945 in einem Telegramm an den amerikanischen Präsidenten TRUMAN. Sprichwörtlich wurde der „Eiserne Vorhang“ dann durch die von CHURCHILL am 5. März 1946 gehaltene Rede an der amerikanischen Universität Fulton:

„Von Stettin an der Ostsee bis hinunter nach Triest an der Adria ist ein „Eiserner Vorhang“ quer durch den Kontinent niedergegangen. Hinter dieser Linie liegen alle Hauptstädte der alten Staaten Zentral- und Osteuropas, Warschau, Berlin, Prag, Wien, Budapest, Belgrad, Bukarest und Sofia. Alle diese berühmten Städte und die Bevölkerung darum liegen in, was ich die sowjetische Sphäre nennen muss. Und alle sind in der einen oder anderen Form nicht nur dem sowjetischen Einfluss unterworfen, sondern in einem sehr hohen und in einigen Fällen wachsenden Grad der Kontrolle Moskaus.“

Später wurde dieses Bild des Eisernen Vorhangs häufig zur Beschreibung der Teilung Europas und der als Kalter Krieg bezeichneten Konfrontation von Ost und West verwendet. Aus der Sicht des Westens befand sich auf der anderen, der östlichen Seite, ein Block sozialistischer Staaten unter dem Einfluss bzw. der Hegemonie (Vorherrschaft) der Sowjetunion und unter der Herrschaft gewaltsam, gegen den Mehrheitswillen der Bevölkerungen dieser Länder an die Macht gekommener Kommunistischer Parteien (KP). Die gesellschaftliche Ordnung dieser Staaten und die ihr zugrunde liegende Weltanschauung unterschieden sich demnach grundsätzlich von den westlichen Werten der Freiheit, der Menschenrechte und der Rechtstaatlichkeit.

Den Zeitraum der Entstehung und Entwicklung des Eisernen Vorhangs unterteilt man heute häufig in zwei Phasen, in denen die Übernahme der Herrschaft im östlichen Europa mit unterschiedlicher Intensität vor sich ging: in eine erste Phase von 1945–1947 und in eine zweite, von 1947–1949 dauernde Periode.

Rahmenbedingungen für die entstehende sowjetische Hegemonie

Nachdem die vorrückende Rote Armee der Sowjetunion die Ländern Osteuropas von der Herrschaft des nationalsozialistischen Deutschlands befreit hatte, vollzog sich auch der Neuaufbau politischer Strukturen unter aktiver Beteiligung der mächtigen Sowjetunion. Diese machte dabei z. T. sehr rigeros eigene Interessen geltend. So berichtete der jugoslawische Politiker DJILAS später von einem Gespräch, in dem sich der sowjetische Diktator STALIN im April 1945 wie folgt geäußert habe:

„Dieser Krieg ist anders als die Konflikte der Vergangenheit; wer immer ein Gebiet besetzt, erlegt ihm auch sein eigenes gesellschaftliches System auf. Jeder führt sein eigenes System ein, soweit seine Armee vordringen kann. Es kann nicht anders sein“.
(Quelle: Hoensch, Jörg K., Sowjetische Osteuropa-Politik 1945–1975, Düsseldorf 1977, S. 11.)

Wenn es hier auch so scheinen mag, der Sowjetunion ging es nicht nur darum, den Ländern Osteuropas ihr Gesellschaftssystem aufzuzwingen.
Außenpolitisch verfolgte die Sowjetunion einerseits das Ziel, in Osteuropa einen sogenannten Sicherheitsgürtel verbündeter und befreundeter Staaten als Bollwerk gegen den Westen aufzubauen. Das hing damit zusammen, dass sie, wie auch schon das zaristische Russland, im Laufe der Geschichte häufig von Westen aus bedroht und angegriffen worden war.
Andererseits aber musste sie Rücksicht auf ihre alliierten Kriegspartner nehmen. Mit denen bestanden während des Krieges getroffene Vereinbarungen über das Recht der Selbstbestimmung der Völker und Nationen, insbesondere über das Recht der freien Wahl der Regierungsform. Wollte die Sowjetunion die Beziehungen zu ihren alliierten Partnern nicht gefährden, so musste sie folglich auf solche Vereinbarungen Rücksicht nehmen.
Dazu kam noch:
In kaum einem der osteuropäischen Staaten waren die mit der Sowjetunion verbündeten Kommunisten die stärkste politische Kraft. Die Politik wurde in diesen meistens ländlich geprägten Gesellschaften vielmehr von relativ starken Bauernparteien dominiert. Der Sowjetunion lag deshalb anfänglich durchaus daran, diese teilweise einflussreichen nicht-kommunistischen Kräfte für eigene politische Ziele zu mobilisieren; immer vorausgesetzt, sie waren bereit, mit der Sowjetunion und den nationalen Kommunisten zusammenzuarbeiten. Zu diesen Kräften gehörten in einigen Ländern auch die ehemaligen Exilregierungen, die auch nach dem Krieg z. T. noch beträchtlichen politischen Einfluss hatten

Die Phase von 1945–1947 – Einbeziehung Osteuropas in den Einflussbereich der Sowjetunion

Innerhalb der gekennzeichneten Rahmenbedingungen ergaben sich in den ersten beiden Nachkriegsjahren für die Einzelländer durchaus noch unterschiedliche Entwicklungsmöglichkeiten. Diese ließen auch noch Raum für das Wirken unterschiedlicher politischer Parteien und Kräfte.
Ein Beispiel dafür ist die unterschiedliche Berücksichtigung der ehemaligen Exilregierungen bei der nach der Befreiung anstehenden Bildung von Regierungen.

Beispiel Tschechoslowakei

In der Tschechoslowakei wurde EDUARD BENEŠ, der schon von 1935 bis 1938 Staatspräsident war und dann in London die tschechische Exilregierung konstituierte, erster Staatspräsident der tschechoslowakischen Republik. Er war schon im Vorfeld der Regierungsbildung um Absprachen mit der Sowjetunion bemüht und stimmte unter anderem der Abtretung einiger Gebiete seines Landes an die Sowjetunion zu. In den ersten tschechoslowakischen Nachkriegsregierungen arbeiteten zudem neben den Kommunisten auch Mitglieder anderer Parteien in staatlichen Führungspositionen.

Beispiel Polen

Auch in Polen, das ihr besonders wichtig war, versuchte die Sowjetunion zunächst, zumindest Teile der im Volk populären ehemaligen Londoner Exilregierung in die Regierungsbildung einzubeziehen. Die meisten Angehörigen der polnischen Exilregierung sprachen sich aber gegen die sogenannte Westverschiebung Polens aus. Aufgrund derer sollte Polen einige seiner östlichen Landesteile an die Sowjetunion abtreten und als Ausgleich im Westen Teile des ehemaligen deutschen Reiches erhalten. Wegen dieser ablehnenden Haltung wurde letztlich die Exilregierung von der Regierungsbildung ausgeschlossen.
Mit dieser sollten schließlich nur die im sogenannten Lubliner Komitee zusammengeschlossenen Kommunisten beauftragt werden. Erst auf amerikanischen Druck wollte man auch Vertreter der in Polen besonders starken Bauernpartei in die Regierung aufnehmen. Als die Bauernpartei es jedoch ablehnte, in den von der KP dominierten Demokratischen Block einzutreten, wurden die Wahlen zur Verfassunggebenden Versammlung bis zum Januar 1947 hinausgeschoben. In dieser Zeit vergrößerten die Kommunisten ihren Einfluss im Land. Nicht zuletzt deshalb, aber auch durch Manipulationen konnte der Demokratische Block die Wahlen dann haushoch gewinnen.
Der polnische Demokratische Block trat in der Wahl mit einer Einheitsliste an. Auf ihr waren, wie auch bei den Wahlen in allen anderen osteuropäischen Ländern, die Mitglieder der verschiedenen Parteien zu einem Wahlvorschlag zusammen gefasst. Dadurch reduzierte sich für die Bevölkerung nicht nur die Zahl der Wahlmöglichkeiten. Die kommunistischen Parteien konnten dadurch auch den Einfluss der anderen mit ihr in der Einheitsliste zusammen gefassten Parteien z. T. durch geschickte Manöver, häufig aber auch durch massive Interventionen der Sowjetunion, begrenzen.
Folge der Einheitslisten war, dass in den meisten Regierungen Osteuropas zwischen 1945 und 1947 mehrere Parteien in der Regierung vertreten waren. Aber auch in diesen Regierungen übte die jeweilige nationale Kommunistische Partei den dominierenden Einfluss aus. Sie sicherten sich zudem die meistens Schlüsselministerien, mit deren Apparat sie die innenpolitische und gesellschaftliche Entwicklung ihrer Ländern insgesamt leiten und lenken konnten.
Von Bedeutung war auch die Besetzung der Posten der Chefs der staatlichen Sicherheitsorgane und des Geheimdienstes, denn diese Positionen konnten zur Ausschaltung politischer Gegner genutzt werden. Die Ausschaltung der politischer Gegner, die in dieser Zeit nahezu ständig erfolgte, wurde nicht selten mit dem Begriff politische Säuberungen umschrieben.

In den Jahren zwischen 1945 und 1947 brachten aber auch einige Wahlen nicht das von der Sowjetunion gewünschte Ergebnis. So verloren beispielsweise die Kommunisten in Ungarn überraschend die im November 1945 abgehaltene Wahlen.
Neben diesen Entwicklungen im politischen Bereich wurde in den ersten Jahren auch schon der sozialistische Umbau der Gesellschaft eingeleitet. Radikale Wirtschafts- und Sozialreformen, wie die Verstaatlichung von Bergwerken und Schlüsselindustrien und die Durchführung einer Bodenreform, mit der die Besitzverhältnisse auf dem Lande geändert wurden, gehörten dazu.
Auf internationaler Ebene unterhielten die osteuropäischen Staaten untereinander und insbesondere zur Sowjetunion sehr enge Beziehungen. Damit bildete sich schon damals ein Block verbündeter Staaten heraus, der später auch als Ostblock bezeichnet wurde.
Die Beziehungen zwischen den einzelnen Staaten wurden durch eine Vielzahl bilateraler (zweiseitiger) Verträge, beispielsweise durch Abkommen über die wirtschaftliche Zusammenarbeit, geregelt und gefestigt. Die am weitesten reichenden Verträge hatten die Länder in der Regel mit der Sowjetunion abgeschlossen. Deshalb orientierten sich die Handelsbeziehungen der Ostblockstaaten, die vormals häufig auf den Westen gerichtet waren, nunmehr eindeutig nach Osten. Daneben gab es noch Vereinbarungen, durch die Militärhilfe und militärischer Beistand in Konflikten mit äußeren Feinden zwischen allen Staaten beschlossen wurden.
Insgesamt verstärkte diese Entwicklung auf zwischenstaatlicher Ebene einerseits die Abhängigkeit aller osteuropäischen Staaten von der Sowjetunion. Andererseits schuf sie für die Sowjetunion umfassende Möglichkeiten zur Kontrolle dieser Länder bis hin zum direkten Eingriff in die innere Entwicklung.

Die Phase von 1947–1949 – Stalinisierung Osteuropas

Die Zeit zwischen 1947 und 1949 ist durch die Stalinisierung aller im Einflussbereich der Sowjetunion befindlichen osteuropäischen Staaten gekennzeichnet. Das bedeutete die weitestgehende Gleichschaltung aller politischen, wirtschaftlichen und sozialen Strukturen mit denen des stalinistischen Modells. Die vorher noch existierenden pluralistischen Ansätze, wie die Existenz eigenständiger Parteien oder nationaler Besonderheiten, wurden nun fast vollständig eleminiert und eingeebnet.
In der zwischen 1945 und 1947 noch relativ demokratisch und pluralistisch regierten Tschechoslowakei traten Anfang 1948 alle nicht-kommunistischen Minister aus der Regierung zurück. Ursachen waren Streitigkeiten innerhalb der Regierung, die durch Straßendemonstrationen militanter Anhänger der Kommunisten und durch Eingriffe der Sowjetunion in die tschechische Politik ausgelöst worden waren.
Auf diesen Druck von außen hin ernannte der Staatspräsident im Februar 1948 eine neue Regierung unter dem kommunistischen Ministerpräsidenten GOTTWALD. Dabei wurden alle Posten der zurückgetretenen Minister mit „zuverlässigen“ Vertrauensleuten des kommunistischen Regierungschefs besetzt. Die darauffolgenden Wahlen gewannen die Kommunisten dann mit den von ihnen dominierten Einheitslisten und mit Einschüchterung sowie Wahlmanipulation und -fälschung haushoch. Nicht–kommunistische Parteien wurden nun aufgelöst, und als Staatspräsident EDUARD BENEŠ kurze Zeit später starb, wurde KLEMENT GOTTWALD sein Nachfolger.
Ähnlich wie in der Tschechoslowakei wurden auch in anderen osteuropäischen Ländern die Kommunistischen Parteien zur allein bestimmenden politischen Kraft. Die schon für den Zeitraum zwischen 1945 und 1947 beschriebenen politischen Mittel und Maßnahmen zur Durchsetzung des Machtanspruchs dieser Parteien wurden nun konsequent und noch umfassender angewandt. Zudem verstärkte auch in den anderen osteuropäischen Ländern die Sowjetunion noch einmal deutlich ihren Einfluss. Das geschah meist über die Politik der nationalen kommunistischen Parteien.
Zur Kontrolle dieser Politik im Sinne Moskaus diente ein 1947 gegründetes Kommunistisches Informationsbüro, das Kominform. In ihm waren neben vielen westlichen auch alle osteuropäischen Kommunistischen Parteien vertreten und wurden auf eine gemeinsame politische Leitlinie festgelegt.
Abweichungen von der vorgegebenen Linie wurden nun nicht mehr geduldet. So kam es auch innerhalb der Kommunistischen Parteien einige Male zu Säuberungsaktionen, denen „unzuverlässige“ Mitglieder zum Opfer fielen, manchmal in öffentlichen Schauprozessen.

Einzig in Jugoslawien war diese Politik der Sowjetunion nicht erfolgreich. Als der jugoslawische KP-Führer TITO einen in einigen Punkten eigenständigen Weg zum Sozialismus vertrat, wurde seine Partei 1948 aus dem Kominform ausgeschlossen. Zudem wurden die zwischenstaatlichen Beziehungen zwischen Jugoslawien und fast allen anderen osteuropäischen Staaten abgebrochen.
Sowjetisierung der osteuropäischen Staaten meint also die weitgehende Gleichschaltung deren gesellschaftlicher Systeme mit dem politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen System der Sowjetunion. Die Sowjetunion hatte dafür aber nicht nur weltanschauliche Gründe. Vielmehr muss man die Sowjetisierung Osteuropas Ende der 40er Jahre des vergangenen Jahrhunderts auch vor dem Hintergrund des sich verschärfenden Kalten Krieges und der damit einher gehenden Festigung des westlichen Staatenblocks sehen.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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