Die Blockintegration der beiden deutschen Staaten

Die Integration in zwei Staatenblöcke bestimmte die deutsche Geschichte nach 1945. Unter dem Begriff Blockintegration versteht man den Prozess der Einbindung der beiden deutschen Staaten in die im Kalten Krieg gegeneinanderstehenden und durch den Eisernen Vorhang getrennten weltweiten Staatenblöcke.

Die DDR wurde seit dem Ende des Krieges immer stärker in den entstehenden Block der Staaten mit einer sozialistischen Gesellschaftsordnung unter Führung der Sowjetunion eingebunden. Diesen Block der sozialistischen Staaten nannte man im Westen auch Ostblock.
Die BRD wiederum integrierte sich immer deutlicher in das westliche Bündnis unter Führung der USA. Es umfasste Staaten mit einer kapitalistischen Gesellschaftsordnung, die eine freiheitlich-demokratische Grundordnung besaßen.
Bei den Staatenblöcken handelte es sich um Bündnisse befreundeter und eng zusammenarbeitender Staaten. Die Zusammenarbeit der Staaten wurde durch bilaterale Verträge geregelt und vollzog sich in internationalen Organisationen und Institutionen. Die gegensätzliche internationale Orientierung der späteren DDR und der BRD zeichnete sich nicht erst nach der Gründung der beiden deutschen Staaten im Jahre 1949 ab. Der etwa 1947 beginnende Kalte Krieg machte auch um Deutschland keinen Bogen.
Als im Frühjahr 1948 der sowjetische Militärgouverneur aus dem Alliierten Kontrollrat auszog, in dem Vertreter der vier Siegermächte seit Kriegsende über eine gemeinsame Deutschlandpolitik berieten, verringerten sich die Möglichkeiten für eine einheitliche Entwicklung Deutschlands gravierend. Mit den nun einsetzenden Vorbereitungen zur Gründung der BRD und der DDR begann auch deren Einbindung in die entgegengesetzten Staatenblöcke.

Die Blockintegration der BRD

Die wirtschaftliche Integration

Etwa gleichzeitig mit den Vorbereitungen zur Gründung der Bundesrepublik im Jahre 1948 liefen auch die wirtschaftlichen Hilfen für Westeuropa im Rahmen des amerikanischen Marshallplans an.
Ein wichtiges Element im Konzept des amerikanischen Außenministers MARSHALL bestand darin, die Planung der Verteilung der Hilfen den beteiligten westeuropäischen Staaten im Rahmen der OECD (Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit) zu überlassen. Dadurch sollte ihr Zusammenhalt gefestigt werden. Waren anfänglich die drei westlichen Besatzungszonen Deutschlands durch ihre alliierten Militärgouverneure in der OECD vertreten, so trat die BRD dann kurz nach ihrer Gründung offiziell dieser westeuropäischen Organisation bei, wurde folglich in die wirtschaftliche Zusammenarbeit einbezogen.Die Bundesrepublik wurde Anfang der 1950er-Jahre noch Mitglied in einer weiteren europäischen Wirtschaftsinstitution, der 1952 entstandenen Montanunion. Deren Gründung durch einen gemeinsamen Vertrag zwischen den drei Beneluxstaaten sowie Frankreich, Italien und der BRD sollte der gemeinsamen Verwaltung der Schwerindustrie, des Bergbaus und der Hüttenindustrie dienen. So sollte sich ein gemeinsamer europäischer Markt für Eisen, Stahl und Kohle entwickeln, in dem die zwischenstaatlichen Zölle aufgehoben und gemeinsame Außenzölle vereinbart wurden. Die Montanunion wurde später zu einer der Keimzellen der EWG.
Insgesamt orientierte sich seit 1948, auch durch diese beiden Organisationen gefördert, der westdeutsche Außenhandel deutlich nach Westeuropa, wohingegen der innerdeutsche Handel mit der sowjetischen Besatzungszone und der späteren DDR deutlich rückläufig war.

Die politische Integration

Als erster Schritt gehörte dazu zunächst im Jahre 1950 der Beitritt der BRD zum Europarat. Diese 1949 von mehreren westeuropäischen Staaten gegründete Institution sollte die (west-)europäische Integration auf verschiedenen Ebenen vorantreiben. Die Tätigkeit des Europarates beschränkte sich damals noch im Wesentlichen auf Diskussionen in einer gemeinsamen beratenden Versammlung in Straßburg. Er war daher seinerzeit eine eher schwache Institution. Dennoch war der Beitritt für die junge Bundesrepublik eine wichtige Etappe auf dem Weg zur gleichberechtigten Zusammenarbeit mit den anderen westlichen Staaten. Diese Zusammenarbeit mit dem Westen wurde auch durch einige zwischenstaatliche Verträge gefördert. Den ersten völkerrechtlichen Vertrag überhaupt schloss die junge Bundesrepublik im Dezember 1949 mit den USA.

Die militärische Integration

Die Bereitschaft des Westens zur Integration der BRD hat die Spannungen zwischen Ost und West, wie sich z. B. in der Berlinblockade dramatisch zeigten, nicht unerheblich befördert. Insbesondere trug aber die militärische Integration zu ihrer Verschärfung im Herzen Europas bei.
Angesichts der angenommenen militärischen Bedrohung aus dem Osten sprachen sich viele westliche Staaten für einen militärischen Beitrag der BRD zur gemeinsamen Verteidigung aus. Gleichzeitig gab es aber angesichts der deutschen Geschichte auch Bedenken gegen die auch in der bundesdeutschen Bevölkerung kontrovers diskutierte Wiederbewaffnung.
Daher entstand vor allem in Frankreich zunächst die Idee einer gemeinsamen westeuropäischen Armee. In deren Rahmen konnten westdeutsche militärische Einheiten auch kontrolliert werden. Diese französischen Vorstellungen führten 1952 zum Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG). Allerdings mussten ihr noch die Parlamente der beteiligten Staaten zustimmen. Während neben den Volksvertretungen der anderen beteiligten Staaten auch der Deutsche Bundestag den EVG-Vertrag billigte, scheiterte er 1954 in der französischen Nationalversammlung.
Für die militärische Integration der Bundesrepublik bedeutete die Ablehnung aber nur einen kurzen Rückschlag. Bereits 1955 wurde sie in die NATO als gleichberechtigtes Mitglied aufgenommen. In der NATO waren neben einigen westeuropäischen Staaten auch Kanada und die USA vertreten. In der Folge kam es dann zur Aufstellung der ersten Einheiten der neuen bundesdeutschen Armee, der Bundeswehr.
Genau genommen erfolgte der Beitritt der Bundesrepublik zur NATO schon 1954 durch eine vertragliche Festlegung im Rahmen der Pariser Verträge.
Im Zusammenhang damit wurden insgesamt elf Verträge und Abkommen geschlossen, mit denen die Westintegration der BRD nunmehr faktisch unumkehrbar war.

GEORGE CATLETT MARSHALL (1880–1959)

GEORGE CATLETT MARSHALL (1880–1959)

Die Blockintegration der DDR

Die wirtschaftliche Integration

Als Gegenstück zum oben erwähnten Marshallplan im Westen wurde im Osten Europas 1949 der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) gegründet, in den die DDR 1950 aufgenommen wurde. Er hatte das Ziel, einen gemeinsamen Markt der sozialistischen Volkswirtschaften zu schaffen und ihre staatlichen Wirtschaftspläne zu koordinieren.
So produzierte und lieferte die DDR im Rahmen des RGW vor allem Industriegüter und importierte dafür Rohstoffe, über die sie nur in sehr geringem Maße selbst verfügte.
Insgesamt verlagerte sich die außenwirtschaftliche Tätigkeit der DDR seit ihrer Gründung deutlich nach Osten. Betrug der Anteil des Handels mit den späteren RGW-Staaten im Jahre 1948 nur knapp 10 %, so waren es im Jahre 1950 bereits mehr als 70 % des gesamten Außenhandels. Daran war die Sowjetunion allein mit 40 % beteiligt. Der innerdeutsche Handel musste zwangsläufig zurückgehen. Die neue wirtschaftliche Ausrichtung war allerdings nicht nur auf den RGW, sondern vielmehr auf eine große Anzahl zwischenstaatlicher Handelsverträge zwischen der DDR und den einzelnen Staaten des Ostblocks zurückzuführen.

Die politische Integration

Auch im Bereich der politischen Integration spielten bilaterale Abkommen zwischen den einzelnen osteuropäischen Staaten und der DDR für ihre Ostintegration zunächst eine wichtigere Rolle als der Beitritt zu internationalen Bündnisorganisationen.
Nachdem die DDR schon unmittelbar nach ihrer Gründung von allen osteuropäischen Staaten diplomatisch anerkannt wurde, folgten Anfang der 50er-Jahre viele Freundschaftsverträge und Abkommen über die kulturelle und wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit. Solche Verträge förderten nicht nur die Zusammenarbeit zwischen der DDR und den einzelnen Staaten. Sie führten auch zu einer Festigung des Bündnisses insgesamt und schufen die Bedingung für die Aussöhnung mit den ehemaligen Kriegsgegnern Deutschlands im Osten.
Ein besonders wichtiger Vertrag war der am 6. Juni 1950 mit Polen geschlossene Görlitzer Vertrag, der die im Potsdamer Abkommen festgelegte Grenze zwischen Deutschland und Polen entlang von Oder und Neiße als dauerhaft gültige Grenze feststellte. Einen ähnlichen Vertrag über Grenzfragen gab es im gleichen Jahr auch mit der Tschechoslowakei.

Die militärische Integration

Die DDR wurde 1955 ebenfalls Mitglied in einem Militärbündnis, dem sogenannten Warschauer Pakt. Der „Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand“, die Gründungsurkunde des Militärpakts, wurde am 14. Mai 1955 in Warschau auch von der DDR unterzeichnet. Sie gehörte damit zu den Gründungsmitgliedern dieser Organisation. In der Folge wurde die über 100 000 Mann starke Kasernierte Volkspolizei in die Nationale Volksarmee (NVA) umgewandelt.

Internationale Gleichberechtigung, staatliche Souveränität und deutsche Teilung

Seit 1955 waren beide deutsche Staaten gleichberechtigte Mitglieder in unterschiedlichen Staatenbündnissen. Hatten beide bis dahin unter, wenn auch eingeschränktem, Besatzungsrecht gestanden, so erhielten sie nun, Mitte der 50er-Jahre, die volle staatliche Souveränität:
Sie übten wieder die oberste staatliche Gewalt auf ihrem Territorium aus und waren weitestgehend unabhängig von anderen Staaten.
Die DDR wurde 1954 von der Sowjetunion als souverän erklärt. Für die BRD geschah das ebenfalls 1954 durch einen im Pariser Vertragswerk endgültig gebilligten Deutschlandvertrag
Für die beiden deutschen Staaten behielten sich die ehemaligen Besatzungsmächte nur wenige Rechte vor, unter anderem aber das, über die Wiedervereinigung Deutschlands als Ganzes mitentscheiden zu können.
Der Weg der BRD und der DDR zur internationalen Gleichberechtigung und staatlichen Souveränität führte für beide deutsche Staaten allerdings nur über die Integration in die durch den Eisernen Vorhang getrennten gegensätzlichen Blocksysteme. Dadurch aber wurde spätestens seit 1954 auch die deutsche Teilung für lange Zeit zementiert.
Da beide Seiten durch ihre Blockintegration aber nicht nur Gleichberechtigung und staatliche Souveränität erwarteten, sondern auch innere Stabilität und äußere Sicherheit, nahm man die Teilung als kleineres Übel vorläufig in Kauf.

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