- Lexikon
- Geschichte
- 9 Aufstieg und Untergang des preußisch-deutschen Kaiserreichs
- 9.2 Die Gründung des Deutschen Reiches
- 9.2.1 Der deutsch-französische Krieg
- Die Niederschlagung der Pariser Kommune
Das französische Kaiserreich war nach der Niederlage im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 und der Abdankung NAPOLEON III. zusammengebrochen. Die Art der Kriegführung und die antinationale Politik der bürgerlichen Regierung führten 1871 zu einer erheblichen Verschärfung der innenpolitischen Situation in Frankreich. Das war vor allem in Paris der Fall. Die Bevölkerung empörte sich hier über den raschen Friedensschluss mit Deutschland, dessen Folgen für Frankreich nahezu allein das französische Volk tragen sollte.
Am 26. Februar 1871 wurde im Schloss von Versailles der Vorfrieden mit Deutschland unterzeichnet. Die reaktionäre bürgerliche Regierung Frankreichs beschloss danach Maßnahmen, um die Kriegslasten auf das Volk abzuwälzen. So wurden u. a. die Soldzahlungen an die Nationalgardisten eingestellt und die sofortige Zahlung aller Mietrückstände verlangt. Das Kommando über die Pariser Nationalgarde übertrug die Regierung reaktionären Offizieren.
Als Antwort auf die volksfeindlichen Maßnahmen der Regierung schuf sich die Nationalgarde in Paris ein Führungsorgan, das Zentralkomitee der Nationalgarde. Die Absicht der französischen Regierung, am 18. März 1871 die Nationalgarde zu entwaffnen, führte zum Aufstand der Arbeiterschaft von Paris und der Nationalgarde.
Die Nationalgarde besetzte in Paris die wichtigsten öffentlichen Gebäude, wie das Polizeipräsidium, die Ministerien, Bahnhöfe und Kasernen. Auf dem Rathaus von Paris wurde die rote Fahne der Revolution gehisst. Nach dem siegreichen Kampf übernahm in der Stadt das Zentralkomitee der Nationalgarde die Macht und schrieb Wahlen für die Pariser Kommune aus.
Am 26. März 1871 wurden in den 20 Bezirken der französischen Hauptstadt 86 Stadträte gewählt. In einer feierlichen Kundgebung übernahm dieser Rat der Kommune zwei Tage später offiziell die Regierungsgewalt. Dieser revolutionäre Gemeinderat strebte mit seinem Manifest vom 19. April programmatisch die Umwandlung Frankreichs in einen Bund souveräner Gemeinden (Kommunen) an. Die Souveränität der Gemeinden sollte vor allem darin bestehen, dass allein in ihre Hände sowohl die gesetzgebende (legislative) als auch die ausführende (exekutive) Gewalt gelegt werden sollte.Die Kommune führte weiter die allgemeine Volksbewaffnung ein. Sie übergab die von ihren Besitzern stillgelegten Betriebe an Arbeitergenossenschaften und trat für eine begrenzte Vergesellschaftung der Produktion ein. Weiterhin proklamierte sie die Trennung von Staat und Kirche sowie die volle Gleichberechtigung der Frauen. In den Reihen der Kommunarden kämpften deshalb auch viele Frauen an der Seite ihrer Männer. Im Rat der Kommune gab es aber heftige Auseinandersetzungen über das Ausmaß der revolutionären Umwandlungen. Dennoch kennzeichneten die Zielstellungen die Pariser Kommune nicht nur als Aufstand gegen die harten Friedensbedingungen, sondern auch als politischen und sozialen Aufstand.
Im Gegensatz zum Staatsapparat des in der Französischen Republik nach Abdankung des Kaisers herrschenden Bürgertums regierte der Rat der Kommune im Interesse des Volkes.
Das musste zwangsläufig der reaktionären bürgerlichen Regierung missfallen, die sich nach Versailles zurückgezogen hatte und mit dem deutschen Reichskanzler BISMARCK in Verbindung stand. Das gemeinsame Ziel beider Regierungen war die schnelle Beseitigung der Volksregierung in Paris, um ein Übergreifen der Kommune auf ganz Frankreich zu verhindern.
Um die notwendigen Truppen zur Niederschlagung der Kommune aufstellen zu können, wandte sich der Chef der bürgerlichen Regierung THIERS an BISMARCK und bat diesen um Hilfe.
BISMARCK bot der französischen Regierung an, mit deutschen Truppen gegen die Revolutionäre in Paris vorzugehen. Dieses Angebot lehnte die französische Regierung jedoch aus nationalen Gründen ab. Sie bat vielmehr darum, die Beschränkungen des Friedensschlusses nach dem Deutsch-Französischen Krieg für die Zahlenstärke der französischen Armee aufzuheben. Damit hoffte sie, die benötigten Truppenkontingente aus eigenen Kräften bereitstellen zu können.
BISMARCK stimmte einer Verstärkung der Truppen auf 130 000 Mann zu. Auf seine Empfehlung hin entließ Deutschland sogar eine beträchtliche Anzahl kriegsgefangener Soldaten für die Aufstellung der französischen Regierungstruppen aus der Gefangenschaft. Ferner sollten die Regierungstruppen ungehindert den noch bestehenden Belagerungsring der deutschen Armeen um Paris passieren und ungehindert in die Stadt vordringen können.
Am 21. Mai 1871 war es dann so weit: Nach einem gescheiterten Vorstoß der Kommunarden nach Versailles stürmten die von Marschall MacMahon geführten und modern ausgerüsteten Regierungstruppen Paris. Acht Tage später hatten dann die überlegenen Truppen nach verlustreichen blutigen Straßenkämpfen die letzten Kommunarden überwunden. Die Rache der Regierung war furchtbar.
Etwa 20 000 Kommunarden, Männer wie Frauen, wurden standrechtlich erschossen. Mehr als 10 000 Kämpfer der Kommune mussten ins Gefängnis, wurden verbannt oder zur Deportation verurteilt.
Die Pariser Kommune konnte also nur durch die unmittelbare Hilfe von BISMARCK besiegt werden. Das gemeinsame Interesse von ihm und der französischen Regierung bestand darin, mit allen Mitteln eine demokratische Regierung mit Vertretern der Arbeiterklasse in Frankreich zu verhindern.
Im Gegensatz zu BISMARCK bekundete AUGUST BEBEL in einer Rede vor dem Deutschen Reichstag am 25. Mai 1871 seine Solidarität mit den geschlagenen Kommunarden.
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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