Preußens Vormachtstellung im Norddeutschen Bund

Der Norddeutsche Bund

Nach der Niederlage Österreichs in der Schlacht bei Königgrätz gegen Preußen im Deutschen Krieg von 1866 entstand der Norddeutsche Bund. In diesem Krieg ging es um die Vorherrschaft im 1815 nach der Niederlage NAPOLEONS gegründeten Deutschen Bund. Im Frieden von Prag wurde der Deutsche Bund nach dem Ausscheiden Österreichs aufgelöst. An seiner Stelle wurde der Norddeutsche Bund gegründet. Er umfasste als Bundesstaat die 22 nördlich der Mainlinie liegenden deutschen Mittel- und Kleinstaaten sowie drei Freie Reichsstädte.

Preußens Vormachtstellung im Bund

Preußen war in Norddeutschland zur absolut gebietenden und alles erdrückenden Macht aufgestiegen. Es umfasste nach 1866 vier Fünftel der Bevölkerung und einen großen Teil der Landfläche des Norddeutschen Bundes.
Durch die Einverleibung von Hannover, Kurhessen, Nassau und Frankfurt schloss Preußen die letzten Lücken in seinem Staatsterritorium. So entstand erstmals in der Geschichte ein geschlossenes preußisches Staatsgebiet zwischen der Maas im Westen und der Memel im Osten. Stellte diese Annexionspolitik Preußens ohnehin schon einen radikalen Bruch mit dem durch Traditionen und Ideen geheiligten Recht dar, so wurde sie zusätzlich noch mit nicht gerade schonender Hand durchgeführt. Besonders Frankfurt hatte unter Demütigungen zu leiden. Es war wohl eine späte Revanche des konterrevolutionären Preußen gegenüber dem Sitz der Deutschen Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche in den Revolutionsjahren von 1848/49.
Lediglich das Königreich Sachsen konnte als ein einst mit Preußen rivalisierender Staat seine politische Existenz bewahren. Daneben gab es noch weitere kleinere souveräne Territorien im Norddeutschen Bund: u. a. Hessen-Darmstadt, Oldenburg, Braunschweig, Sachsen-Weimar und Coburg, die beiden mecklenburgischen Großherzogtümer sowie die winzigen Fürstentümer Thüringens.
Diese kleinen Einzelstaaten wurden von Preußen bereits vor Ende des Deutschen Krieges in einen Bund gezwungen. Dabei wurde ihnen unter Annexionsdrohungen die Zusage abgerungen, im Zusammenwirken mit einem aus allgemeinen, freien Wahlen hervorgegangenen Parlament eine Bundesverfassung auszuarbeiten. Sachsen und der nördliche Teil des Großherzogtums Hessen, die beide mit Österreich gegen Preußen verbündet gewesen waren, wurden in den Bund durch aufgezwungene Friedensverträge eingegliedert.
All das geschah praktisch noch vor der eigentlichen Gründung des Norddeutschen Bundes.

Die bundesstaatliche Lösung und Preußen

Dass die verbliebenen kleineren und mittleren Einzelstaaten Norddeutschlands nicht auch einfach annektiert wurden, lag an der Einschätzung der politischen Situation durch BISMARCK, der Ministerpräsident Preußens war. BISMARCK wollte für einen solchen Staat, der den anderen europäischen Mächten, vor allem Frankreich, keinesfalls gelegen war, nicht die preußische Monarchie aufs Spiel setzen. So genügte es ihm vielmehr, zunächst als Zwischenschritt eine formal bundesstaatliche Lösung zu finden. Diese stellte das größer gewordene Preußen in einen Bundesstaat, eben den Norddeutschen Bund, in dem es allerdings die eindeutige Hegemonie (Vorherrschaft) inne hatte.

Auch auf wirtschaftlichem Gebiet sicherte sich Preußen im Norddeutschen Bund als wirtschaftlich stärkster Staat eine klare Vormachtstellung. Nach dem Sieg über Österreich löste beispielsweise der preußische Taler den österreichischen Gulden als Zahlungsmittel ab. Berlin wurde nun zum Zentrum der deutschen Finanzwelt. Alle Länder, sowohl die besiegten wie auch die verbündeten, mussten hier ihre Anleihen aushandeln und platzieren, aus deren Erlösen sie dann die geforderten Kriegsentschädigungen an Preußen zahlen konnten.
Auch als über die Verfassung des Norddeutschen Bundes und seine politischen Institutionen verhandelt wurde, behielt Preußen gegenüber den anderen Bundesstaaten die Fäden in der Hand. Treibende Kraft hierbei war wiederum BISMARCK. Er formulierte nicht nur die Grundgedanken des Verfassungsentwurfs selbst. Er sorgte auch dafür, dass „seine“ Verfassung sowohl von den beteiligten Regierungen als auch vom Reichstag ohne größere Abänderungen angenommen wurde.

Alle Macht geht von Preußen ...

Die Regierungen der anderen Klein- und Mittelstaaten im Bund versuchten häufig, sich auf gemeinsame Forderungen im Interesse der Stärkung der Macht „ihrer“ Fürsten zu verständigen. Da das zwangsläufig mit der Beschneidung seines Hegemonieanspruchs verbunden sein musste, trat Preußen solchen Tendenzen energisch entgegen. BISMARCK begegnete solchen Forderungen einerseits mit einer Spaltungstaktik. Diese mit Bestechungen und Versprechungen gewürzte Taktik brach im Regelfalle die gegnerischen Fronten auf.
Zum anderen erschreckte er die Widerspenstigen mit der Ankündigung, Preußen könne sich fortan auch ausschließlich auf das demokratisch gewählte Parlament, in dem auch bürgerlich Liberale saßen, als Entscheidungsinstanz stützen.
Das Parlament des Norddeutschen Bundes, der Reichstag, wurde laut Verfassung in allgemeinen, geheimen und direkten Wahlen gewählt. Der Reichstag war jedoch rein auf die Legislative beschränkt, d. h., er verantwortete gemeinsam mit dem Bundesrat die Gesetzgebung. Die Liberalen waren mit dem Versuch gescheitert, auch die Verantwortlichkeit der Bundesministerien, der Exekutive, gegenüber dem Reichstag durchzusetzen. Auch hierbei hatte BISMARCK die preußische Position durchgesetzt.
Das wichtigste politische Organ im Norddeutschen Bund war der Bundesrat, der in Anlehnung an den alten Bundestag des Deutschen Bundes geschaffen wurde. Er stellte die eigentliche Zentralbehörde mit der Funktion eines Gesamtministeriums im Bund dar. Gleichzeitig ließ er aber auch genügend Spielraum für die preußische Hegemonie.
Erblicher Präsident des Bundesrates war der König von Preußen. Dieser ernannte als Bundeskanzler, der den Bundesrat zu führen hatte, BISMARCK. Als Bundeskanzler, der auch die Anordnungen und Verfügungen des Bundespräsidiums gegenzuzeichnen hatte, war BISMARCK fortan die bestimmende Figur in der politischen Landschaft des Norddeutschen Bundes.

.. und von BISMARCK aus.

Der Bundesrat setzte sich aus 43 Delegierten aus den einzelnen Bundesländern des Norddeutschen Bundes zusammen. Davon hatte Preußen allein 17 Stimmen. Dies sicherte ihm zwar nicht die absolute Mehrheit. Gesichert wurde aber ein Vetorecht gegen mögliche Änderungen der Verfassung, denn diese benötigten im Rat eine Zweidrittelmehrheit. Das Präsidium des Bundesrates vertrat den Bund völkerrechtlich, erklärte Kriege und schloss Friedensverträge, war also für die gesamte Außenpolitik des Bundes zuständig. Als Leiter des Präsidiums war damit auch die Außenpolitik Aufgabe des Bundeskanzlers BISMARCK.

Dazu kam, dass die gesamten Streitkräfte des Norddeutschen Bundes in Friedens- und Kriegszeiten dem preußischen König als Bundesfeldherrn unterstanden. Damit hatte sich Preußen seine Vormachtstellung auch auf militärischem Gebiet gesichert.

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