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  6. Der Charakter der Reichsverfassung

Der Charakter der Reichsverfassung

Die Reichsverfassung von 1871 war keine konstitutionelle Monarchie im eigentlichen Sinne. Weder der Kaiser noch sein Reichskanzler unterlagen einer parlamentarischen Kontrolle. Das politisch wichtigste Amt, das des Reichskanzlers, war ganz auf die Person BISMARCKs zugeschnitten. Allerdings nur dadurch, dass er gleichzeitig auch preußischer Ministerpräsident und Außenminister war, konnte BISMARCK die politische Kontrolle behalten.
Die Verfassung hatte einen starken bundesstaatlichen Charakter. Der Bundesrat, die Vertretung der 25 Einzelstaaten, war verfassungsrechtlich das höchste Organ im Reich. Der Reichstag wurde zwar in allgemeinen und geheimen Wahlen direkt durch das Volk gewählt, besaß aber keine Gesetzesinitiative.

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Die am 16. April 1871 verabschiedete Reichsverfassung orientierte sich sehr stark an der Verfassung des Norddeutschen Bundes. Es kamen lediglich einige Änderungen und Ergänzungen hinzu.

Der bundesstaatliche Charakter der Reichsverfassung

Die Gründung des Deutschen Reiches im Jahre 1871 geschah in der Form eines Bundes souveräner Fürsten.
Das Reich war ein Bundesstaat aus 25 Einzelstaaten. Davon wurden

  • 22 von Monarchen regiert,
  • 3 waren Stadtstaaten.
  • Hinzu kam noch das Reichsland Elsass-Lothringen. Es war keinem Fürstentum angegliedert, sondern wurde direkt von Reichsstatthaltern regiert.

Eine Veränderung der bisherigen deutschen Landkarte fand also durch die Reichsgründung nicht statt. Dieser Tatsache trug auch die Reichsverfassung Rechnung.

Der Bundesrat

Der Bundesrat, die Vertretung aller 25 Bundesstaaten, war das verfassungsrechtlich höchste Organ im Deutschen Reich. Das entsprach zum einen der starken Stellung der Einzelstaaten und widerspiegelte zum anderen den föderativen Charakter des neuen Reiches. Der Bundesrat übte einen Großteil der Reichsgesetzgebung aus und besaß damit die eigentliche Souveränität im Reich.
Die Stimmen im Bundesrat verteilten sich nach der Größe der Länder. Von den insgesamt 58 Stimmen entfielen deshalb allein 17 Stimmen auf Preußen. Das waren mehr Stimmen als notwendig waren, um Verfassungsänderungen zu verhindern.

Die Einzelstaaten

Die Einzelstaaten besaßen sehr weitreichende Befugnisse:

  • Polizei und
  • Justiz,
  • Bildung,
  • Gesundheitswesen
  • und ein nicht unbeträchtlicher Teil der Finanzverwaltung

befanden sich in der Hoheit der Länder.
Auch das Wahlrecht für Wahlen auf Länderebene lag in ihrer Regie.
Den süddeutschen Ländern räumte die Reichsverfassung noch Sonderrechte ein. Diese sogenannten Reservatsrechte hatten dazu gedient, den Ländern den Beitritt zum Deutschen Reich zu erleichtern.

  • So verfügte Bayern weiterhin über eine eigene Post-, Telegrafen- und Eisenbahnverwaltung.
  • In Friedenszeiten war der bayerische König auch Oberbefehlshaber der bayerischen Armee. Der Kaiser durfte sich als oberster Kriegsherr des Reiches nur von der Einsatzbereitschaft des bayerischen Heeres überzeugen.
  • Bayern durfte außerdem etliche eigene diplomatische Vertretungen im Ausland weiterhin unterhalten.
  • Auch Württemberg wurden ähnliche Privilegien eingeräumt.

Alle süddeutschen Staaten durften zudem die Bier- und Branntweinsteuer zum eigenen Nutzen erheben.

Der Reichstag

Der Reichstag war das einheitsstaatliche Element in der Reichsverfassung. Die rund 400 Abgeordneten wurden in allgemeinen, geheimen und direkten Wahlen von allen Männern über 25 Jahren gewählt. Der Befürchtung des Kaisers, dass durch dieses Wahlrechtssystem zu viele Angehörige der unteren Klassen Zugang zum Parlament erhielten, begegnete BISMARCK, indem er festsetzte, dass Reichstagsabgeordnete keine Diäten, also keinerlei Bezahlung erhielten.
Trotz seiner demokratischen Legitimation verfügte der Reichstag aber nur über beschränkte Befugnisse. Er war an den Gesetzgebungsverfahren und am Budgetrecht lediglich nur beteiligt. Zwar war für alle Gesetzesvorlagen die Zustimmung des Reichstags erforderlich. Diese konnten aber nur vom Bundesrat oder dem Reichskanzler, nicht vom Reichstag selbst eingebracht werden. Der Reichstag konnte beispielsweise Gesetzesentwürfe des Reichskanzlers zwar ablehnen, musste dann aber mit seiner Auflösung rechnen.
Auch auf die Außenpolitik hatte der Reichstag keinerlei Einfluss.

Die Stellung des Reichskanzlers

Der Reichskanzler vereinigte in seiner Person die politische und militärische Führung. Im allgemeinen Bewusstsein war er damit der eigentlichen Souverän. Der Kanzler wurde vom Kaiser ernannt und war auch diesem nur rechenschaftspflichtig. Gleichzeitig war der Kanzler auch

  • Außenminister und
  • Ministerpräsident Preußens,

des größten deutschen Bundesstaates. BISMARCK äußerte vor dem Reichstag:

„Dem Bestande des Reiches (droht) weit mehr vom Reichstag als von den Regierungen Gefahr. ..Ich bin deshalb im Interesse der Erhaltung der deutschen Einheit geneigt, mehr vom Reichstag und dessen wilden Parteikämpfen zu fürchten. ..als eine Störung durch die verbündeten (deutschen) Regierungen zu besorgen. ..Die Parteikämpfe sind stärker als das nationale Bewußtsein, die Neigung für die Parteiinteressen stärker als die Neigung, für nationale Interessen einzutreten und ihnen. .. Parteiinteressen zu opfern.“

Der Reichskanzler unterlag keiner parlamentarischen Kontrolle. Er konnte deshalb auch nicht vom Reichstag zur Rechenschaft gezogen werden. Eine Abstimmungsniederlage für seine Politik im Reichstag musste deshalb nicht unbedingt zu seinem Rücktritt führen, wie es beispielsweise im englischen Regierungssystem üblich war.
Außerdem war der Reichskanzler Stellvertreter des Kaisers und hatte den Vorsitz im Bundesrat inne.

Die Stellung des Kaisers

Dem Kaiser oblag

  • die völkerrechtliche Vertretung des Deutschen Reiches.
  • Er war der Oberbefehlshaber der Armee und
  • hatte das Recht zur Kriegserklärung mit Zustimmung des Bundesrates.
  • Er ernannte und entließ die Reichsbeamten.
  • Der Kaiser entschied über Einberufung, Eröffnung, Vertagung und Schließung des Bundesrates und des Reichstages.

Eine Verantwortlichkeit des Kaisers gegenüber dem Parlament bestand dagegen nicht.
Die Reichsverfassung war in ihren Grundzügen von BISMARCK erarbeitet worden und deshalb auch auf ihn zugeschnitten.
BISMARCK hatte in seinem Verfassungssystem jedem Gewicht ein Gegengewicht gegenübergestellt:

  • dem Prinzip der Zentralisation dasjenige der einzelstaatlichen Rechte,
  • den Einzelstaaten die Bundesregierung,
  • der Bundesregierung Preußen,
  • der Nation die Fürstendynastien.

Anders als im heutigen Grundgesetz mit dem Artikel 21 waren in der Reichsverfassung von 1871 Parteien nicht vorgesehen.

Lernhelfer (Duden Learnattack GmbH): "Der Charakter der Reichsverfassung." In: Lernhelfer (Duden Learnattack GmbH). URL: http://www.lernhelfer.de/schuelerlexikon/geschichte/artikel/der-charakter-der-reichsverfassung (Abgerufen: 12. August 2025, 08:59 UTC)

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Der Norddeutsche Bund – Zwischenstufe zur nationalen Einheit Deutschlands

Der Norddeutsche Bund entstand nach der Niederlage Österreichs gegen Preußen im Deutschen Krieg von 1866 um die Vorherrschaft im Deutschen Bund. Im Frieden von Prag wurde der Deutsche Bund nach dem Ausscheiden Österreichs aufgelöst und an seiner Stelle der Norddeutsche Bund gegründet. Er umfasste als Bundesstaat die 22 nördlich der Mainlinie liegenden deutschen Mittel- und Kleinstaaten sowie drei Freie Reichsstädte. Der Bund stand unter der Hegemonie Preußens, das nicht nur die größte Fläche besaß, sondern auch den Präsidenten und Kanzler stellte.
Mit der Gründung des Norddeutschen Bundes wurde die Einheit Deutschlands nördlich der Mainlinie vollzogen. Insofern konnte der Bund auch nur eine Zwischenstufe auf dem Weg zur Einigung Gesamtdeutschlands sein. Bismarck als Bundeskanzler schuf dafür gegen die Interessen Frankreichs durch Bündnisse mit den süddeutschen Staaten die entsprechenden wirtschaftlichen und politischen Voraussetzungen.

Preußens Vormachtstellung im Norddeutschen Bund

Nach dem Sieg über Österreich im Deutschen Krieg 1866 beherrschte Preußen den Norden Deutschlands. Mit dem Norddeutschen Bund wurde ein Bundesstaat geschaffen, in dem Preußen schon allein aufgrund seiner Größe und seiner militärischen Stärke die Vorherrschaft hatte. Die übrigen Einzelstaaten auf dem Gebiet des Norddeutschen Bundes mussten diese Vormachtstellung Preußens anerkennen, konnten aber ihre Eigenständigkeit behalten. Dies war auch in der Einschätzung der politischen Lage durch BISMARCK begründet. Er wollte die preußische Monarchie durch die Annexion der Einzelstaaten, die sich gegen die Interessen anderer europäischer Mächte, vor allem Frankreich, gerichtet hätte, nicht aufs Spiel setzen. Deshalb ging er den Weg über den Bundesstaat. Auch in den einzelnen politischen Institutionen des Bundes sicherte Preußen seine Vormachtstellung ab. Von besonderer Wichtigkeit war hier der Bundesrat, in dem sich Preußen ein Vetorecht sicherte. Geschaffen in Anlehnung an den Bundesrat des ehemaligen Deutschen Bundes, war er das wichtigste politische Organ. Von besonderer Bedeutung war die Position des Bundeskanzlers, zu dem BISMARCK vom preußischen König ernannt wurde. Auf militärischem Gebiet sicherte sich Preußen seine Vormachtstellung dadurch, dass laut Bundesverfassung der preußische König in Friedens- und Kriegszeiten oberster Feldherr der Bundestruppen war.

Bismarcks Weg der nationalen Einigung Deutschlands „von oben“

Seit der Zeit des preußischen Verfassungskonfliktes betrieb BISMARCK eine Politik der Einigung Deutschlands „von oben.“ Er wollte damit auch einen Großteil seiner inneren Feinde aus den Reihen der Liberalen auf seine Seite ziehen. Nach den preußischen Siegen im Deutsch-Dänischen Krieg von 1864 und im Deutschen Krieg von 1866 über Österreich war ihm der Erfolg seiner politischen Strategie gewiss. Sein Ansehen in der öffentlichen Meinung, auch bei den Liberalen, stieg enorm. Eine Folge der Politik BISMARCKS war die Spaltung des politischen Liberalismus. Die Liberalen, die BISMARCK folgten und die Einheit vor die Freiheit stellten, sammelten sich nun in der Nationalliberalen Partei, die die Politik von BISMARCK unterstützte. Die Proklamation des preußischen Königs zum Deutschen Kaiser in Versailles durch die Fürsten war eine von BISMARCK einstudierte Geste, die eines ganz klarmachte: Das Deutsche Reich war ein Geschenk der Fürsten an das Volk, und dieses Geschenk konnte von den Fürsten auch wieder zurückgenommen werden.

Frankreichs Bemühen, ein preußisches Deutschland zu verhindern

Für Frankreich war es schon immer von herausragendem Interesse, dass sich kein deutscher Einheitsstaat bildete. Durch einen deutschen Nationalstaat glaubte sich Frankreich in seiner Sicherheit bedroht und fürchtete um seine Ostgrenze. Ein politisch in viele Einzelstaaten zersplittertes Deutschland ließ sich auch wesentlich leichter kontrollieren und konnte zu Frankreich auch machtpolitisch nicht in Konkurrenz treten. Die von BISMARCK betriebene preußische Außenpolitik musste daher in den Augen der Pariser Regierung bedrohlich wirken. Zielte sie doch genau darauf ab, was diese zu verhindern suchte: die Gründung eines deutschen Nationalstaates.
Zu diesen langfristigen politisch-strategischen Überlegungen Frankreichs kamen kurzfristig noch innenpolitische Motive hinzu. Die Regierung NAPOLEONS III. war durch außenpolitische Fehlschläge unter immer größeren innenpolitischen Druck geraten. Die liberale Opposition wurde immer stärker. NAPOLEON III. brauchte den politischen Erfolg gegen Preußen, um das Überleben des 2. Kaiserreiches zu sichern. Seine Regierung musste deshalb die Gründung eines deutschen Einheitsstaates unter der Führung Preußens um jeden Preis verhindern. Dies schloss auch einen Krieg mit ein. Und wegen der aufgeheizten nationalistischen Stimmung in Frankreich hatte die Regierung nach Bekanntwerden der Emser Depesche keine andere Möglichkeit mehr als die Kriegserklärung. Zu groß waren für das Ehrgefühl und das Nationalbewusstsein der Franzosen die vermeintlichen Demütigungen durch die Politik BISMARCKS gewesen.

Bismarck – Gestalter der preußischen Politik ab 1862

Im September 1862 wurde OTTO VON BISMARCK vom preußischen König WILHELM I. zum Ministerpräsidenten Preußens berufen. Von da an bestimmte BISMARCK für viele Jahre die preußische und nach der Einigung Deutschlands die Politik des deutschen Kaiserreichs. In BISMARCKS politischem Denken und Handeln lassen sich einige Grundzüge erkennen, die immer Bestand hatten und seine Politik bestimmten. So war es sein dauerhaftes strategisches Ziel, das preußische Königtum zu stärken und zu erhalten. Dadurch sollte auch die politische, wirtschaftliche und soziale Macht des Junkertums gesichert werden. Jenes Junkertums also, dem auch BISMARCK entstammte. Eng verbunden mit diesen innenpolitischen Zielsetzungen waren seine strategischen Ziele in der Außenpolitik: die Einigung Deutschlands unter Vorherrschaft Preußens und ohne Österreich sowie die Beseitigung des Deutschen Bundestages oder seine Unterwerfung unter Preußen. Die jeweilige Taktik, die BISMARCK in der Politik verfolgte, war immer diesen Hauptzielen untergeordnet. Nach 1866 übernahm Frankreich von Österreich die Rolle als Störfaktor für eine nationalstaatliche Einheit Deutschlands unter der Führung Preußens.

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