Architektur des Barock

Merkmale barocker Architektur

In den Grundrissen setzen sich ovale, ellipsoide, geschweifte Formen durch. Konvex-konkave Schwingungen und Übereckstellung von Pfeilern führen wellenartig in die Tiefe. Räume und Baukörper durchdringen sich, verschlüsselte Raumgebilde entstehen durch konsequente Synthese von rationalistischer Konstruktion und phantasievoller Vision. Für den Aufriss (auch des Außenbaus) gilt Ähnliches. Die mehrere Geschosse verklammernde „Kolossalordnung“, Verdoppelung von Säulen oder Pilastern, starke Gebälkverkröpfungen und ähnliches herrschen vor (BERNINI, 1598–1680; BORROMINI, 1599–1667; MADERNA, GUARINI, 1624–1683; FISCHER V. ERLACH, 1556–1723; HILDEBRANDT, 1668–1745; PÖPPELMANN, 1662–1732; NEUMANN, 1687–1753).

Sakrale Architektur

Die Kirche „Il Gesù“ (1568 und 1584) in Rom (Vignola, Della Porta) wurde zum Vorbild der meisten Barockkirchen bis ins 18. Jh. Im Grundriss wandte man sich von der Idealvorstellung der Hochrenaissance – dem reinen Zentralbau – ab und gestaltete eine schöpferische Verschmelzung zwischen Langhausbau und Zentralbau.

Im Langhaus erinnert nichts mehr an eine frühchristliche Basilika. Den Arkaden vorgelagerte kannelierte Halbsäulen tragen ein wuchtiges Gesims. Von hier aus steigt ein mächtiges Tonnengewölbe auf und überspannt halbrund das Langhaus. Es setzt sich ausgehend von der kreisrund überkuppelten Vierung in Chor und Querhausarmen fort. Die Kuppel fügt sich zwischen die Wölbungen gleichsam dynamisch richtungskontrastierend und wesentlich harmonischer ein als zu einer Flachdecke.

Das äußere Prunkstück der Barockkirche ist deren Fassade. Auffällig ist, dass sich auch im Zeitalter des Barocks die italienischen Baumeister nicht zur Errichtung von Turmfassaden entschlossen. Hatte man in früheren Zeiten den frei stehenden Campanile neben der Kirche platziert, verzichtete man nun ganz darauf und konzentrierte sich auf das Motiv der Kuppel.

Die Fassade von „Il Gesù“ wurde durch die Anwendung der – wohl von MICHELANGELO (1475–1564) erdachten – Kolossalordnung Richtung weisend für die Barockarchitektur. Dem zweigeschossigen Unterbau sind Doppel-Pilaster vorgeblendet. Sie markieren und rhythmisieren gleichsam Vorsprünge der Fassade bis zur Rahmung des Portals zwischen zwei Halbsäulen. Die korinthischen Kapitelle der Scheinstützen tragen ein kantig-wuchtiges Gebälk, aus dem ein hoher Giebel erwächst. In Fortführung der Vertikalen der Kolossalordnung stemmen flache Pilaster den Oberbau regelrecht empor und lenken den Blick zum bekrönenden Dreiecksgiebel.

Die Ausschmückung der Eckansätze zwischen Unterbau und Giebel mit Ringlinien, den sogenannten Voluten, trat erstmals bei dieser Fassade auf. Sie wurden zu einer beherrschenden Dekorationsform des Barocks. Der belebende Kontrast zwischen vertikalen Stützelementen und horizontalen Gebälken oder Gesimsen, ihre gegenseitige Unterbrechung oder Verkröpfung und dynamisierend-organische Verbindungen beispielsweise durch Bögen und Voluten realisieren den Eindruck einer barocken Schaufront. Nun dominieren nicht mehr die einzelnen Bauelemente – wie in der Renaissance – sondern die Gesamtwirkung.

Einen entscheidenden Impuls zur Entwicklung barocker Formen gab noch MICHELANGELO mit der Kuppel für St. Peter in Rom. Statt der Reinheit der Kugel wollte er die kraftvolle Dehnung der Ellipse. Eine neue Generation junger Architekten führte diese Gedanken weiter.

Die Kulturlandschaft Zentraleuropas

Die Kulturlandschaft Zentraleuropas ist nachhaltig durch die Formen barocker Frömmigkeit geprägt worden. Auch die Orden nahmen schnell die neue Baugesinnung des Barocks auf. Die Gestaltung von Wallfahrtsstätten und der Klosterbau erlebten eine Blüte wie es sie seit dem späten Mittelalter nicht mehr gegeben hatte. Ein ganzes Netz von Kirchen, Klöstern und Kapellen überzog ganz Europa, bis in die entlegendsten Winkel. Selbst unbedeutenderen Architekten gelangen in anregender landschaftlicher Umgebung fantasievolle architektonische Lösungen.

Der Zwiebelturm wurde zum Wahrzeichen geistlichen Bauens zunächst im süddeutschen Barock. Man wandte sich von der tradierten Anordnung des Klosters um einen Kreuzgang ab und ließ riesige Anlagen mit Wohntrakten, Schulen, Gasträumen usw. schaffen, die den fürstlichen Schlössern in nichts nachstanden.

Große barocke Klosteranlagen wurden u. a. im Donauraum Österreichs errichtet. 1683 wurde JACOB PRANDTAUER (1660–1726) mit dem Neubau des Stiftes Melk an der Donau beauftragt. Hoch über dem Fluss wächst die Klosteranlage über dem Rücken eines Felsens empor.

PRANDTAUER hatte den genialen Einfall, die Fernwirkung des Gebäudekomplexes in Westrichtung mit der Kirchenfassade aufgipfeln zu lassen. Die Idee des Klosters als Gottesburg hatte hier noch einmal eine grandiose Neubelebung erfahren.

Was Versailles als Vorbild für die europäische Schlossarchitektur bedeutete, das war der Escorial für die Klosterarchitektur. Das Königskloster PHILIPPs II. (1527–1598) von Spanien mit seiner immensen Größe, seiner strengen Symmetrie, den zahlreichen Binnenhöfen und seiner geschlossenen Anlage wirkte noch über ein Jahrhundert auf den europäischen Barock. Die großen barocken Klosteranlagen als geistliche Residenzen konnten den weltlichen Schlossanlagen durchaus ebenbürtig erscheinen.

MICHEL-ANGE HOUASSE: Blick auf das Kloster Escorial, 1723;Öl auf Leinwand, 50 × 82 cm; Madrid, Museo del Prado.

MICHEL-ANGE HOUASSE: Blick auf das Kloster Escorial, 1723;Öl auf Leinwand, 50 × 82 cm; Madrid, Museo del Prado.

Architektur des Barocks - Blick auf das Kloster Escorial

Die Theatinerkirche – am Münchener Odeonsplatz errichtet – ist der erste bedeutende Barockbau in Deutschland. Vorbild waren die römischen Kirchen. So ist die Fassadenwand wie bei „Il Gesù“ mit kolossalen Säulen und Pilastern dekoriert, die über ihren Kapitellen ein Gebälk tragen.

Eine typisch deutsche Neuheit barocker Kirchenbaukunst sind die – hier aus Romanik und Gotik tradierten – beiden hohen Fassadentürme, die den Giebel flankieren. Die turmbreiten Distanzachsen in der Fassade werden über dem Gebälk in italienischer Tradition organisch mit je einem Volutenschwung überwunden.

Theatinerkirche in München: Baubeginn war 1663 unter AGOSTINO BARELLI, ab 1674 ENRICO ZUCCALLI.

Theatinerkirche in München: Baubeginn war 1663 unter AGOSTINO BARELLI, ab 1674 ENRICO ZUCCALLI.

Architektur des Barock - Theatinerkirche in München
Theatinerkirche in München

Zu Beginn des 18. Jh.s traten in Deutschland erstmals einheimische Baumeister auf, die in wenigen Jahren ihre italienischen Lehrmeister weit übertreffen konnten. Die deutsche Barockbaukunst wurde führend in Europa. Zu den bedeutenden Barockbaumeistern gehört JOHANN DIENTZENHOFER (1663–1726), der zwischen 1704 und 1712 den Dom zu Fulda an Stelle der alten Kirche gänzlich neu baute.

Der Dom wurde – wie viele Kirchenbauten des deutschen Früh- und Hochbarocks – als dreischiffige Basilika mit Querhaus errichtet. Wuchtige Pfeiler tragen das Mittelschiff, über der Vierung erhebt sich die Kuppel, im Chor steht der barocke Hochaltar. Das Tonnengewölbe ist durch breite Gurtbögen in Joche gegliedert. Typisch für diese Bauart ist die Orgelempore über dem Westportal. Die Wand mit ihrer das Licht-Schatten-Spiel dynamisch steigernden Stufung kommt im Hochbarock noch voll zur Geltung, Stuckdekorationen geben reliefhaft florale oder figürliche Illustration – ohne farbig überladen zu wirken. Die Kartusche ist die beliebteste Dekorationsform bei Kapitellen, Altären, Kanzeln und anderen Ausstattungsstücken. Engelsputten sind beliebte plastische Zierde des Barocks.

Das Licht wurde von den barocken Baumeistern zur Raumgestaltung genutzt. Besonders deutlich zeigt sich dieser Anspruch in der Kirche des Klosters Weltenburg, die von den Brüdern ASAM (COSMAS DAMIAN ASAM, 1686–1739; EGID QUIRIN ASAM, 1692–1750) zwischen 1717 und 1721 errichtet wurde.

Aus unsichtbaren Fenstern fällt das Licht über den Hochaltar mit dem Heiligen Georg, der den Drachen niederringt. Der untere Kuppelring ist oval geöffnet und gibt den Blick auf die zweite Kuppelschale frei, die sich durch illusionistische Ausmalung geradezu in der Endlosigkeit des Himmels zu verlieren scheint. Maria – umringt von jubilierenden Engelsscharen – steht fürbittend vor Christus. Das durch den Tambour einströmende Licht modelliert eine faszinierende Aura und fällt warm in das Kircheninnere.

Die Lichtwirkung ist auch in anderen barocken Kirchen wirksam, wie in der Klosterkirche Engelberg, Schweiz.

Das Licht wurde von den barocken Baumeistern zur Raumgestaltung genutzt. Das Bild zeigt das Innere der Klosterkirche Engelberg.

Das Licht wurde von den barocken Baumeistern zur Raumgestaltung genutzt. Das Bild zeigt das Innere der Klosterkirche Engelberg.

Architektur des Barock - Klosterkirche Engelberg, Schweiz
Klosterkirche Engelberg

In der ersten Hälfte des 18. Jh.s wurden in Dresden zwei Kirchen errichtet, die in ihren Konzepten und stilistischen Orientierungen kaum unterschiedlicher hätten ausfallen können. Die eine zeigt die strengen Formen des Hochbarocks, die andere weist zumindest in der Turmgestaltung auf die filigrane, fast verspielte Leichtigkeit des höfischen Rokoko.

Das nach wirtschaftlichem Aufschwung in Sachsen zu Wohlstand gekommene Bürgertum ließ ab 1726 an Stelle der baufällig gewordenen spätgotischen Frauenkirche einen Neubau errichten. Beauftragt wurde der im Dienste der Stadt stehende Baumeister GEORGE BÄHR (1666–1738). Er schuf für die protestantische Predigtkirche einen mächtig überkuppelten Zentralbau aus Sandsteinquadern.

Ein runder Innenraum war einem quadratischen Grundriss einbeschrieben, dessen abgeschrägte Außenecken die Treppenhäuser aufnahmen. Acht schlanke, durch Bögen verbundene Pfeiler trugen die innere, den Raum abschließende Kuppel. Eine runde Öffnung gab den Blick in die steilere zweite Kuppelschale frei. Durch die ringsum recht steil in die Höhe laufenden, vor und zurück schwingenden Emporen fasste die Kirche bis zu 3 600 Sitzplätze. Die wechselnde Höhendynamik des Außenbaues wird durch verschieden übergiebelte Risalite, Ecktürme und den offenen Tambour über der oval gestreckten Kuppel betont.

Die überwiegend protestantische Bürgerschaft hatte den Konfessionswechsel August des Starken nicht gebilligt. Aus ökonomischen Gründen beließ der Herrscher der Bürgerschaft ihren lutherischen Glauben.

Erst der Sohn AUGUST DES STARKEN, AUGUST III., wagte den Bau einer katholischen Hofkirche (1739–1746) in Dresden. Als Baumeister berief er den Römer GAETANO CHIAVERI (1689–1770). Er entwarf keinen Kuppelbau, sondern einen basilikal anmutenden Grundkorpus mit einer eintürmigen Schaufassade, die wie eine Reminiszenz an die Kathedralgotik erscheinen könnte. Das lange Mittelschiff und dessen halbrunde Schmalseiten bilden einen elliptischen Grundriss mit einem Umgang für Prozessionen im Kircheninneren. Darüber befinden sich die für den Hof bestimmten Emporen mit direktem Übergang zum Schloss.

Das Hauptschiff wird von halbhohen Seitenschiffen und ovalen Kapellenräumen begleitet. Der ovale Grundriss des Turmes löst sich über dem Dach in Säulenstellungen auf und geht zuletzt in das Rund des barocken Turmhelmes über. Die wechselnden Turmansichten ergeben mit den Statuen besetzten Balustraden, die flach geneigte Dächer verblenden, ein dynamisches Wechselspiel von Vertikalen und Horizontalen, von Licht und Schatten.

Viele Kirchen aus früheren Jahrhunderten wurden seit dem Ende des 17. Jahrhunderts im barocken Stil umgebaut, so auch die Pfarrkirche St. Sebastian in Ramsau.

Barocke Profanarchitektur

Bürgerliche Wohnbauten suchen vor allem in Details und Dekor die Stadtpalais des Adels in Rom, Genua, Wien, Prag bescheidener nachzuahmen. In der Profanarchitektur aber ist das in anspruchsvoller Vieldeutigkeit ikonologisch konzipierte fürstliche Schloss (mit Park, Orangerie usw.) das führende Bauwerk. Es erhält betonte Portale, breite Treppen, einen zurückspringenden Mitteltrakt, weit ausgreifende seitliche Gebäudeflügel, die einen Ehrenhof (Cour d'honneur) oder eine Auffahrt umschließen. In deutschen Schlössern findet man aufwendige Treppenhäuser und reiche Innendekoration.

In Frankreich hatte LUDWIG XIV. (1638–1715) große Pläne und es gelang ihm sogar BERNINI nach Paris zu holen. Der Architekt sollte für den größten König bauen und lieferte seinen Entwurf im Wettbewerb zum Umbau des Pariser Königsschlosses – des Louvre. Seine geschwungen-dynamischen Entwürfe für die West-Fassade entsprachen jedoch nicht den königlichen Vorstellungen von Erhabenheit, strenger Klassik und majestätischer Größe.

Der Franzose CLAUDE PERRAULT (1613–1688) traf eher den Geschmack des Monarchen. Über einem hohen Sockel ist den beiden Obergeschossen eine weiträumige Kolossalordnung korinthischer Doppelsäulen als Kolonnade vorgelagert. In der Fassadenmitte formieren sie sich zu einer römisch anmutenden Tempelfassade, die das rundbogige Hauptportal einfasst. Hier ist die Antike wieder Norm, denn das französische Königtum sucht die Nähe der römischen Cäsaren und ihrer imperialen Architekturformen. Der königliche Klassizismus siegt über den päpstlichen Barock. LUDWIGs absolutistische Regierungsform und das zeremoniell-gesteuerte Reglement seines höfischen Lebens wurden vorbildlich für das feudale Europa.

LUDWIGs Minister FOUQUET hatte besonders Karriere machen können. Er war ein verschwenderischer Kunstmäzen mit außerordentlichem Gespür für Qualität. Er war es, der den Architekten LOUIS LE VAU (1612–1670) als erster beschäftigte, den überragenden Gartenkünstler ANDRÉ LE NÔTRE und den Maler LE BRUN (1619–1690) in seine Dienste nahm. Sein Landsitz, das Schloss Vaux-Le-Vicomte, wirkt wie der Palast einer verzauberten Insel – umgeben von einem breiten Wassergraben und gesäumt von einem Park voller exotischer Bäume und den aufwendigsten Gartenanlagen. 18 Millionen Louisdor hatte der Bau verschlungen. Am 17. August 1661 hatte FOUQUET zu Ehren des Königs zum Fest mit 6 000 Gästen geladen, MOLIERE schrieb eigens eine Ballettkomödie und ein grandioses Feuerwerk bildete den Höhepunkt. LUDWIG XIV. dürfte hier schlagartig klar geworden sein, wie königliches Bauen aussehen müsste. In einer Mischung aus Bewunderung und Neid schaltete er seinen Konkurrenten, der gleichzeitig sein Finanzminister war, aus, verurteilte den Minister zu lebenslänglicher Haft und konfiszierte dessen gesamten Besitz einschließlich des Künstlerstabes. Die Anlage von Vaux le Vicomte mit ihren gewaltigen Achsen und geometrisch abgezirkelten Quartieren wurde zum Vorbild für die Einheit von Schloss- und Gartenbauarchitektur im französischen Barock – und zum Vorbild des Schlosses Versailles sowie anderer europäischer Schlösser, wie etwa dem Schloss Nymphenburg in München.

CANALETTO: Ansicht von München, Schloß Nymphenburg, von Westen aus gesehen.Washington (D.C.), National Gallery of Art

CANALETTO: Ansicht von München, Schloß Nymphenburg, von Westen aus gesehen.Washington (D.C.), National Gallery of Art

Architektur Barock - Ansicht von München, Schloß Nymphenburg

Schloss Versailles 

Die Mitte der neuen Schlossanlage westlich von Paris sollte ein kleines Jagdschloss bilden, das LUDWIG XIV. von seinem Vater geerbt hatte. Seit 1668 in verschiedenen Bauetappen erweitert, wuchs das Schloss des „Sonnenkönigs“ zur größten absolutistischen Residenz des Abendlandes.

Zur Stadtseite hin, zum Marmorhof, hat LOUIS LE VAU den Charakter des Jagdschlosses LUDWIG XIII. (1601–1643) bewahrt. Später fügte JULES HARDOUIN-MANSART (1646–1708), der Architekt des Pariser Invalidendomes (1675–1706), die beiden Seitenflügel an und kam damit auf die immense Breitenausdehnung von 576 Metern. Die neue Residenz LUDWIGs XIV. wurde zum Mittelpunkt Europas und zum Vorbild seiner Fürsten. Das verwilderte Jagdgebiet des Vaters ließ der König zu einem Paradies des Überflusses gestalten. Wie Apoll über das Chaos siegt, so triumphiert hier der Herrscher über das Ungeordnete in der Natur.

Im Zeichen Apolls stehen Deckengemälde des Malers LE BRUN im Schloss, auch die Gartenskulpturen und Brunnenanlagen. Golden taucht das Gespann des Sonnengottes aus den Fluten empor. Wasserkaskaden lassen die Kraft und Dynamik des göttlichen Gespannes begreifen. Gleich einem Meer von Licht und Glanz nimmt in der großen Spiegelgalerie hier in tausendfachen Formen Gestalt an riesige Spiegelwände, spiegelnde Parkette, die Wasserflächen des Parks und seine Licht brechenden Fontänen, auch die Kristalllüster, die das Licht unzähliger Kerzen vermehren, sind Symbole des Sonnenkönigs, der sich als das Licht verstand, das die Mächte der Finsternis besiegt.

Auf den Rat COLBERTs (1619–1683) verlangte der König auch von seinen Höflingen einen bis da noch nie gekannten Luxus der Lebensführung, der etliche in den Ruin trieb.

Bis ins letzte Detail ließ der König seine Residenz zum sinnträchtigen Gleichnis kosmischer Ordnung gestalten. Überall begegnet uns das Zeichen des alten Herrschergleichnisses: die Sonne.

Den geometrischen Mittelpunkt der Gesamtanlage bildet das königliche Schlafzimmer. In allegorischer Parallele zum Auf- und Untergang der Sonne zelebrierte er das morgendliche Aufstehen und abendliche Zubettgehen als genau reglementierten Staatsakt – oder höfisches Staatstheater. Versailles blieb das unerreichte Vorbild einer barocken Herrscherresidenz, das strahlende Symbol absolutistischer Machtvollkommenheit des französischen Königtums.

Der König hat in erheblichem Maße auf die Gestaltung seiner Residenz Einfluss genommen. Gleichzeitig erhob COLBERT hohe Einfuhrschranken, so dass Manufakturen für Luxusgüter, die bislang preiswerter aus dem Ausland kamen, Hochkonjunktur hatten. Versailles avancierte zum Schaufenster des französischen und auch bald des europäischen Geschmacks und bestimmte Kleidungsstil, Möbeldesign, Tafelgerät sowie Sitten und Moral. LUDWIGs Kunstpolitik war gleichzeitig Wirtschaftspolitik, die das einheimische Handwerk förderte und Europa von französischen Luxusgütern abhängig machte.

Getreu dem Vorbild wurde es für europäische Schlösser üblich, dass die Baukörper sich hufeisenförmig um einen Innenhof gruppieren, dessen offene Seite zur Stadt weist. Zur Gartenseite hin dominiert der Mittelbau – oft als Risalit vor die Fassadenlinie gezogen. Erhöhte Eckpavillons bilden ebenfalls risalitartige Vorsprünge der Gartenfassade und verbinden den Querbau mit den Seitenflügeln.

Residenzen europäischer Herrschaftshäuser

Im Zeitalter des fürstlichen Absolutismus ließ sich fast jeder Landesherr eine neue Residenz errichten.

  • Für AUGUST DEN STARKEN (1670–1733) baute DANIEL PÖPPELMANN den Zwinger in Dresden als Residenz und Festschloss.
  • WILHELM VON KNOBELSDORFF (1699–1753) errichtete für FRIEDRICH DEN GROSSEN (1712–1786) Schloss Sanssouci.
  • Für Prinz EUGEN baute LUCAS HILDEBRANDT (1668–1745) das Belvedere in Wien.
  • Nach Entwürfen von JOHANN BERNHARD FISCHER VON ERLACH begann man 1695 in Wien mit dem Bau des Schlosses Schönbrunn, das jedoch erst Mitte des 18. Jh.s unter Kaiserin MARIA THERESIA (1717–1780) fertig gestellt werden konnte.

Im 18. Jh. bauten die Landesfürsten nicht nur ihre Residenzstädte aus, es entstanden auch neue Residenzen mit Stadtteilen oder ganzen Stadtanlagen, die den Konzepten der Schlossgrundrisse oder den geometrisch geordneten „Französischen Gärten“ durch Symmetrie, Radialität oder strahlenförmige Ausdehnung folgten.

Stadtanlage Karlsruhe

Ein markantes Beispiel einer vollendeten barocken Stadtanlagen stellt Karlsruhe dar, das 1715 durch GRAF KARL WILHELM VON BADEN-BURLACH gegründet wurde.

Stadtplan von Karlsruhe.Karlsruhe wurde 1715 durch Graf KARL WILHELM VON BADEN BURLACH gegründet. Legende: Rot = Schloss und dazu gehörige Gebäude, Braun = planmäßig angelegte Stadtbauten, Grün = Grünanlagen

Stadtplan von Karlsruhe.Karlsruhe wurde 1715 durch Graf KARL WILHELM VON BADEN BURLACH gegründet. Legende: Rot = Schloss und dazu gehörige Gebäude, Braun = planmäßig angelegte Stadtbauten, Grün = Grünanlagen

Barock Architektur - Stadtplan von Karlsruhe

Den Ausgangspunkt der Stadtanlage bildet das Residenzschloss. Die 32 Alleen und Hauptstraßen zwischen den Stadtkarrees verlaufen anfangs strahlenförmig vom Schlosspark aus und werden zunächst im Konvexschwung, dann immer gerader und zunehmend rechtwinklig von den Quermagistralen geschnitten. Auch in diesem Bezug von Schloss, Gartengestaltung und Stadtbild verdeutlicht sich der barocke Anspruch des Gesamtkunstwerkes. Diese Ordnung symbolisiert visuell den absolutistischen Herrschaftsanspruch.

Die geistlichen Fürsten standen den weltlichen nicht nach. Baufreudig war die Adelsfamilie von Schönborn, aus deren Reihe die Erzbischöfe von Mainz und die Fürstbischöfe von Würzburg und Bamberg hervorgingen. Die VON SCHÖNBORNs verpflichteten die bedeutendsten süddeutschen Architekten wie JOHANN DIENTZENHOFER.

Die Würzburger Residenz wurde zwischen 1719 und 1753 von BALTHASAR NEUMANN für den Fürstbischof FRANZ VON SCHÖNBORN erbaut. Besonders hebt sich auch bei diesem Schloss der Mittelbau auf der Gartenseite ab. In diesem Schlossbereich sind dessen Prunkräume untergebracht. Im Erdgeschoss liegt die Eingangshalle mit ovalem Grundriss. Das mittlere Gewölbe wird von einem ovalen Ring teils gedrehter Säulen getragen, die einen Umgang bildet. Die Decke ist mit Fresken satyrischer Szenen bemalt.

Von der Eingangshalle führen mehrarmige Treppen zu den Prunkräumen des Schlosses und den Privaträumen des Herrschers. Der Prunkraum eines erzbischöflichen oder fürstbischöflichen Schlosses ist der Kaisersaal, der für den Empfang des Kaisers eingerichtet war. In Würzburg hat dieser Saal die Form eines Achteckes in Anlehnung an die Aachener Pfalzkapelle KARLs DES GROSSEN. Vorgestellte Dreiviertelsäulen mit vergoldeten Kapitellen tragen eine gewaltige Kuppel, in die runde Fenster tiefe Stichkappen einfügen. Die Fresken in den Kuppelkappen schuf der bedeutende italienische Barockmaler TIEPOLO (1696–1770) 1751/52. In der Hofkirche mit ihrer ovalen Grundrissform und überaus reichen Ausstattung zeigt sich das gesamte Repertoire spätbarocker Pracht.

GIOVANNI BATTISTA TIEPOLO: Fresken im Kaisersaal des Würzburger Residenzschlosses, mit historischen Szenen aus der deutschen, mittelalterlichen Geschichte,Detail, 1750–1753.

GIOVANNI BATTISTA TIEPOLO: Fresken im Kaisersaal des Würzburger Residenzschlosses, mit historischen Szenen aus der deutschen, mittelalterlichen Geschichte,Detail, 1750–1753.

Architektur im Barock - Fresken im Kaisersaal des Würzburger Residenzschlosses

Frankreich hatte in Europa nur einen einzigen ernsthaften Konkurrenten, dessen Anspruch an Macht und Würde noch umfassender war: das Heilige Römische Reich Deutscher Nation. Wien war seine Hauptstadt – die Residenz der Habsburger Kaiser. Nachdem die Türkengefahr endgültig gebannt war, erwachte ein gestärktes Selbstwertgefühl. Kaiser sein bedeutete nichts anderes als der größte Herr auf Erden zu sein.

Dieser Anspruch verlangte nach einem neuen Ausdruck imperialer Kunst. FISCHER VON ERLACH entwarf in diesem Sinne eine Schlossanlage, die Versailles weit übertroffen hätte. Der spanische Erbfolgekrieg machte diesem Traum und damit auch dem Schlossprojekt ein Ende. 1713 wurde Wien von der Pest heimgesucht. Kaiser KARL VI. (1685–1740) gelobte seinem Namenspatron, dem Heiligen KARL BORROMÄUS, eine Kirche zu bauen, wenn die Stadt von der Seuche befreit würde.

FISCHER VON ERLACH entwarf über dem Grundriss eines römischen Kreuzes einen Zentralbau mit elliptischer Kuppel und römischem Portikus als Architekturkompendium von einzigartigem Beziehungsreichtum. Überragt wird der Bau von den beiden frei stehenden Säulen, die für die Säulen des Herkules stehen und zugleich die Kardinaltugenden des Heiligen verkörpern, der Wien von der Pest gerettet hat: Beständigkeit und Stärke.

Die Karlskirche ist nur ein Beispiel für die komplizierte Vernetzung symbolischer und allegorischer Bedeutungsschichten, die von den Zeitgenossen durchaus auch als eine Quelle geistigen Genusses begriffen wurden. Barocke Architektur als Einheit von Bauwerk und Bildwerk ist immer auch ein Gedankengebäude.

Auf einer Anhöhe vor Wien ließ sich Prinz EUGEN VON SAVOYEN (1663–1736) 1721–24 das Obere Belvedere bauen. Für dieses größte und prächtigste der Wiener Adelsschlösser engagierte Prinz EUGEN den Architekten LUCAS VON HILDEBRANDT. Das barocke Sommerschloss erinnert in der Atmosphäre an Versailles, erscheint aber verspielter und festlicher. Die Masse des lang gestreckten Gebäudes hat HILDEBRANDT geschickt in Pavillons aufgelöst, deren Dächer an die Zelte des türkischen Heerlagers erinnern sollen. Fast mit Leichtigkeit scheint der gestufte und gestaffelte Baukörper mit seinen Mansardendächern und Flankenkuppeln über sanft abfallenden Gartenterrassen und Wasserkaskaden zu schweben, die eine Verbindung zum Unteren Belvedere herstellen.

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