- Lexikon
- Mathematik Abitur
- 6 Differenzialrechnung
- 6.1 Grundbegriffe der Differenzialrechnung
- 6.1.3 Ableitungen höherer Ordnung
- Ableitungen höherer Ordnung
Die Menge derjenigen x-Werte aus der Definitionsmenge , für die f differenzierbar ist, nennt man Differenzierbarkeitsbereich (bzw. Differenzierbarkeitsmenge) der Funktion f. Es gilt:
Also, kann an jeder Stelle von die Ableitung gebildet werden, dann ist wieder eine Funktion von x.
Ist diese Funktion abermals differenzierbar, so nennt man ihre Ableitung die zweite Ableitung der Ausgangsfunktion f und man schreibt:
Entsprechend kann es auch eine dritte, vierte, ... Ableitung von f geben (interaktives Rechenbeispiel). Die n-te Ableitung von f schreibt man in folgender Form:
Existiert für eine Funktion f in einer Teilmenge von ihre n-te Ableitung , so heißt f dort n-mal differenzierbar.
Wozu sind höhere Ableitungen in der Praxis gut?
Nehmen wir z.B. an, Sie fahren mit Ihrem Wagen über die Autobahn. Dem Ort, an dem Sie sich gerade befinden, ordnen wir die Variable s zu. Diese Variable s ändert sich natürlich mit der Zeit, denn Sie bewegen sich ja. Zu jeder Zeit t befinden Sie sich genau an einem Ort . Die Zuordnung ist daher eine Funktion, die wir Ortsfunktion nennen.
Deren Gestalt können wir nicht in einfacher Weise angeben, weil Ihre Bewegung ja im Allgemeinen recht kompliziert ist (Anfahren, Beschleunigen, Bremsen, Überholen usw.) Trotzdem wissen wir, dass die Ableitung dieser komplizierten Ortsfunktion genau Ihre Momentangeschwindigkeit angibt, die natürlich ebenfalls in komplizierter Weise von der Zeit abhängt. Ihr Tachometer z.B. ist nichts anderes als ein – relativ ungenaues – mechanisches Differenziergerät! Es zeigt Ihnen Ihre Momentangeschwindigkeit an.
Für Ableitungen nach der Zeit verwenden Physiker und Mathematiker den Punkt als Abkürzung; es gilt also:
Welche Bedeutung hat nun die zweite Ableitung der Ortsfunktion?
Sie ist die Steigungsfunktion der Geschwindigkeit, gibt also die Änderung der Geschwindigkeit, d.h. die Beschleunigung an. Treten Sie aufs Gas, dann wird Ihre Geschwindigkeit größer, d.h., die Beschleunigung hat einen positiven Wert. Bremsen Sie dagegen scharf, dann sinkt Ihre Geschwindigkeit rasch ab, d.h., die Steigung der Geschwindigkeit wird stark negativ und Ihre Beschleunigung hat einen großen negativen Wert. Sie heißt dann meist Verzögerung.
Die folgende Abbildung gibt die Anfahrfunktion eines Kraftfahrzeuges einschließlich ihrer ersten beiden Ableitungen (Geschwindigkeit und Beschleunigung) wieder.
Der Technische Überwachungsverein (TÜV) legt großen Wert darauf, dass die Verzögerung eines Automobils einen gewissen Mindestwert aufweist. Deshalb überprüft er in regelmäßigen Abständen diese „Bremsverzögerung“, die von Zustand und Bauart der Bremsen abhängt. Das (positive) Beschleunigungsvermögen dagegen interessiert den TÜV (noch) nicht, den Autofahrer allerdings um so mehr: Je stärker ein Wagen beschleunigen kann, desto mehr Kraft hat er!
Unversehens sind wir so auf einen Zusammenhang gestoßen, der buchstäblich die Welt in den Angeln hält: Die Beschleunigung ist ein Maß für die wirkende Kraft.
Der englische Physiker ISAAC NEWTON (1643 bis 1727) hat diesen Zusammenhang als Erster in einer Formel erfasst, die man heute als das Grundgesetz der Mechanik bezeichnet und die den Grundstein für die sogenannte „klassische Physik“ legte:
(dabei bedeuten F die Kraft, m die Masse des Körpers und seine Beschleunigung)
Unsere so alltäglich gewordene Bewegung eines Automobils gehorcht diesem Gesetz ebenso wie ein fallender Stein oder die Bewegung der Erde um die Sonne. Man braucht kaum zu betonen, wie sehr dieser Zusammenhang von Kraft und Beschleunigung unsere Natur, unsere Technik und damit unser gesamtes Dasein bestimmt.
Übrigens war ISAAC NEWTON auch der Erste, der (um 1655) beim Nachdenken über Geschwindigkeitsprobleme die Gesetze des Differenzierens herausfand. Obwohl unsere heutige Form der Differenzialrechnung von GOTTFRIED WILHELM LEIBNIZ (1646 bis 1716) stammt, der sie unabhängig von NEWTON etwa zur gleichen Zeit (um 1675) entdeckte, erkannte NEWTON auf Anhieb deren elementare Bedeutung für die Gesetze der Mechanik.
Anmerkung: Alle oben genannten Regeln sind nicht umkehrbar!
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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