Kurt Weill

KURT WEILL kam am 2. März 1900 als Sohn von ALBERT und EMMA WEILL in Dessau zur Welt. ALBERT WEILL war Kantor und Religionslehrer an der Dessauer Synagoge. Bei ihm erlernte WEILL schon in frühen Kindesjahren das Klavierspiel, das er als 15-Jähriger beim Kapellmeister der Dessauer Oper ALBERT BING vertiefte.

Gegen Ende des Ersten Weltkriegs beendete WEILL das Gymnasium und begann in Berlin Musik zu studieren. Hier wurde er Zeuge der Novemberrevolution von 1918, im Folgejahr erlebte er die Ausrufung der Weimarer Republik. Während dieser Zeit bekam er an der Hochschule für Musik Unterricht in

  • Komposition,
  • Kontrapunkt und
  • Dirigieren.

Bereits wenig später musste er jedoch sein Studium aufgeben, da seine Familie durch die Entlassung des Vaters in Not geraten war. Um deren Lebensunterhalt zu sichern, nahm WEILL eine Stelle als Korrepetitor am Theater in Dessau an. Als der Vater wieder Arbeit hatte, ging WEILL noch im Jahr 1919 als Kapellmeister nach Lüdenscheid.

Lehrjahre

Es ist dem Musikkritiker OSKAR BIE zu verdanken, dass WEILL im darauf folgenden Jahr die Bekanntschaft des in Deutschland lebenden italienischen Komponisten FERRUCCIO BUSONI (1866–1924) machte – damals ein Idol junger Musiker. BUSONI nahm WEILL in seine Meisterklasse auf. Vor allem in musikästhetischen Fragen, war die Bedeutung BUSONIs für WEILL sehr groß. Genauso wie BUSONI strebte WEILL eine Überwindung der Romantik an.

  • Dem Werkgedanken sollte künftig die Auflösung des Gegensatzes zwischen absoluter und szenischer Musik zugunsten eines einheitlichen musikalischen Inhalts zugrunde liegen.
  • Klangliche Gestaltungsprinzipien sollten sich aus dem Wissen der Vergangenheit heraus zum Zwecke der Vereinfachung ganz neu gestalten.

Während der Lehrjahre bei BUSONI entstanden unter anderem

  • die Sinfonie Nr. 1 „Berliner Sinfonie“ (1921),
  • ein Divertimento für kleines Orchester, Streichquartett und Männerchor (1922), das direkten Bezug sowohl auf BACH (1685–1750) als auch auf BUSONI selbst nimmt und
  • ein neoklassizistisches Konzert für Violine und Blasorchester op. 12 (1924).

Die Berliner Jahre – Zusammenarbeit mit BRECHT

Während der Wirtschaftskrise nach dem Ersten Weltkrieg litt auch WEILL unter den schlechten Bedingungen, die die Zeit mit sich brachte. Wohl ein Grund, sich 1922 der avantgardistischen „Novembergruppe“, einer Vereinigung „radikal bildender Künstler“ anzuschließen. Er lernte Schriftsteller wie

  • IWAN GOLL (1891–1950) und
  • GEORG KAISER (1878–1945) kennen, dessen Stück „Der Protagonist“ (1926) von WEILL in Form eines Operneinakters vertont wurde.

In diesen Jahren traf WEILL auch auf die Schauspielerin und Sängerin LOTTE LENYA (1898–1981), die er 1926 heiratete.

Der Erfolg des „Protagonisten“ ebnete den Weg für weitere Produktionen. In dem Bestreben einen neuen Stil zu entwickeln, setzte WEILL

  • immer mehr Film- und Tonaufnahmen auf der Bühne ein und
  • fokussierte in seinen Kompositionen verstärkt populäre Tanzformen.

Beides kam in den Bühnenstücken der folgenden Jahre während der Kooperationen mit BERTOLT BRECHT (1898–1956) häufig zum Tragen.

WEILL lernte BRECHT im Frühjahr 1927 kennen. Er machte dem jungen BRECHT den Vorschlag, die Mahagonny-Gesänge aus dessen Gedichtband „Hauspostille“ zu vertonen. Aus diesen fünf Gesängen gelang es WEILL, eine Art Songspiel zu komponieren. Die Premiere auf dem Kammermusikfest in Baden-Baden war derart gelungen, dass die beiden beschlossen, das Singspiel zu einer abendfüllenden Oper umzuarbeiten.

Die Arbeit zum „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ (1927–1929) wurden jedoch durch die Arbeiten an der „Dreigroschenoper“ (1927) vorerst unterbrochen. Der Erfolg der „Dreigroschenoper“ wiederum vermochte, sowohl BRECHT als auch WEILL finanziell abzusichern. Als „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ im Jahr 1930 in Leipzig endlich seine Uraufführung erlebte, war der Kontakt zwischen BRECHT und WEILL bereits auf das Notwendigste geschrumpft. Künstlerische Dispute hatten das Verhältnis der beiden schon während der Arbeit zu

  • „Happy End“ (1929) und
  • der szenischen Kantate „Lindberghflug“ (1929), eine Produktion in Zusammenarbeit mit PAUL HINDEMITH (1895–1963),

abkühlen lassen. WEILL hat stets am Primat der Musik festgehalten, was den Bruch mit BRECHT beschleunigte.

Emigration

WEILLs letzte Jahre in Deutschland (1930–1933) standen sowohl unter privatem als auch politischem Schatten. WEILLs Ehe mit LENYA wurde durch zunehmende Entfremdung getrübt, so dass eine Scheidung vorerst unumgänglich zu sein schien. Zudem häuften sich die Verleumdungen WEILLs durch die Nationalsozialisten.

  • Bereits bei der Uraufführung der „Mahagonny-Oper“ in Leipzig hatten einerseits Anhänger der traditionellen Oper, andererseits aber auch Nazi-Störtrupps Tumulte ausgelöst.
  • Bei der Premiere seiner Oper „Der Silbersee“ 1933 war Deutschland bereits unter der völligen Kontrolle Hitlers.

Seine Freunde rieten WEILL, das Land zu verlassen. Diesen Rat setzte er schon einen Monat später um. Am 21. März 1933 ging WEILL nach Paris in die Emigration. Aus der Pariser Zeit stammt lediglich ein einziges Bühnenwerk „Die sieben Todsünden“ (1933), ein Ballett mit Gesang nach einer Vorlage von BRECHT. Bis zur Wiederbegegnung 1943 sollte dies die vorerst letzte Zusammenarbeit mit BRECHT sein.

1935, nach erneuten Treffen mit LENYA und einer Versöhnung, die zwei Jahre später zu einer zweiten Heirat führen sollte, wanderten WEILL und LENYA gemeinsam nach New York aus.

Am Broadway

Bereits in Frankreich hatte WEILL mit der Komposition eines monumentalen Historienstückes begonnen: „Der Weg der Verheißung“/„Eternal Road“ nach einem Text von FRANZ WERFEL (1890–1945). In den USA fehlten jedoch die Gelder, um das aufwendige Projekt zu finanzieren. Immerhin konnte WEILL mit dem Theaterprojekt „Group Theater“ das Antikriegsstück „Johnny Johnson“ (1936) uraufführen. Die dadurch gewonnene Popularität verhalf ihm letztlich auch zur Verwirklichung seines Großprojekts „Eternal Road“, das im darauffolgenden Jahr Premiere hatte und beste Kritiken erhielt. Mit der spezifisch jüdischen Thematik in „Eternal Road“ setzte WEILL auch einen letzten Schlussstrich unter seine deutsche Vergangenheit.

In den folgenden Jahren sicherte WEILL sein Einkommen vorrangig mit Filmmusik. So zeigte er sich unter anderem für die musikalische Untermalung im FRITZ LANG Film „You and Me“ (1938) verantwortlich.

Seine größten Erfolge am Broadway konnte er in den Jahren 1940–1945 verzeichnen. „Lady in the Dark“ (1940) war eines der beim Publikum beliebtesten Stücke.

Nach dem Kriegseintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg engagierte sich WEILL für „War Effort“ mit Liedern und Songs für die „Anti-Hitler-Propaganda“.

Nach Ende des Krieges festigte sich sein Ruf als Komponist und Theaterfachmann in der Dramatikervereinigung „Playwrights‘ Company“. In seinen letzten Lebensjahren komponierte er zunehmend ernstere Stücke, denen thematisch der Zweifel am amerikanischen Nachkriegsoptimismus innewohnte.

Während der Arbeit zu dem Musical „Huckleberry Finn“ erlitt WEILL einen Herzanfall, an dessen Folgen er am 3. April 1950 in einem New Yorker Krankenhaus verstarb.

Das musikalische Werk

WEILL

  • reagierte mit seinem musikalischen Werk auf aktuelle Tendenzen in Kultur und Gesellschaft und
  • nahm zugleich eine didaktisch-aufklärende Funktion wahr.

Dieses Ziel verfolgte er mit dem musikalischen Konzept der Einfachheit, die wiederum eine gestische Reflexion der Handlung auf der Bühne ermöglichen sollte. Stilzitate, die meist aus der Unterhaltungsmusik gegriffen waren, sollten

  • jegliche Assoziation mit der herkömmlichen Oper vermeiden und
  • Identifikationsmuster für das Publikum seiner Opern schaffen.

In seiner zweiten Schaffensperiode, die mit seinem Exil in die USA begonnen hat, komponierte WEILL vornehmlich Broadway-Musicals, die jedoch innerhalb der deutschen WEILL-Rezeption bislang nur wenig Beachtung gefunden haben.

Obwohl KURT WEILL vor allem in seinen frühen Jahren auch Instrumentalmusik komponierte, ist der Schüler BUSONIs als Opernreformer und Musicalkomponist bekannt geworden.

Werke

  • Streichquartette;
     
  • Vokalwerke, darunter:
    – Kleine Kantate „Das Berliner Requiem“ (1928/29),
    – Four Walt Whitman Songs (1942–1947);
     
  • Bühnen-Werke, darunter:
    – Der Protagonist (1924/1925),
    – Royal Palace (1925/1926),
    – Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny (1927/1929),
    – Die Dreigroschenoper (1928),
    – Happy End (1929),
    – Der Lindberghflug (1929),
    – Der Silbersee (1932),
    – Die sieben Todsünden (1933),
    – Der Weg der Verheißung/The Eternal Road (1934–1936).

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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