Opera buffa bei Mozart

Gattungsgeschichte

Die italienische Oper war im 18. Jh. die bedeutendste Institution im europäischen Musikleben (mit Ausnahme Frankreichs) und von den gegensätzlichen Gattungen der heiteren und ernsten Oper geprägt. Die Opéra buffa entstand aus

  • den Intermezzi der Opéra seria, die zwischen den Akten für Publikumserheiterung sorgen sollten,
  • sowie den Lokalkomödien Neapels

und avancierte schon bald zum beliebtesten Operntypus. Die erste Opera buffa schrieb der italienische Komponist GIOVANNI BATTISTA PERGOLESI (1710–1736) mit „La serva padrona“ (1734).

Die Sujets entstammten häufig den Stegreifkomödien der Commedia dell’arte mit ihren typisierten Figuren und alltäglichen Szenen um

  • Intrigen,
  • Eifersucht,
  • Geiz und
  • Ehebruch.

Erst durch die Libretto-Reform von CARLO GOLDONI (1707–1793) erhielten die Charaktere individuelle und ambivalent tragisch-komische Züge. Beim Publikum ebenso beliebt waren Persiflagen auf die Künstlichkeit und den Pathos der ernsten Oper. So sangen in der Opera buffa auch keine Kastraten und anstelle der als unnatürlich empfundenen Soloarien standen Ensembleszenen, in denen sich liedhafte Melodik mit der Handlung verband.

Hier war es auch möglich, die humanistische Idee der Gemeinschaft musikalisch zu realisieren: Während im Drama nur hintereinander gesprochen werden konnte, ermöglichte die Oper die gleichzeitige Äußerung mehrerer Personen. So erzeugten ganz unterschiedliche Charaktere ein harmonisches Ganzes. Typisch für die Opera buffa waren auch ein oder sogar zwei große Finali.

  • Hier traten alle Personen gemeinsam auf und
  • die dramatische Handlung steigerte sich zu einem Höhepunkt im gemeinsamen Gesang.
  • Musikalisch wurden diese Finali meist in traditionellen Formschemata wie dem Vaudeville oder als Ketten- oder Rondofinale organisiert.

Die Sprache der Opera buffa war alltäglich:

  • Oft wurden Dialekte und parodierende Fremdsprachenzitate verwendet;
  • außerdem gehörten ein plappernder Sprechgesang (Parlando) sowie
  • Geräusche wie Niesen, Stottern und Gähnen zum Klangrepertoire.

Wie auch die Opéra seria hat die komische Oper eine standardisierte Besetzung mit 7 (manchmal auch 6) Hauptcharakteren, meist 4 Männer und 3 Frauen.

Die komischen Opern WOLFGANG AMADEUS MOZARTs (1756–1791) können als Vollendung der Gattung gelten, die im Verlauf des 19. Jh. an Bedeutung verlor.

La finta semplice (1768)

La finta semplice“ („Die verstellte Einfalt“, Opera buffa in drei Akten) ist eines der ersten Jugendwerke MOZARTs für die Bühne, das er als 12-Jähriger schrieb, es wurde 1769 in Salzburg uraufgeführt, nachdem Intrigen die eigentlich für Wien geplante Aufführung verhinderten. Die Oper geriet in Vergessenheit und wurde erst im 20. Jh. wieder entdeckt. Das Libretto schrieb MARCO COLTELLINI (1719–1777), der seine Arbeit auf ein Werk von CARLO GOLDONI stützte. Der Text ist ein standardisierter Buffo-Stoff

  • mit festgelegten Rollentypen und
  • starrem Handlungsschema.

Die Handlung spielt in der Nähe des italienischen Cremona und erzählt die verwirrende Geschichte mehrerer Liebender sowie eines Frauenhassers. Nach zahlreichen Verwicklungen entwirrt sich das Chaos und die Oper endet mit einem Ensemblefinale, wie es für die folgenden komischen Opern MOZARTs typisch werden sollte. Musikalisch folgte der Komponist den Konventionen seiner Zeit und setzte noch keine eigenen Akzente.

La finta giardiniera (1775)

La finta giardiniera“ („Die Gärtnerin aus Liebe“, Dramma giocoso in 3 Akten) wurde 1775 in München während der Karnevalsaison mit Erfolg uraufgeführt, hatte jedoch zunächst nur zwei weitere Aufführungen. Den Auftrag für die Oper erhielt der 18-jährige MOZART vom Münchener Hofmusikintendanten Graf JOSEF ANTON VON SEEAU (1713–1799), der auch die Textvorlage aussuchte: Das Libretto stammte vermutlich aus der Feder von GIUSEPPE PETROSELLINI und war kurz zuvor bereits erfolgreich vertont worden.

Die Marchesa Violante Onesti lässt sich als Gärtnerin verkleidet und unter dem Namen Sandrina in den Dienst von Don Anchises stellen; sie ist auf der Suche nach ihrem Verlobten Belfiore, der sie in einem Eifersuchtsanfall mit dem Messer attackierte und nun für tot hält. Die Nichte von Don Anchise (Arminda) erzählt Sandrina von ihrer bevorstehenden Hochzeit ausgerechnet mit dem Grafen Belfiore, worauf diese zusammenbricht. Unterdessen trifft Arminda ihre alte Liebe Ramiro wieder und Belfiore und Sandrina fallen nach einer Aussprache in vorübergehenden Wahnsinn. Hinzu kommt Don Anchises, der ebenfalls ein Auge auf die vermeintliche Gärtnerin geworfen hat. Nach vielen Verwirrungen löst sich das Chaos am Ende auf und die Paare finden glücklich zueinander.

Die Charaktere des Textes entstammen nicht nur der Buffa-Tradition, sondern vermischen das ernste und heitere Genre, denn Arminda und Ramiro sind Seria-Rollen.

Das verworrene Libretto, in dem Verkleidungsspiele und Verwirrungen bis auf die Spitze getrieben werden, lieferte MOZART keine idealen Voraussetzungen für seine Musik. Er löste dieses Problem, indem er die Arien zu abgeschlossenen Minitaturdramen machte, die all die emotionalen Umschwünge sensibel nachvollziehen und verdeutlichen. Besonders der Figur der Sandrina verlieh MOZART so charakterliche Tiefe. Mit dem Wechsel von Rezitativ und Arie folgt die Oper formal der noch von der Opera seria beeinflussten Gattungstradition, wobei sich in den wenigen Ensembleszenen schon MOZARTs Virtuosität und dramatische Konzeption andeutet, die die nachfolgenden Werke auszeichnen wird.

Le nozze di Figaro (1786)

Le nozze di Figaro“ („Die Hochzeit des Figaro“, Commedia per musica in 4 Akten) hatte 1786 am Burgtheater in Wien Uraufführung. Das Libretto stammte von LORENZO DA PONTE (1749–1838), einem der berühmtesten Librettisten seiner Zeit, der mehrfach erfolgreich mit MOZART zusammenarbeitete und ihm mit dem „Figaro“ nach langer Suche endlich einen passenden italienischen Stoff bot. DA PONTE adaptierte eine Komödie von PIERRE AUGUSTIN CARON DE BEAUMARCHAIS (1732–1799, „La folle journée ou Le marriage de Figaro“), die in Paris aufgrund ihrer sozialkritischen Töne für einen Skandal gesorgt hatte und in Wien verboten wurde. Die Oper ist jedoch von diesen aufrührerischen Passagen weitestgehend bereinigt, wenn auch

  • im Mittelpunkt nach wie vor der aus der Commedia dell'arte bekannte Konflikt zwischen der Herrschaft und den Dienern steht
  • und das Verhalten des Adels heftige Kritik erfährt.
  • Außerdem werden Werte wie Treue und Moral auf die Probe gestellt, denn vor den immer wechselnden erotischen Verführungen ist niemand gefeit.

Die Handlung ist auf einem Schloss des Grafen Almaviva in der Nähe von Sevilla angesiedelt, wo der Kammerdiener Figaro die Zofe Susanna heiraten will. Da der Graf selbst jedoch auch Interesse an Susanna hat, versucht er die Hochzeit zu verhindern, indem er Figaro an ein altes Eheversprechen erinnert, das jener Marcellina gegeben hatte. Figaro reagiert darauf mit einer Anzahl listiger Intrigen, u.a. stellt er den Grafen bloß, als er ihm ein Stelldichein mit Susanna verspricht, an ihrer Stelle jedoch die verkleidete Gräfin wartet.

Eine letzte große Szene im nächtlichen Garten, in der die vier Hauptcharakter zunächst verkleidet ihre jeweils angestammten Partner hintergehen, um am Ende versöhnlich zusammen zu kommen, beendet die Oper. Diese Konstellation erinnert bereits an den Grundkonflikt in „Così fan tutte“, wie MOZART ihn einige Jahre später inszenieren sollte.

Im „Figaro“ ist die traditionelle Aufteilung in Rezitativ und Arie aufgegeben:

  • Die Handlung findet nicht mehr nur in den erzählenden Rezitativen statt, sondern in durchgehender Linie.
  • Der dramatische Ablauf wird so nicht mehr durch Arien unterbrochen, sondern schreitet in allen musikalischen Teilen voran.
  • Besondere Bedeutung kommt dabei den Finali am Ende des 2. und des 4. Aktes zu, in denen es MOZART gelingt, verschiedene Figuren gleichzeitig agieren zu lassen und doch zu einer einheitlichen Szene zusammenzufassen.

Erstmals in der in der Operngeschichte sind so Bühnenhandlung und musikalisches Geschehen beinahe identisch. Dies macht den „Figaro“ zu MOZARTs erster Opera buffa, die sein genuiner Stil prägt.

Don Giovanni (1787)

Don Giovanni“ (Dramma giocoso in 2 Akten) entstand ebenfalls in Zusammenarbeit mit dem Librettisten DA PONTE und wurde 1787 in Prag mit triumphalem Erfolg uraufgeführt. Den Auftrag für diese Oper erhielt MOZART, nachdem bereits „Die Hochzeit des Figaro“ das Prager Publikum begeistert hatte. Das Libretto orientiert sich am spanischen Don-Juan-Mythos, der seit dem 17. Jh. Grundlage für viele Theaterstücke und Opern war. Es ist die Figur des abgründigen Verführers Don Giovanni, der seinem eigenen Untergang wissend entgegen geht, die der Oper ihren unverwechselbaren Charakter gibt.

Der notorische Frauenheld Don Giovanni wird bei dem Versuch, Donna Anna zu verführen, von ihrem Vater überrascht und ersticht ihn. Seine Tochter schwört Rache und auch Donna Elvira, eine verflossene Geliebte Don Giovannis, sehnt sich danach, die Schmach des Verlassenwerdens zu tilgen. Unterdessen versucht Don Giovanni sein Glück bei der Bäuerin Zerlina, die kurz vor ihrer eigenen Hochzeit steht. An dieser Stelle erklingt das berühmte Duett „Reich mir die Hand, mein Leben“, das sowohl Don Giovannis Verführungskunst als auch die Naivität Zerlinas meisterhaft spiegelt. Der Diener Leporello führt fortlaufend Buch über die Eroberungen seines Herrn.

Im Verlauf der Oper kann Don Giovanni sich seinen Verfolgern immer wieder entziehen, doch als er im Übermut auf dem nächtlichen Friedhof die Statue des ermordeten Vaters zu einem Gastmahl einlädt, kommt es zum tragischen Ende: Da Don Giovanni sich weigert, Reue für seine Taten zu empfinden und Entsagung zu geloben, öffnet sich ihm die Hölle, in der er versinkt.

Dem Schriftsteller E. T. A. HOFFMANN (1776–1822) galt „Don Giovanni“ als die „Oper aller Opern“ und wirklich findet MOZARTs Talent, individuelle und nachvollziehbare Charaktere musikalisch zu gestalten, in diesem Werk seinen Höhepunkt. Es ist von einem glühenden Pathos durchzogen und die gewaltige Tiefe der dargestellten Emotionen erzeugt eine durchgehend düstere Dramatik, die weit über die Gattungstradition der Opera buffa hinausgeht. Ein noch stärkerer Akzent als im „Figaro“ liegt auf den Ensembleszenen, die Hauptcharaktere werden nicht mehr wie üblich in Soloarien vorgestellt, sondern entwickeln sich von Beginn an in Gruppenszenen.

Così fan tutte (1790)

Così fan tutte“ („So machen es alle“, Dramma giocoso in 2 Akten) ist das dritte und letzte Werk, bei dem MOZART mit DA PONTE zusammenarbeitete und die Uraufführung 1790 im Wiener Burgtheater war ebenfalls erfolgreich. Das Auftragswerk des Wiener Hofs wurde jedoch dann im Laufe des 19. Jh. aufgrund der vermeintlichen Frivolität des Stoffes zunehmend reserviert aufgenommen.

Dies führte zu mehrfachen Textbearbeitungen und sogar Neudichtungen, da man MOZARTs vermeintlich reine Musik für die Nachwelt retten wollte. Dass es jedoch gerade MOZARTs Musik ist, die die Figuren beständig in der Schwebe zwischen Schein und Wirklichkeit, Ironie und wahrem Gefühl hält, wurde erst zu Beginn des 20. Jh. wieder gesehen und die Oper in ihrer Originalfassung aufgeführt.

Anders als bei den vorangegangenen Opern schrieb DA PONTE das Libretto für „Così fan tutte“ ohne vorhandene Vorlage, wenn auch das zentrale Motiv des Werkes, die Treueprobe, schon in der griechischen Komödie auftaucht. Im Jahr der französischen Revolution geschrieben, ist die Oper von revolutionärem Geist geprägt: Die Schranken der Moral werden zugunsten erotischer Erkundungen aufgegeben.

Im Mittelpunkt der Handlung stehen zwei Liebespaare, die sich ihrer Treue absolut gewiss sind. Doch der alte Freund der beiden Männer, Don Alfonso, traut den Frauen prinzipiell nicht und animiert die beiden jungen Offiziere Guglielmo und Ferrando zu einem Experiment: Als Fremde verkleidet sollen sie versuchen, die Verlobte des jeweils anderen zu verführen. Die Offiziere nehmen die Wette in Vertrauen auf ihre Geliebten an, das auch lange Zeit gerechtfertigt zu sein scheint, denn die Damen Fiordiligi und Dorabella weisen die vermeintlich fremden Verehrer ab. Doch auch die Kammerzofe der beiden, Despina, misstraut der großen Liebe und schmiedet mit an dem Komplott. Nach langem Drängen und nachdem die falschen Verehrer sogar Selbstmord angedroht haben, geben die Frauen nach und müssen nach Beendigung der Maskerade ihren Fehltritt gestehen. Don Alfonso stellt zum Trost der gekränkten Liebhaber lakonisch fest, „così fan tutte“ – so machten es nun mal alle Frauen. Eine versöhnliche Doppelhochzeit wendet alles zum Guten, doch die bohrende Frage nach Treue und Vertrauen bleibt über dem Ende hängen.

Obwohl das Libretto voll falscher Scheinheiligkeit ist, lässt MOZART davon in der Musik nichts spüren:

  • Die Duette, in denen die „falschen“ Paare gemeinsam singen, sind voll aufrichtiger Liebe, die keinesfalls gespielt wirkt.
  • MOZART verurteilt seine Charaktere nicht für ihr Verhalten, sondern stellt sie in ihrer ganzen widersprüchlichen Menschlichkeit dar.
  • Es bleibt die Erkenntnis, dass in der Liebe und im Leben eben alles möglich ist.

Im Vergleich zu den anderen Opern gewinnt das Ensemble noch einmal an Bedeutung, sodass 12 Arien 15 Ensembles und zwei Finali gegenüberstehen. Man spricht deshalb auch von einer Ensembleoper, wie sie so nur MOZART komponieren konnte.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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