Denk- und Arbeitsweisen der Physik im Überblick

Was sind Denk- und Arbeitsweisen?

In der Physik und für denjenigen, der sich mit Physik beschäftigt, spielen neben allgemeinen Methoden und Techniken geistiger Arbeit auch die fachspezifischen Denk- und Arbeitsweisen eine wichtige Rolle.Denk- und Arbeitsweisen der Physik sind all jene für die Physik und die Tätigkeit des Physikers charakteristischen Herangehensweisen, die das Wesen dieser Naturwissenschaft ausmachen.

Dazu gehören das Definieren von physikalischen Größen und Einheiten einschließlich Festlegungen zu einem einheitlichen Einheitensystem, das Erkennen und Anwenden physikalischer Gesetze, das Lösen von Aufgaben und Problemen sowie solche charakteristischen Tätigkeiten wie das Beobachten, Beschreiben, Vergleichen, Messen, Experimentieren, Interpretieren, Erklären und Voraussagen.

Physikalische Begriffe und Größen als spezielle Begriffe sind erforderlich, um Sachverhalte fachsprachlich angemessen beschreiben und quantitativ charakterisieren zu können. Wenn man z. B. die Bewegung eines Körpers beschreiben will, so reicht es nicht aus anzugeben, ob er sich schnell oder langsam bewegt. Man muss auch seine Geschwindigkeit angeben können.

Das Erkennen physikalischer Gesetze in der Natur ist eines der wichtigsten Ziele physikalischer Forschung. Es ist ein äußerst komplexer und in der Regel langwieriger Prozess, der häufig von Irrtümern begleitet war und ist. Trotzdem lassen sich charakteristische Schritte nennen, die dabei gegangen werden.

Das Anwenden physikalischer Gesetze zum Lösen von Aufgaben, zum Erklären von Naturerscheinungen und zum Voraussagen von Ereignissen sowie zum Konstruieren technischer Geräte ist ebenfalls durch bestimmte Schritte charakterisiert, die durchlaufen werden müssen.

Vor allem im Zusammenhang mit den Erkennen und Anwenden physikalischer Gesetze, mit dem Festlegen von Begriffen, dem Arbeiten mit Größen und dem Lösen von Aufgaben und Problemen treten eine Reihe von Tätigkeiten auf, die immer wieder durchzuführen sind. Zu diesen für die Physik charakteristischen Tätigkeiten gehören das Beobachten, Beschreiben, Vergleichen, Klassifizieren, Messen, Experimentieren, Erklären, Voraussagen, Erläutern, Begründen und Interpretieren.
Eine weitere für die Physik charakteristische Arbeitsweise ist das Lösen von Aufgaben, wobei diese Aufgaben sehr unterschiedlichen Charakter haben können.

Systematisches Herangehen, Intuition und Zufall

In der wissenschaftlichen Forschung und sicher auch beim Lösen von Aufgaben oder Problemen im Physikunterricht ist systematisches, zielgerichtetes Herangehen immer zu empfehlen. Es muss aber auch betont werden, dass das nicht die einzige Form der Lösung von Problemen ist. Eine wichtige Rolle spielen - vor allem, wenn es um „Neuland“ geht - auch das Probieren, Zufälle und die Intuition.

Das wird besonders deutlich, wenn man sich ansieht, wie bedeutende Wissenschaftler zu ihren Entdeckungen gekommen sind. Leider gibt es nur wenige verlässliche Zeugnisse darüber, wie bedeutende Entdeckungen in der Physik zustande gekommen sind. Sicher gilt aber die Aussage des US-amerikanischen Erfinders THOMAS ALVA EDISON (1847-1931) auch für den Bereich der Physik:

Genie ist 99 % Transpiration und 1 % Inspiration.“

MAX PLANCK (1858-1947), der Begründer der Quantentheorie, beschrieb in einem Brief den Weg zur Quantentheorie so:

„Kurz zusammengefaßt kann ich die ganze Tat als einen Akt der Verzweiflung bezeichnen. Denn von Natur bin ich friedlich und bedenklichen Abenteuern abgeneigt. Aber ich hatte mich nun schon seit 6 Jahren (seit 1894) mit dem Problem des Gleichgewichtes zwischen Strahlung und Materie herumgeschlagen, ohne einen Erfolg zu erzielen; ich wußte, daß dies Problem von fundamentaler Bedeutung für die Physik ist, ich kannte die Formel, welche die Energieverteilung im normalen Spektrum wiedergibt; eine theoretische Deutung mußte daher um jeden Preis gefunden werden, und wäre er noch so hoch. Die klassische Physik reichte nicht aus, das war mir klar.“

Auch wie WILHELM CONRAD RÖNTGEN (1845-1923) zu seiner berühmten Entdeckung der X-Strahlen (Röntgenstrahlen kam, liegt weitgehend im Dunklen. Zwar gab er mehrfach den 8. November 1895 als dass entscheidende Datum an, aber über die Vorgeschichte der Entdeckung und die Entdeckung selbst hat er sich immer nur sehr vage geäußert. Ein halbes Jahr nach seiner Entdeckung erklärte er einem englischen Kollegen:

Ich suchte nach unsichtbaren Strahlen.“ Und auf die Frage, warum er einen Schirm mit Bariumplatinzyanür benutzte, antwortete er: „In Deutschland benutzten wir diesen Schirm, um die unsichtbaren Strahlen des Spektrums zu finden, und ich dachte, daß Bariumplatinzyanür eine geeignete Substanz wäre, um unsichtbare Strahlen zu entdecken, die von der Röhre ausgehen könnten.“

Ob es also bei RÖNTGEN „göttliche Neugier“ war, wie ALBERT EINSTEIN zu sagen pflegte, oder ob er der Ursache eines rätselhaften Effekts auf die Spur kommen wollte (lichtdicht verpackte Fotoplatten zeigten nach dem Entwickeln eine rätselhafte Schwärzung), konnte nie geklärt werden.

1912/13 wurden durch MAX VON LAUE, PAUL KNIPPING und WALTER FRIEDRICH die Röntgenstrahlinterferenzen an Kristallen entdeckt. Dafür erhielt LAUE 1914 den Nobelpreis für Physik. In seinem Nobelvortrag schilderte er, wie ihm im Februar 1912 der entscheidende Einfall kam:
Ein Doktorand von SOMMERFELD, PAUL EWALD, konsultierte MAX VON LAUE wegen eines Problems bei einer wellenoptischen Arbeit. LAUE konnte in vorliegenden Fall zwar auch nicht helfen, äußerte aber den Gedanken, dass man doch Kristalle einmal mit Röntgenstrahlen durchleuchten sollte. Entscheidend war dabei, dass LAUE Annahmen aus zwei verschiedenen Bereichen miteinander verband: die Wellentheorie der Röntgenstrahlen und die Raumgitter-Hypothese der Kristalle. LAUE selbst äußerte dazu:

„Die ihr zugrunde liegende Idee schien mir, nachdem ich sie einmal gefaßt hatte, so selbstverständlich, daß ich das Erstaunen, das sie in der Fachwelt hervorrief, nie verstanden habe, ebensowenig die Zweifel, denen sie ein paar Jahre noch begegnete.“

M. PLANCK meinte später dazu, dass die schöpferische Idee von LAUE kein Zufall war, sondern „das notwendige Ergebnis einer folgerichtigen Ideenverbindung“.

Und MAX BORN sagte in einer Gedenkansprache über die Entdeckung von LAUE:

„Wie viel Physiker mögen schon Röntgenstrahlen durch einen Kristall geschickt haben, ohne die Beugungstrahlen zu bemerken. Es gehörte dazu die Fähigkeit, die Strahlen, ehe sie auf der Platte erschienen, im Geiste zu sehen. Und das war eben Laues Leistung.“

Zusammenfassend kann man sicher sagen: Systematische und zielstrebige Arbeit in Verbindung mit Intuition und Zufall können in der Physik zu bemerkenswerten Erfolgen führen.

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