Beziehungen der EU zu Staaten, Regionen, Organisationen

Einleitung

Der EU ist es – anders als der EG – selbst nicht möglich, z. B. internationalen Organisationen beizutreten. Für die Europäische Union sind die rechtlich unterschiedlich organisierten und aufeinander abgestimmten Formen der Kooperation der Mitgliedstaaten untereinander (intergouvernementale Zusammenarbeit) in den Bereichen

  • Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik,
  • polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen

(2. und 3. Säule der EU) charakteristisch. Bisher fehlt es ihr noch an Völkerrechtssubjektivität, d. h. sie kann nicht selber Träger von Rechten und Pflichten sein. Die supranational geprägten Europäischen Gemeinschaften hingegen besitzen

  • Rechtspersönlichkeit und somit
  • Völkerrechtssubjektivität

(Art. 281 EG, 184 EAG). Dies wird allgemein anerkannt und versetzt die Europäischen Gemeinschaften in die Lage, mit internationalen Organisationen zusammenzuarbeiten, in ihnen mitzuwirken oder ihnen beizutreten.

Die Außenbeziehungen der EU sind insbesondere von Fragen der

  • Handelspolitik,
  • Entwicklungshilfe und
  • Menschenrechte

geprägt. Ein sehr wichtiger Bereich der auswärtigen Beziehungen der EU sind die Außenhandelsbeziehungen, die sie mit Drittstaaten und internationalen Organisationen unterhält. In diesem Bereich haben die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft bereits 1958 im EWG-Vertrag umfassende Kompetenzen verliehen. Als weltweit größter Handelspartner hat die EU die Möglichkeit, auf der Grundlage von Handelsbeziehungen auch Einfluss auf politische Belange der Handelspartner, z. B. die Menschenrechtssituation, zu nehmen. Grundlegender Bestandteil der Außenbeziehungen der EU ist die Assoziierungs- und Kooperationspolitik. Hiermit können bevorzugte Wirtschaftsbeziehungen mit Drittstaaten hergestellt, sowie politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Transformationsprozesse unterstützt werden. Sie dient sowohl der Vorbereitung für eine EU-Mitgliedschaft, als auch Kompensation für eine Nicht-Mitgliedschaft. Die EU unterhielt so z. B. seit 1964 ein Assoziierungsabkommen mit der Türkei, dem 1996 die Zollunion folgte und 1999 der Status eines Beitrittskandidaten.

Beziehungen zu internationalen Organisationen

Die EU pflegt viele Beziehungen zu internationalen Organisationen, wie z. B. der

  • EFTA,
  • G8,
  • WTO,
  • Europarat und
  • den Vereinten Nationen.

Internationale Organisationen werden durch völkerrechtliche Verträge gegründet und unterstehen unmittelbar der Völkerrechtsordnung. Sie haben internationale Rechtspersönlichkeit, um die ihnen übertragenen Aufgaben auszuüben und sind insoweit Völkerrechtssubjekte. Internationale Organisationen dienen einem bestimmten Zweck und verfügen über ein ständiges Sekretariat oder eine institutionelle Struktur. Ihre Mitgliedschaft setzt sich regelmäßig aus Staaten zusammen. Sie können aber auch von anderen Organisationen gegründet werden, wenn diese Völkerrechtssubjekte sind.

Die European Free Trade Association (EFTA) ist ein Zusammenschluss europäischer Staaten, die nicht in der EU sind. Die EFTA setzt sich heute nur noch aus

  • Island,
  • Liechtenstein,
  • Schweiz und
  • Norwegen

zusammen. Die langjährigen Mitglieder

  • Schweden,
  • Finnland und
  • Österreich

verließen die EFTA mit ihrem EU-Beitritt 1995. Die EFTA wurde 1960 als Gegengewicht zur EWG gegründet. Hauptaufgabe der EFTA ist die Schaffung so genannter Freihandelsgebiete (freier Verkehr von Personen, Dienstleistungen, Gütern und Kapital) für die Industrieprodukte ihrer Mitglieder. Sie hat verschiedene Freihandelsverträge mit Staaten im östlichen Mitteleuropa und in Nahost geschlossen, aber ihre Zusammenarbeit mit der EU ist die intensivste. EFTA und EWG entwickelten im Laufe der Jahre enge wirtschaftliche Beziehungen zueinander und gründeten 1994 gemeinsam den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Auf diese Weise können die EFTA-Staaten weitgehend am EU-Binnenmarkt teilnehmen. Ausgenommen davon sind allerdings die Landwirtschaft und die Fischerei. Die Schweiz ist als einziges EFTA-Mitglied nicht am EWR-Abkommen beteiligt. Stattdessen hat sie ihre wirtschaftlichen Beziehungen zur EU in bilateralen Verträgen geregelt.

Die Gruppe der Acht (G8) ist ein informelles Forum zur politischen Abstimmung der führenden Industrienationen. Ihr gehören

  • Deutschland,
  • Frankreich,
  • Großbritannien,
  • Italien,
  • Japan,
  • Kanada,
  • die Vereinigten Staaten von Amerika und
  • Russland

an. Die jährlichen Wirtschaftsgipfel und Zusammenkünfte der Fachminister dienen dem persönlichen Meinungsaustausch, um insbesondere die Wirtschaftspolitiken der wichtigsten Volkswirtschaften auf internationaler Ebene zu koordinieren. Seit dem ersten Gipfel 1975 haben sich die globalen Fragestellungen, mit denen die G8 befasst sind, vervielfacht. Von den anfangs dominierenden Fragen der währungspolitischen Zusammenarbeit hat sich das Gewicht über Umwelt-, Sicherheits- und außenpolitische Fragen auf die wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen der Globalisierung verlagert. Die EU nimmt, vertreten durch die Kommission, an den G8-Treffen teil. Sie hat zwar kein offizielles Mandat, versucht aber, die Standpunkte aller EU-Mitgliedstaaten bei den Treffen zu vermitteln.

Sehr wichtig sind die Beziehungen der Gemeinschaften zur WTO bzw. GATT. Das GATT (General Agreement on Tariffs and Trade) bildet den Grundstein einer liberalen Welthandelsordnung. Grundprinzipien sind

  • das Verbot von Diskriminierung von Waren aus anderen Mitgliedstaaten gegenüber inländischen Produkten,
     
  • das Prinzip der Meistbegünstigung, nach dem jede Vertragspartei verpflichtet ist, die gegenüber einem anderen Vertragsstaat gewährten Handelsvergünstigungen auch allen anderen Mitgliedern einzuräumen,
     
  • der fortschreitende Abbau von Zöllen und die Beseitigung zollfremder Handelshemmnisse.

Zollunionen wie die EG werden privilegiert. Die EG trat dem GATT zunächst nicht bei, fühlte sich aber an das GATT gebunden, da alle Mitgliedstaaten Vertragsparteien des GATT sind. Nach jahrelangen Verhandlungen wurde das GATT-System nach Abschluss der Uruguayrunde 1994 grundlegend reformiert. Die Grundprinzipien wurden auch in das neue GATT übernommen. Einer der Kernpunkte des Abkommens ist die Gründung der WTO (Welthandelsorganisation). Das GATT erfuhr durch die klare Organisationsstruktur der WTO eine institutionelle Stärkung. Die WTO ist nicht nur ein wichtiges Forum für Verhandlungen zwischen den Mitgliedstaaten, sondern verfügt über Verfahren der Streitbeilegung. Dem GATT 1994 und der WTO ist neben den EU-Mitgliedstaaten auch die Europäische Gemeinschaft förmlich beigetreten.

Sehr enge Beziehungen hat die EU zum Europarat, einer zwischenstaatlichen Organisation, die wegen ihres Namens leicht mit Institutionen der EU verwechselt wird. Der Europarat

  • umfasst 47 Länder und
  • verfügt über ein Ministerkomitee,
  • eine Parlamentarische Versammlung,
  • einen Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarates und
  • ein Generalsekretariat.

Ziele des Europarats, der 1949 gegründet worden ist, sind:

  • Politischer Konsens über Fragen der Demokratie,
  • Grundfreiheiten und Menschenrechte,
  • Förderung gemeinsamer Grundsätze und Ideale sowie
  • Herstellung engerer Verbindung zwischen den Mitgliedstaaten.

Wichtigste Abkommen sind die Europäische Sozialcharta und die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). Alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben die EMRK ratifiziert. Der Europäische Gerichtshof zieht die EMRK als Rechtserkenntnisquelle heran, um autonom die Gemeinschaftsgrundrechte zu entwickeln. Kein Staat ist bisher der Europäischen Union beigetreten, ohne zuvor Mitglied des Europarates zu sein. Seit November 1990 sind dem Europarat 23 Länder Mittel- und Osteuropas beigetreten.

Die Vereinten Nationen (UN) entstanden am 24. Oktober 1945 mit dem Inkrafttreten ihrer Charta. Heute zählen fast alle unabhängigen Staaten der Welt zu ihren Mitgliedern. Zu den Aufgaben der Vereinten Nationen gehören

  • der Erhalt des Weltfriedens,
  • die Entwicklung freundschaftlicher Beziehungen zwischen den Nationen,
  • die Zusammenarbeit bei der Lösung internationaler Probleme in den Bereichen Wirtschaft, Kultur, Menschenrechte, Handel und humanitäre Hilfe sowie
  • die Förderung der Menschenrechte und Grundfreiheiten unter Ausschaltung jeglicher Diskriminierung.

Alle Mitgliedstaaten der EU sind auch Mitglieder der UN. Sie leisten den größten finanziellen Beitrag zum UN-System. Sie koordinieren ihre Maßnahmen gemeinsam mit der europäischen Kommission im Rahmen der Vereinten Nationen, um ihrer gemeinsamen Haltung in der Welt mehr Gewicht zu verleihen. Die EU-Institutionen sind bei den Vereinten Nationen vertreten. Die Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen gehört zu den Prioritäten der EU und hat sich im Laufe der Zeit intensiviert. So trat die EU mit der Polizeimission der Europäischen Union (EUPM) die Nachfolge der von den Vereinten Nationen geführten Polizeimission in Bosnien und Herzegowina an.

Beziehungen zu Staaten

Die EU pflegt weiterhin Beziehungen zu Staaten, wie

  • den USA und
  • Russland.

Die USA sind der wichtigste Handelspartner der EU. Grundlage der Partnerschaft ist die Transatlantische Erklärung von 1990, die jährlich zwei bilaterale Treffen vorsieht. Mit der Neuen Transatlantischen Agenda von 1995 und der Transatlantischen Wirtschaftspartnerschaft von 1998 wurde das Netz von Konsultations- und Kooperationsmechanismen zwischen den USA und der EU verdichtet. Beide kooperieren in einer Vielzahl von wirtschaftlichen und politischen Bereichen.

Auch Russland ist ein wichtiger Handelspartner der EU; zugleich ist die EU der wichtigste Handelspartner für Russland. Die EU unterstützt den Beitritt Russlands zur EU, kritisiert Russland aber auch für seine Tschetschenien- und Medienpolitik. Die gemeinsamen Beziehungen waren im Rahmen der Osterweiterung der EU in Mitleidenschaft gezogen worden. Problempunkte waren

  • von Russland befürchtete Handelsnachteile und
  • die schwierige Rolle Kaliningrads, das mit der Erweiterung ganz von EU-Staaten umringt wird.
  • Daneben sorgte sich Russland um die Rechte der russischen Minderheit im Baltikum.

Kurz vor der Osterweiterung am 1. Mai 2004 haben sich Russland und die EU beim ersten Treffen des EU-Russland-Partnerschaftsrats aber doch noch auf ihre künftigen Beziehungen einigen können.

Beziehungen zu Regionen

Letztlich unterhält die EU auch Beziehungen zu Regionen. So zielt die EU darauf, ihren politischen und wirtschaftlichen Stellenwert in Asien zu stärken. Ein wichtiger Faktor dabei ist ASEM (Asia-Europe Meeting). ASEM dient dazu, die Mitgliedstaaten der EU in einen Dialog und Kooperation mit 16 asiatischen Staaten und dem ASEAN-Sekretariat zu bringen:

  • Burma/Myanmar (seit 2004),
  • Brunei,
  • China,
  • Indien (seit 2006),
  • Indonesien,
  • Japan,
  • Kambodscha (seit 2004),
  • Laos (seit 2004),
  • Südkorea,
  • Malaysia,
  • Mongolei (seit 2006),
  • Pakistan (seit 2006),
  • Philippinen,
  • Singapur,
  • Thailand,
  • Vietnam.

Im ASEM-Dialog werden politische, wirtschaftliche und kulturelle Themen besprochen. Daneben pflegt die EU Beziehungen zur ASEAN. Mitglieder dieser Organisation asiatischer Nationen (Association of Southeast Asian Nations) sind:

  • Indonesien,
  • Malaysia,
  • Philippinen,
  • Singapur,
  • Thailand,
  • Brunei,
  • Vietnam,
  • Laos,
  • Burma/Myanmar und
  • Kambodscha.

Ziele von ASEAN sind:

  • die Förderung von wirtschaftlichem Wachstum,
  • sozialem und
  • kulturellem Fortschritt,
  • Frieden und
  • Stabilität in der Region.

Mit über 500 Millionen Einwohnern ist die ASEAN Region einer der größten regionalen Märkte der Welt und ein wichtiger Handelspartner für die EU. Daneben macht das Ziel der Stabilisierung und Friedenssicherung ASEAN auch zu einem wichtigen politischen Partner. Die EU hat daher 1980 eine Kooperationsvereinbarung mit den ASEAN-Mitgliedern Brunei, Indonesien, Malaysia, Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam geschlossen. Vereinbarungen mit Laos und Kambodscha befinden sich im Ratifikationsprozess, während eine Kooperation mit Burma/Myanmar von der EU abgelehnt wird, solange die Menschenrechtssituation in diesem Land keine wesentlichen Fortschritte macht.

Besondere Beziehungen pflegt die EU mit den AKP-Staaten (ehemalige Kolonien heutiger EU-Staaten in Afrika, der Karibik und dem Pazifik). 1975 schloss die EU mit ihnen das nach der Hauptstadt Togos benannte Lomé-Abkommen als Grundlage der Zusammenarbeit. Dieses wurde im Jahr 2000 durch ein neues, in Cotonou/Benin unterzeichnetes, Partnerschaftsabkommen ersetzt, das 2003 in Kraft trat und eine Vertragsdauer von 20 Jahren erhielt. Dem Abkommen haben sich 77 Entwicklungsländer angeschlossen. Ziel sind

  • Armutsbekämpfung,
  • politischer Dialog,
  • Einhaltung der Menschenrechte,
  • bevorzugte Handelsregelungen, die Vorbereitung von Freihandelszonen sowie
  • Rückführung von Personen, die sich illegal in der EU aufhalten.

Auf dem EU-Afrika Gipfel 2007 in Lissabon lehnten die afrikanischen Staaten das von der EU vorgeschlagene Wirtschaftsabkommen (EPA) ab. Die EU bot daraufhin den afrikanischen Staaten an, die Verhandlungen über die von der World Trade Organisation (WTO) gesetzte Frist hinaus zu verlängern. Bis dahin sollen Interimsregelungen vereinbart werden. Bereits 2000 hatte die WTO die derzeitigen Handelsregelungen für illegal erklärt und entschieden, dass das Handelssystem nur bis Ende 2007 fortgesetzt werden darf.

Die EU unterhält seit 1995 eine Europa-Mittelmeer-Partnerschaft (so genannter Barcelona-Prozess), die zwölf Partner aus dem südlichen und östlichen Mittelmeerraum umfasst:

  • Marokko,
  • Algerien,
  • Tunesien,
  • Ägypten,
  • Israel,
  • Palästinensische Autonomiegebiete,
  • Jordanien,
  • Libanon,
  • Syrien,
  • Türkei.

Darauf aufbauend nahm im Jahre 2010 die Union für das Mittelmeer, umgangssprachlich auch Mittelmeerunion, ihre Arbeit auf. Sie ist eine Gemeinschaft zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, den Mittelmeeranrainerstaaten sowie den an diese angrenzenden Staaten Mauretanien und Jordanien, die am 13. Juli 2008 in Paris gegründet wurde.
Schwerpunkt ist u. a. die Vorbereitungen einer Euro-Mediterranen Freihandelszone. Daneben spielt die Sicherheitspolitik eine tragende Rolle. Durch regelmäßigen politischen Dialog soll die Errichtung eines Friedens-, Stabilitäts- und Sicherheitsraums erreicht werden.

Seit 2004 wird die Euromediterrane Partnerschaft durch die Instrumente der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP) ergänzt. Ziel der ENP ist es, einen Ring „stabiler, befreundeter Staaten“ um die EU herum zu schaffen.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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