Annette von Droste-Hülshoff

Die Dichterin ANNETTE VON DROSTE-HÜLSHOFF wuchs im Münsterland auf, das sie selbst einmal als „seltsam schlummerndes Land“  mit einer „lauen, träumerischen Atmosphäre“ bezeichnete. In einem Schloss geboren, brach sie früh aus den Zwängen einer aristokratischen Erziehung aus und streifte allein durch die Umgebung. So wurde sie eine Einzelgängerin mit ungewöhnlicher Sprachkraft und Sensibilität. Für ihre Dichtungen bekam sie viele Anregungen aus der Heidelandschaft.

Den Münsterländer beschrieb sie folgendermaßen:

„Gutmütigkeit, Furchtsamkeit, tiefes Rechtsgefühl, und eine stille Ordnung und Wirtlichkeit, die, trotz seiner geringen Anlage zu Spekulationen und glücklichen Gedanken, ihm doch einen Wohlstand zu Wege gebracht haben, der selbst den seines gewerbetreibenden Nachbars, des Sauerländers, weit übertrifft.“
(Annette von Droste-Hülshoff: Gedichte und Prosa, S. 243)

RICARDA HUCH sagte über ANNETTE VON DROSTE-HÜLSHOFF:

„Die Dichtung der Annette ist in Wahrheit eine Verdichtung: Aus tausend Blumenblättern ist ein Tropfen Wohlgeruch gepreßt.“

Lebensgeschichte

ANNA ELISABETH (ANNETTE) FREIIN VON DROSTE ZU HÜLSHOFF wurde am 12. Januar 1797 auf Schloss Hülshoff (Fürstbistum Münster) als Tochter des CLEMENS AUGUST FREIHERR DROSTE ZU HÜLSHOFF und dessen Frau THERESE, geb. FREIIN VON HAXTHAUSEN, geboren. Sie stammte somit aus altem, westfälischem Adel. Sie wurde streng katholisch und sehr konservativ erzogen.

Die DROSTE-HÜLSHOFFS zählten zu den Familien mit in Münster angesessenen Höfen, sie besaßen ein Stadthaus, das sie nach den einsamen Wintern in ländlicher Zurückgezogenheit den Sommer über bewohnten. So besuchte die älter werdende ANNETTE im Sommer die Bälle der angesehenen Häuser und verbrachte ihre Jugendzeit mit Besuchen bei Professor KATERKAMP, Familie VON LANDSBERG, SOPHIE VON FÜRSTENBERG und bei CHRISTOPH BERNHARD SCHLÜTER, einem blinden Philosophiedozenten ohne Anstellung. Vor allem war sie eine rege Benutzerin der Leihbibliotheken. So musste der Lesestoff gegen die Langeweile im Hülshoffer Winter besorgt werden, was nicht immer zur Zufriedenheit ausfiel, weil in Münster so wenig Neues angeschafft wurde und die DROSTE-HÜLSHOFFS oft das Beste schon gelesen hatten.

„Die Zerstreuungen eines sehr geselligen Landlebens“, schrieb ihre Freundin ELISE RÜDIGER, ließen ANNETTE VON DROSTE-HÜLSHOFF „wenig Zeit zu Beschäftigungen mit der Feder“.
Unterrichtet wurde die DROSTE-HÜLSHOFF mit ihren Geschwistern zunächst von ihrer Mutter, später von Hauslehrern in den Fächern neue Sprachen, Literatur, Mathematik und Naturkunde. Damit erhielt sie eine Bildung, die weit über das hinausging, was für adlige Mädchen zur damaligen Zeit üblich war. Aber auf Burg Hülshoff wurde kein Unterschied zwischen Jungen und Mädchen gemacht.

Im Winter 1809 trat ANNETTE VON DROSTE-HÜLSHOFF in einer Theateraufführung in Hohennolte auf. Ihre überragenden schauspielerischen Leistungen waren Stadtgespräch in Münster.

Schon im Jahre 1804 unternahm sie erste lyrische Versuche. Als Siebenjährige versteckte sie ihr erstes Gedicht, das sie für ihren jüngeren Bruder FERDINAND, genannt „Hähnchen“ geschrieben hatte, im Gärtnersturm hinter einem Dachbalken.

„Komm, liebes Hähnchen, komm heran
Und friß aus meinen Händen:
Nun komm, du lieber kleiner Mann,
Daß sie's dir nicht entwenden.“

(Annette von Droste-Hülshoff: Des Grauens Süsse: Ein Lesebuch. München: Hanser Verlag, S. 12)

Großen Einfluss auf ihre literarischen Fähigkeiten hatte der dem Göttinger Hainbund nahestehende Professor ANTON MATTHIAS SPRICKMANN in den Jahren 1812 bis 1819.
Als sie 16 Jahre alt war, im Jahre 1813, traf sie auf WILHELM GRIMM, der sie anregte, an der Sammlung von Märchen und Volksliedern mitzuwirken, die er gemeinsam mit seinem Bruder JACOB zusammenstellte.

Als 1826 ihr Vater starb, zog ANNETTE VON DROSTE-HÜLSHOFF mit ihrer Mutter und ihrer Schwester in das vom Vater für seine Frau gekaufte Haus Rüschhaus bei Münster zurück. Ihr Bruder WERNER-KONSTANTIN übernahm das Erbe, die Burg Hülshoff. Ihr jüngerer Bruder FERDINAND starb im Alter von 29 Jahren an Tuberkulose.

1830 zog ihre Amme ebenfalls in das Rüschhaus. Für den Sohn ihrer Freundin KATHARINA SCHÜCKING, die in jungen Jahren starb, übernahm DROSTE-HÜLSHOFF die Mutterrolle. Zahlreiche Briefe, die sie mit LEVIN SCHÜCKING (siehe PDF "Briefe von Annette von Droste-Hülshoffund Levin Schücking") wechselte, zeugen von der innigen Beziehung der beiden zueinander.

Auch unterrichtete die DROSTE ihre Cousinen in Haus Stapel; allerdings war es keine beglückende Aufgabe. So äußerte sie über ihre Verwandten:

„In Stapel geht noch immer so zwischen Hängen und Fallen, gott weiß was das Ende seyn wird! Die Mädchen werden alle Tage häßlicher und widerlicher.“

1838 endlich erschien die erste Veröffentlichung, allerdings halbanonym, da die Familie der Ansicht war, dass dieser „Spleen“ ihrer Tochter dem Ansehen der Familie in der Öffentlichkeit schaden würde. Von den 400 gedruckten Exemplaren der „Gedichte von Annette Elisabeth von D... H...“ wurden nur 74 verkauft.

Den Durchbruch erreichte ANNETTE VON DROSTE-HÜLSHOFF mit ihrem einzigen vollendeten Prosawerk, der Novelle „Die Judenbuche", die in den Jahren 1837 bis 1841 entstand. Diese Novelle wurde in alle Weltsprachen übersetzt und bis heute in sechs Millionen Exemplaren verkauft.
Den historischen Hintergrund lieferte ein Ereignis, das sich bei einem ihrer Besuche bei ihrem Großvater in dessen Gutsbezirk (heutiger Landkreis Höxter) zutrug. Dieses Ereignis kannte ANNETTE von Erzählungen der Einheimischen. Der „Schutzjude Pinnes“ hatte den „Knecht Hermann Winkelhannes“ mit Erfolg verklagt, ihm für geliefertes Tuch den vollen Preis zu bezahlen. Winkelhannes hatte daraufhin den Juden erschlagen. Die Judenbuche erzählt nicht dieselbe Geschichte, sondern entwirft auf dem gleichen Hintergrund ein „Sittengemälde“.

In den Vierzigerjahren des 19. Jahrhunderts entstanden weitere Werke, mit unterschiedlichem Erfolg. Zu den bedeutendsten Gedichten zählt das während des Meersburger Aufenthalts entstandene „Mondesaufgang" (1844). Die einleitende Naturidylle trübt sich bei einbrechender Dunkelheit noch ein, am Schluss überstrahlt der aufgehende Mond die dunkle Szene und befreit den Einzelnen vom Druck seiner seelischen Not.

Mondesaufgang
„Da auf die Wellen sank ein Silberflor,
Und langsam stiegst du, frommes Licht, empor;
Der Alpen finstre Stirnen strichst du leise,
Und aus den Richtern wurden sanfte Greise;
Der Wellen Zucken ward ein lächelnd Winken,
An jedem Zweige sah ich Tropfen blinken,
Und jeder Tropfen schien ein Kämmerlein,
Drin flimmerte der Heimat Lampe Schein.

O Mond, du bist mir wie ein später Freund,
Der seine Jugend dem Verarmten eint,
Um seine sterblichen Erinnerungen
Des Lebens zarten Widerschein geschlungen,
Bist keine Sonne, die entzückt und blendet,
In Feuerströmen lebt, in Blute endet -
Bist, was dem Kranken Sänger sein Gedicht,
Ein fremdes, aber o ein mildes Licht.“

(Annette von Droste-Hülshoff: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 1, München: Winkler, 1973, S. 462-463)

Ihre späten Lebensjahre sah ANNETTE VON DROSTE-HÜLSHOFF – trotz vielfacher Krankheit und Einengung – als Gnade. Erst durch ihre literarische Produktivität konnte sie sich seelisch entspannen. Nach langer Krankheit starb sie am 24. Mai 1849 auf der Meersburg am Bodensee, wo sie ihre letzten Lebensjahre verbracht hatte.

Literarische Themen

ANNETTE VON DROSTE-HÜLSHOFF fand ihre literarischen Themen bevorzugt in der Natur – sie wurde vor allem für ihre Naturlyrik bekannt. Sie beschrieb die Wiesen, die Heide- und die Moorlandschaften ihrer westfälischen Heimat. Neu an ihrer Dichtung war die Darstellung von unmittelbar Erlebtem wie Farben, Lauten oder Bewegungen. Da ihr die herkömmliche Sprache zu begrenzt schien, bediente sich ANNETTE von ihr geschaffener, neuer Bilder und Worte. In ihrer Lyrik wird die Natur als Ort beschaulicher Stille, aber auch als Ort des Schreckens und Heimat dämonischer Mächte dargestellt (z. B. in der Ballade „Der Knabe im Moor“).

Werke (Auswahl)

  • Lied eines Soldaten in der Ferne (1808)
  • Das Schicksal (1810)
  • Das befreyte Deutschland (1813)
  • Bertha (1813/14)
  • Unruhe (1816)
  • Walther (1818)
  • Geistliches Jahr (1819/20, erster Teil)
  • Noth. Wie sind meine Finger so grün (1820)
  • Babilon (1820, Beginn der Arbeit)
  • Ledwina (1821, Beginn der Arbeit)
  • Judenbuche (1829, Beginn der Arbeit, siehe PDF "Annette von Droste-Hülshoff - Die Judenbuche")
  • Hospiz auf dem großen St. Bernhard (1837)
  • Des Arztes Vermächtniß (vor 1834)
  • Nicht wie vergangner Tage heitres Singen (1834)
  • Entzauberung (1834/35)
  • Am grünen Hang ein Pilger steht (1836)
  • Die Schlacht im Loener Bruch (1837)
  • Die Wiedertäufer (1837)
  • Klänge aus dem Orient (1838)
  • Des alten Pfarrers Woche (1839)
  • Der Graf von Thal (1839)
  • Perdu! Der Geyerpfiff (1840)
  • Das Fräulein von Rodenschild; Der Graue; Der Schlosself; Die Elemente; Gruss an das „Herrle“; Kurt von Spiegel; Das Fegefeuer des westfälischen Adels; Der Tod des Erzbischofs Engelbert von Cöln; Meister Gerhard von Cöln (1841)
  • Die Schenke am See; Zeitbilder; Heidebilder; Am Bodensee; Mein Beruf; Kein Wort, und wär' es scharf wie Strahles Klinge; O frage nicht was mich so tief bewegt; Die Taxuswand; Das Spiegelbild; Neujahrsnacht; Abschied von der Jugend (1841/42)
  • Nach fünfzehn Jahren; Der Knabe im Moor; Im Moose; Warnung an die Weltverbesserer; Die Judenbuche; Der zu früh geborene Dichter; Westfälische Schilderungen; Am Thurm; Junge Liebe (1842)
  • Das öde Haus (1843)
  • Mondesaufgang; An einen Freund; Die todte Lerche; Lebt wohl; Joseph (1844)
  • Durchwachte Nacht; Volksglauben in den Pyrenäen; Unter der Linde; Das verlorene Paradies (1845)
  • An einem Tag wo feucht der Wind; Der sterbende General; Das Bild; Auf hohen Felsen lieg ich hier (1847)
  • Als diese Lieder ich vereint (1848)
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