Jena

Die französische Revolution und die napoleonischen Kriege

Die französische Revolution und die napoleonischen Kriege haben in Europa zu folgenschweren Gesellschaftskrisen geführt.

  • Am 1. Koalitionskrieg (1792–97) gegen Frankreich waren Österreich, Preußen (1795 ausgeschieden), England, Holland, Spanien und Sardinien beteiligt.
  • Den 2. Koalitionskrieg (1799–1802) bestritten Österreich, Russland, England, Neapel, Portugal, der Kirchenstaat und das Osmanische Reich.
  • Der 3. Koalitionskrieg (1805) wurde durch den Frieden von Preßburg beendet.
  • In der 4. Koalition kämpften Preußen und Sachsen gegen Frankreich und verloren in der Schlacht bei Jena und Auerstedt (1806) die entscheidende Schlacht.
  • Während der Befreiungskriege 1813–1815 wurden die französischen Truppen in der Völkerschlacht bei Leipzig (1813) besiegt.
  • NAPOLEON BONAPARTE (1769–1821) war von den alliierten Kräften zwar 1814 zur Abdankung gezwungen und nach Elba verbannt worden, konnte 1815 jedoch zurückkehren und neue Truppen um sich versammeln.
  • Am 18. Juni 1815 in der Schlacht bei Waterloo endeten die napoleonischen Kriege.
  • Im Ergebnis der Kriege wurde auf dem Wiener Kongress der Deutsche Bund gegründet, ein lockerer Zusammenschluss von 34 deutschen Einzelstaaten.

In Frankreich konnte sich das Königreich unter dem Bourbonen LUDWIG XVIII. wieder etablieren.
Vor allem die Befreiungskriege hatten höchst motivierend auf die junge Intellegenz in Deutschland gewirkt. Die restaurative Politik der deutschen Landesherren nach der Niederlage Napoleons ab 1815 machte einer großen Enttäuschung breit.

Frühromantik

Ihren Ursprung hatte die Frühromantik in Jena, weshalb sie auch Jenaer Romantik genannt wird.

Jena war um 1800 eine wichtige Stadt des deutschen Geisteslebens. Hier trafen Ende des 18. Jahrhunderts die Dichter und Philosophen

  • FRIEDRICH VON SCHELLING,
  • AUGUST WILHELM SCHLEGEL,
  • FRIEDRICH SCHLEGEL,
  • CLEMENS BRENTANO,
  • NOVALIS (eigentl. GEORG FRIEDRICH PHILIPP FREIHERR VON HARDENBERG),
  • LUDWIG TIECK

zusammen. Sie begeisterten sich anfangs für GOETHEs klassische weltbürgerliche Ideen in „Wilhelm Meisters Lehrjahren“ (Vorbild des romantischen Romans) und der Einheit von Leben und Dichtung in dessen Schaffen. In weiten Teilen war ihnen die klassische Dichtung jedoch nicht volkstümlich genug.

Die Frauen der Romantik

Die frühromantische Bewegung hatte ein besonderes Verhältnis zur Frau. Erstmals agierten sie (fast) gleichberechtigt neben den – allerdings von den Zeitgenossen weit eher wahrgenommenen – Männern ihrer Zeit. In einer Zeit, da das Studium an Universitäten für Frauen noch verboten war (erst in der Weimarer Republik durften Frauen in Deutschland studieren), emanzipierten sie sich nicht nur gesellschaftlich, sondern auch intellektuell. Gewiss bot die Gesellschaft ihnen gewisse Schranken, innerhalb derer sie sich jedoch selbstbewusst bewegten.

Berühmte Frauen der Romantik waren:

  • CAROLINE SCHLEGEL-SCHELLING (1763-1809)
  • RAHEL VARNHAGEN VON ENSE (1771-1833)
  • BETTINA VON ARNIM (1785-1859)
  • DOROTHEA SCHLEGEL (1764–1839)
  • SOPHIE MEREAU (BRENTANO) (1770–1806)
  • KAROLINE VON GÜNDERRODE (1780–1806)
  • HENRIETTE HERZ (1764–1847)

RAHEL VARNHAGEN und HENRIETTE HERZ luden zu literarischen Salons ein, in denen Lesungen und Konzerte stattfanden. KAROLINE VON GÜNDERRODE und SOPHIE MEREAU schrieben und veröffentlichten Gedichte und Prosa. BETTINA VON ARNIM wurde bekannt durch ihre Briefe und Erinnerungen. DOROTHEA SCHLEGEL, Tochter von MOSES MENDELSSOHN, schrieb Romane und Literaturkritiken.

KAROLINE VON GÜNDERRODE

Zum Kreis der Frühromantiker gehörte auch KAROLINE VON GÜNDERRODE (1780–1806), die siebzehnjährig im Frankfurter evangelischen Cronstetten-Hynspergischen Adeligen Damenstift Aufnahme fand und in der Stadt am Main mit BETTINA VON ARNIM und ihrem Bruder CLEMENS BRENTANO zusammentraf. Sie begann Gedichte zu schreiben und veröffentlichte ihre ersten Werke unter dem Pseudonym TIAN („Gedichte und Phantasien“, 1804). Ihr literarisches Werk wurde von den Zeitgenossen bewundert, bestaunt, aber auch mit Skepsis gesehen. Die Radikalität ihres Liebesanspruchs, ihre „männliche“ Sicht der Welt verwirrte viele. Und auch ihr Tod ist gar nicht „weiblich“: KAROLINE nahm sich sechsundzwanzigjährig das Leben, indem sie sich einen Dolch durch die Brust bohrte. Noch späterhin ließ die Ungewissheit über den literarischen Werk ihrer Gedichte nicht nach. Meyers Konversations-Lexikon bemerkte zu ihrem Schaffen lakonisch:

„Ihre Schriften bekunden ein tiefes Gemütsleben voll poetischen Schwunges, lassen aber Klarheit des Geistes vermissen.“
(Meyers Konversations-Lexikon, Band 7, 1888, S. 928)

KAROLINE VON GÜNDERRODE
Hochroth

Du innig Roth,
Bis an den Tod
Soll mein Lieb Dir gleichen,
Soll nimmer bleichen,
Bis an den Tod,
Du glühend Roth,
Soll sie Dir gleichen.

(Karoline von Günderode: Gesammelte Werke. Band 1–3, Band 3, Berlin-Wilmersdorf: Bibliophiler Verlag von O. Goldschmidt-Gabrielli, 1920–1922, S. 10.)

BETTINA VON ARNIM schrieb ihre Erinnerungen an „Die Günderode“ (so der Buchtitel) auf und verwob darin den Briefwechsel zwischen den beiden Frauen (siehe PDF "Bettina von Arnim - Die Günderode"). Meyers Konversations-Lexikon erkannte zumindest: „doch ist das darin entworfene Charakterbild nicht durchaus treu“ (ebenda).

Um ihre theoretischen Grundlagen zu untermauern, gründeten die Brüder SCHLEGEL eine eigene Zeitschrift: „Athenäum“.

Theoretische Grundlagen

Die Frühromantik dauerte zwar nur von 1795 bis 1804, als programmatische Bewegung wirkte sie jedoch bis in das Biedermeier fort. Hier wurden die theoretischen Grundlagen der Romantik formuliert. Die Romantiker gehörten zur ersten Avantgarde Europas. Sie bildeten neue Formprinzipien, die sich auf die Literatur späterer Epochen auswirkten. FRIEDRICH VON SCHLEGEL war Wortführer und wichtigster Theoretiker.

FRIEDRICH VON SCHLEGEL ist der Begründer der wissenschaftlichen Literaurgeschichte und gab die ersten Anstöße zur vergleichenden Sprachforschung.

Als wichtiger Anreger der Romantik gilt auch JOHANN GOTTLIEB FICHTEs (1762–1814) Wissenschaftslehre, anknüpfend an die „Kritische Philosophie“ KANTs. FICHTE sah das Ich als Mittelpunkt allen Seins an, das aber aufgrund der begrenzten Wirklichkeit nicht zur vollen Entfaltung seines Wesens gelangen könne.

Die philosophischen Grundlagen der frühen Romantik legten SCHELLING, FICHTE, die Brüder SCHLEGEL und SCHLEIERMACHER.

Kennzeichnend für die Literatur der Frühromantik sind:

  • stark fragmentarisches Schreiben
  • progressive Universalpoesie (F. V. SCHLEGEL) = Mischung der Gattungen und Erweiterung der Ausdrucksformen
  • Leser ist der Vollender eines literarischen Werkes

Literarische Gattungen der Frühromantik waren:

 

Bild

FRIEDRICH SCHLEGEL über Poesie und Wissenschaft:

„Alle Kunst soll Wissenschaft, und alle Wissenschaft soll Kunst werden; Poesie und Philosophie sollen vereinigt sein“ (Lyceums-Fragment 115). „Die Poesie ist eine republikanische Rede, eine Rede, die ihr eignes Gesetz und ihr eigner Zweck ist, wo alle Teile freie Bürger sind und mitstimmen dürfen.“
(Lyceums-Fragment 62, vgl. PDF "Friedrich Schlegel - Kritische Fragmente")

Die neue, romantische Poetik lehnte jegliche Regelpoetik ab.

„Heinrich von Ofterdingen“

NOVALIS' Romanfragment „Heinrich von Ofterdingen“ ist ein „Schlüsselwerk“ der Frühromantik. In Form eines sogenannten Entwicklungs- bzw. Bildungsromans beschreibt der Autor die Reifung des mittelalterlichen Ofterdingen zum Dichter. I. d. S. ist das Werk zugleich ein romantischer Künstlerroman.

„Heinrich von Ofterdingen“ besteht aus zwei Teilen:

  • „Die Erwartung“ und
  • „Die Erfüllung“,

wobei nur der erste Teil beendet wurde. Der Roman ist als Antithese zu GOETHEs „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ konzipiert und sollte das Wesen und Wirken von Poesie sinnlich vorführen und fassbar machen.

Inhalt von „Heinrich von Ofterdingen“

Heinrich lebt in Einheit mit der Natur, ihn treibt eine unbestimmte Sehnsucht. Das Symbol für die ewige Unerfülltheit und Prozessualität des menschlichen Lebens wird die „Blaue Blume“, die zugleich ein Symbol des Findens des eigenen, persönlichen Glücks und Lebenssinnes ist. Die blaue Blume wird zur Chiffre für die Liebe. Sie trägt in sich das Antlitz der von Ofterdingen geliebten Tochter Klingsohrs. Die Poesie wird bei Novalis zum Projektionsraum innerer Empfindungen: Die Welt muss romantisiert werden. So findet man den ursprünglichen Sinn wieder.

„... Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, so romantisiere ich es.“

(NOVALIS: „Fragmente über Poesie“, vgl. PDF "Novalis - Fragmente über Poesie")

Der Fragment gebliebene Roman NOVALIS' birgt in einer Rahmenhandlung eine Fülle von Gesprächen, Gedichten und Märchen, die der Bildung und Reifung des Helden dienen sollen.

Der Held, Heinrich von Ofterdingen, fühlt sich zum Dichter berufen. Er sieht in einem Traum die „blaue Blume“. Auf einer Reise von Eisenach nach Augsburg, dem Herkunftsort seiner Mutter, erfährt er in abenteuerlichen, zum Teil ans Märchenhafte grenzenden Begegnungen und Erlebnissen das menschliche Leben in seinen fundamentalen Möglichkeiten und Gestalten. Das alles verdichtet sich in seiner empfindsamen Seele und sucht nach einem Ausdruck im Gedicht und im Lied. Seine Reise wird zunehmend eine Reise nach Innen, eine Reise zur Dichtkunst.

„Heinrich war von Natur zum Dichter geboren“, heißt es im 6. Kapitel. „Mannigfaltige Zufälle schienen sich zu seiner Bildung zu vereinigen ... Alles, was er sah und hörte, schien nur neue Riegel in ihm wegzuschieben und neue Fenster ihm zu öffnen. Er sah die Weite der Welt in ihren großen und abwechselnden Verhältnissen vor sich liegen.“

(vgl. PDF "Novalis - Heinrich von Ofterdingen")

Die Begegnung mit Klingsohr und dessen Tochter Mathilde, mit der er verlobt wird, sowie das Märchen von Eros und Fabel schließen die Reifung des Helden zum Dichter ab. Im zweiten Teil sollte die Vollendung des Dichters gezeigt werden, das Fragment bricht jedoch mitten in einem Gespräch mit dem Gärtner Sylvester ab. Am Ende soll Heinrich die blaue Blume finden und sie erlösen. Denn die Blume ist niemand anderes als Mathilde.

Historisches Vorbild

Zum Helden wählte NOVALIS einen mittelalterlichen Minnesänger. HEINRICH VON OFTERDINGEN ist eine Sagengestalt im Umkreis des Sängerkriegs auf der Wartburg und historisch nicht verbürgt. WALTHER VON DER VOGELWEIDE, WOLFRAM VON ESCHENBACH und REINMAR DER ALTE preisen in einem Wettstreit HERMANN VON THÜRINGEN als den besten Fürsten. HEINRICH VON OFTERDINGEN verteidigt Herzog LEOPOLD VII. von Österreich und verliert. Er soll unter dem Henkerbeil sterben, wird aber durch die Güte und Milde der Fürstin vor dem Tod bewahrt.

„An Tieck“

NOVALIS' Widmungsgedicht „An Tieck“ (Audio 1) klingt wie ein poetisches Vermächtnis des jung Verstorbenen:

„An Tieck
NOVALIS

Ein Kind voll Wehmut und voll Treue,
Verstoßen in ein fremdes Land,
Ließ gern das Glänzende und Neue,
Und blieb dem Alten zugewandt.
Nach langem Suchen, langem Warten,
Nach manchem mühevollen Gang,
Fand es in einem öden Garten
Auf einer längst verfallnen Bank

Ein altes Buch mit Gold verschlossen,
Und nie gehörte Worte drin;
Und, wie des Frühlings zarte Sprossen,
So wuchs in ihm ein innrer Sinn.

Und wie es sitzt, und liest, und schauet
In den Kristall der neuen Welt,
An Gras und Sternen sich erbauet,
Und dankbar auf die Kniee fällt:

So hebt sich sacht aus Gras und Kräutern
Bedächtiglich ein alter Mann,
Im schlichten Rock, und kommt mit heiterm
Gesicht ans fromme Kind heran.

Bekannt doch heimlich sind die Züge,
So kindlich und so wunderbar;
Es spielt die Frühlingsluft der Wiege
Gar seltsam mit dem Silberhaar.

Das Kind faßt bebend seine Hände,
Es ist des Buches hoher Geist,
Der ihm der sauern Wallfahrt Ende
Und seines Vaters Wohnung weist.

Du kniest auf meinem öden Grabe,
So öffnet sich der heilge Mund,
Du bist der Erbe meiner Habe,
Dir werde Gottes Tiefe kund.

Auf jenem Berg als armer Knabe
Hab ich ein himmlisch Buch gesehn,
Und konnte nun durch diese Gabe
In alle Kreaturen sehn.

Es sind an mir durch Gottes Gnade
Der höchsten Wunder viel geschehn;
Des neuen Bunds geheime Lade
Sahn meine Augen offen stehn.

Ich habe treulich aufgeschrieben,
Was innre Lust mir offenbart,
Und bin verkannt und arm geblieben,
Bis ich zu Gott gerufen ward.

Die Zeit ist da, und nicht verborgen
Soll das Mysterium mehr sein.
In diesem Buche bricht der Morgen
Gewaltig in die Zeit hinein.

Verkündiger der Morgenröte,
Des Friedens Bote sollst du sein.
Sanft wie die Luft in Harf und Flöte
Hauch ich dir meinen Atem ein.

Gott sei mit dir, geh hin und wasche
Die Augen dir mit Morgentau.
Sei treu dem Buch und meiner Asche,
Und bade dich im ewgen Blau.

Du wirst das letzte Reich verkünden,
Was tausend Jahre soll bestehn;
Wirst überschwenglich Wesen finden,
Und Jakob Böhmen wiedersehn.

(Novalis: Gedichte. Die Lehrlinge zu Sais. Hrsg.: Mahr, Johannes. Stuttgart: Philipp Reclam jun., 1997.)

audio

Eines der berühmtesten romantischen Gedichte ist das von der „Loreley“ von HEINRICH HEINE. Mit dem mythologischen Stoff der Loreley beschäftigten sich vor HEINE jedoch bereits andere Dichter, u.a. CLEMENS BRENTANO, der seine Version in seinen Roman „Godwi oder Das steinerne Bild der Mutter “ aufnahm (Audio 2):

Zu Bacharach am Rheine
CLEMENS BRENTANO

Zu Bacharach am Rheine
Wohnt eine Zauberin,
Sie war so schön und feine
Und riß viel Herzen hin.

Und brachte viel zu schanden
Der Männer rings umher,
Aus ihren Liebesbanden
War keine Rettung mehr.

Der Bischof ließ sie laden
Vor geistliche Gewalt -
Und mußte sie begnaden,
So schön war ihr' Gestalt.

Er sprach zu ihr gerühret:
„Du arme Lore Lay!
Wer hat dich denn verführet
Zu böser Zauberei?“

„Herr Bischof laßt mich sterben,
Ich bin des Lebens müd,
Weil jeder muß verderben,
Der meine Augen sieht.

Die Augen sind zwei Flammen,
Mein Arm ein Zauberstab -
O legt mich in die Flammen!
O brechet mir den Stab!“

„Ich kann dich nicht verdammen,
Bis du mir erst bekennt,
Warum in diesen Flammen
Mein eigen Herz schon brennt.

Den Stab kann ich nicht brechen,
Du schöne Lore Lay!
Ich müßte dann zerbrechen
Mein eigen Herz entzwei.“

„Herr Bischof mit mir Armen
Treibt nicht so bösen Spott,
Und bittet um Erbarmen,
Für mich den lieben Gott.

Ich darf nicht länger leben,
Ich liebe keinen mehr -
Den Tod sollt Ihr mir geben,
Drum kam ich zu Euch her. -

Mein Schatz hat mich betrogen,
Hat sich von mir gewandt,
Ist fort von hier gezogen,
Fort in ein fremdes Land.

Die Augen sanft und wilde,
Die Wangen rot und weiß,
Die Worte still und milde
Das ist mein Zauberkreis.

Ich selbst muß drin verderben,
Das Herz tut mir so weh,
Vor Schmerzen möcht' ich sterben,
Wenn ich mein Bildnis seh'.

Drum laßt mein Recht mich finden,
Mich sterben, wie ein Christ,
Denn alles muß verschwinden,
Weil er nicht bei mir ist.“

Drei Ritter läßt er holen:
„Bringt sie ins Kloster hin,
Geh Lore! - Gott befohlen
Sei dein berückter Sinn.

Du sollst ein Nönnchen werden,
Ein Nönnchen schwarz und weiß,
Bereite dich auf Erden
Zu deines Todes Reis'.“

Zum Kloster sie nun ritten,
Die Ritter alle drei,
Und traurig in der Mitten
Die schöne Lore Lay.

„O Ritter laßt mich gehen,
Auf diesen Felsen groß,
Ich will noch einmal sehen
Nach meines Lieben Schloß.

Ich will noch einmal sehen
Wohl in den tiefen Rhein,
Und dann ins Kloster gehen
Und Gottes Jungfrau sein.“

Der Felsen ist so jähe,
So steil ist seine Wand,
Doch klimmt sie in die Höhe,
Bis daß sie oben stand.

Es binden die drei Ritter,
Die Rosse unten an,
Und klettern immer weiter,
Zum Felsen auch hinan.

Die Jungfrau sprach: „da gehet
Ein Schifflein auf dem Rhein,
Der in dem Schifflein stehet,
Der soll mein Liebster sein.

Mein Herz wird mir so munter,
Er muß mein Liebster sein!-“
Da lehnt sie sich hinunter
Und stürzet in den Rhein.

Die Ritter mußten sterben,
Sie konnten nicht hinab,
Sie mußten all verderben,
Ohn' Priester und ohn' Grab.

Wer hat dies Lied gesungen?
Ein Schiffer auf dem Rhein,
Und immer hat's geklungen
Von dem drei Ritterstein:

Lore Lay
Lore Lay
Lore Lay

Als wären es meiner drei.
(Clemens Brentano: Werke. Herausgegeben von Friedhelm Kemp, Band 1–4, München: Hanser, [1963–1968]. S. 111-115.)

audio

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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