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Der realistische Roman

Der Roman setzt sich, als Genre umstritten, gegenüber dem hochgeschätzten Epos in diesem Jahrhundert durch und wird zur modernen Großform des Erzählens im beginnenden Zeitalter der Soziologie.

Schwerpunkte sozialkritischer Dichtung des poetischen Realismus waren die Darstellung:

  • des Stadtlebens,
  • des Industriealltags und
  • der Massenverelendung (vor allem in den Vierzigerjahren),
  • der Arbeit der bürgerlichen Schicht im Unterschied zum Leben der aristokratischen, adligen Schicht,
  • der scheiternden Liebes- und Eheverbindungen vor allem aus der Perspektive der Frau zwischen Partnern aus
  • unterschiedlichen sozialen Schichten.

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OTTO LUDWIG schrieb über den Roman des poetischen Realismus:

„Er vereinigt das Wahre des aristokratischen und des Volksromans, denn er führt uns in die mittlere Schichte der Gesellschaft, welche mit dem Schatze der tüchtigen Volksnatur die Güter der Humanität, mit der Wahrheit des Lebens den schönen Schein, das vertiefte und bereicherte Seelenleben der Bildung zusammenfaßt. Der Herd der Familie ist der wahre Mittelpunkt des Weltbildes im Roman, und er gewinnt seine Bedeutung erst, wo Gemüter sich um ihn vereinigen, welche die harte Wahrheit des Lebens mit zarteren Saiten einer erweiterten Welt wiedertönen. In diesen Kreisen erst wird wahrhaft erlebt und entfaltet sich das wahre, von den extremen ferne Bild der Sitte.“
(Otto Ludwig: Der poetische Realismus aus den Jahren 1858–1860. Halle: Genesius, 1911, S. 196f.)

Und FRIEDRICH THEODOR VISCHER (1807–1887) schrieb:

„Der bürgerliche Roman [...] ist die eigentlich normale Spezies [des Romans,d. Verf.] Er vereinigt das Wahre des aristokratischen und des Volksromans, denn er führt uns in die mittlere Schichte der Gesellschaft, welche mit dem Schatze der tüchtigen Volksnatur die Güter der Humanität, mit der Wahrheit des Lebens den schönen Schein, das vertiefte und bereicherte Seelenleben der Bildung zusammenfaßt. Der Heerd der Familie ist der wahre Mittelpunkt des Weltbildes im Roman, und er gewinnt seine Bedeutung erst, wo Gemüther sich um ihn vereinigen, welche die harte Wahrheit des Lebens mit zarteren Saiten einer erweiterten Welt wiedertönen. In diesen Kreisen erst wird wahrhaft erlebt und entfaltet sich das wahre, von den extremen ferne Bild der Sitte.“
(Friedrich Theodor Vischer: Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen. Dritter Theil: Die Kunstlehre. Stuttgart: Verlagsexpedition der Verlagsbuchhandlung von Carl Mäcken in Reutlingen,1857, S. 1313f.)

Der Roman dieser Zeit steht zwischen den Polen der Sinngebung durch die Autorenpersönlichkeit und einer analytisch-sozialen Perspektive. In England und Frankreich entwickelte sich ein starker analytischer Ansatz (Gesellschaftsroman), in Deutschland ein Typ, der die Bewusstseins- und Persönlichkeitsbildung des einzelnen verfolgt (Bildungs- und Entwicklungsroman). Charakteristisch für beide Formen ist eine stärkere Psychologisierung der Darstellung, eine interessantere und ausführlichere Beschreibung der Psyche einzelner Figuren. Dies gilt jedoch weniger für die Varianten im Bereich der Unterhaltungsliteratur.

„Früher und konsequenter als die deutschen hatten sich französische und englische Dichter dem Realismus zugewandt; ihre Zeitromane gewannen gegen die Jahrhundertmitte Einfluss auf die deutsche Literatur.“

(WOLFGANG VAN RINSUM)

Bild

Für die Ausbildung des deutschen Romans sowie des Nachdenkens darüber spielte die Vermittlung der englischen Realisten wie

  • CHARLS DICKENS (1811–1870),
  • WILLIAM MAKEPEACE THACKERAY (1811–1863) und vor allem
  • Sir WALTER SCOTT (1771–1832)
  • BWS-DEU2-0232-04.pdf (1.52 MB)

sowie der französischen Realisten

  • GUSTAV FLAUBERT (1821–1880, siehe PDF "Gustave Flaubert - Frau Bovary"),
  • BWS-DEU2-0232-05.pdf (928.71 KB)
  • ÉMILE ZOLA (1840–1902, siehe PDF "Émile Zola - Nana") und
  • HONORÉ DE BALZAC (1799–1850)

eine große Rolle.

Einer der wichtigsten Propagandisten war der Herausgeber des „Grenzboten“: JULIAN SCHMIDT (1818–1886), der gleichzeitig seine Aufgabe darin sah, vor dem Realismus BÜCHNERs, DICKENS' oder HUGOs zu warnen, da diese die sittliche Bildung und die Geschmacksentwicklung des Lesers negativ beeinflussen könnten. JULIAN SCHMIDT äußert in „Der neuste englische Roman und das Princip des Realismus“:

„Unter den neusten Stichwörtern ist eins der beliebtesten das Princip des Realismus. Seit den großen Erfolgen der Dorfgeschichten spricht man auch in Deutschland von einer realistischen Schule; in Frankreich existiert sie schon seit Victor Hugo, und in England führt sie in diesem Augenblick ganz unumschränkt die Herrschaft über alle Gattungen der schönen Kunst. ... Und hier ist noch eine bestimmte Seite hervorzuheben, ... , nämlich die satirische Richtung der neusten Poesie [Dickens „Nickelby“ oder „Oliver Twist“ siehe PDF 1, Anm. durch Red.]. Der eigentliche Realist in seiner reinsten Erscheinung wird nur selten satirisch, das heißt, er geht nur selten von der Absicht aus, durch seine Darstellung auf bestimmte Schäden der Gesellschaft aufmerksam zu machen und zur Abhilfe derselben beizutragen, weil in diesem Vorhaben wieder etwas Dogmatisches, wieder eine Auflehnung gegen das Recht der Natur liegen würde.“
(JULIAN SCHMIDT: „Der neuste englische Roman und das Princip des Realismus“In: Die Grenzboten, 15/4. Leipzig: Herbig, 1856, S. 467 und S. 471)

Sozialkritische Publizistik und sozialer Roman / Gesellschaftsroman

Schwerpunkte sozialkritischer Dichtung des poetischen Realismus waren die Darstellung

  • des Stadtlebens,
  • des Industriealltags und der Massenverelendung (vor allem in den Vierzigerjahren),
  • der Arbeit der bürgerlichen Schicht im Unterschied zum Leben der aristokratischen, adligen Schicht,
  • der scheiternden Liebes- und Eheverbindungen vor allem aus der Perspektive der Frau zwischen Partnern aus unterschiedlichen sozialen Schichten.

Die frühe sozialkritische Publizistik sowie auch der soziale Roman stand unter starkem Einfluss von EUGENE SUEs (1804–1857) Roman „Geheimnisse von Paris“„ und GUSTAV FREYTAGs „Soll und Haben“ (1855).
FRIEDRICH ENGELS schrieb über das Echo auf SUEs Roman 1844 in „Bewegungen auf dem Kontinent“:

„Der wohlbekannte Roman von Eugène Sue, die ,Geheimnisse von Paris’, hat auf die öffentliche Meinung, ganz besonders in Deutschland, tiefen Eindruck gemacht; die eindringliche Art, in der dieses Buch das Elend und die Demoralisierung darstellt, die in großen Städten das Los der ,unteren Stände’ sind, mußte notwendig die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Lage der Armen im allgemeinen lenken.“
(FRIEDRICH ENGELS: „Bewegungen auf dem Kontinent“, 1844. In: Karl Marx/ Friedrich Engels - Werke. Dietz Verlag, Berlin. Band 1. Berlin/DDR. 1976, S. 479f.)

Ähnlich hat auch FREYTAGs Roman gewirkt.

  • BWS-DEU2-0232-06.pdf (962.24 KB)

WILHELM RAABE erzählt in seinem Erstlingswerk „Die Chronik der Sperlingsgasse“ (1856, hrsg. u. d. Pseudonym Jacob Corvinus, siehe PDF "Wilhelm Raabe - Die Chronik der Sperlingsgasse") die Geschichte von Johannes Wachholder, der seit dreißig Jahren in der Berliner Sperlingsgasse lebt. Seine fiktiven Tagebuchaufzeichnungen beginnt Wacholder am 15. 11. 1854. Ein halbes Jahr arbeitet er an seiner Chronik, sein Leben reflektierend und das seiner Freunde, die schon gestorben oder längst aus der Gegend weggezogen sind. So erscheint sein Leben

„ zu einer Bühne des dem ewigen Wandel unterworfenen Lebens geworden, das sich mit allen seinen Gegensätzlichkeiten in den vielfältigen Schicksalen ihrer Bewohner widerspiegelt“.
(vgl. PDF "Wilhelm Raabe - Die Chronik der Sperlingsgasse")

RAABEs zweites großes Romanwerk, „Der Hungerpastor“, unter dem Einfluss von SCHOPENHAUER geschrieben, ist ein Bildungsroman unterschiedlicher Lebenswege der Söhne eines Schusters und eines Trödlers. Der positive Held Johannes Unwirrsch ist „hungrig“ nach Wahrheit und Erkenntnis. Sein „Freund“ und Gegenpart Moses Freudenstein entwickelt sich zum machthungrigen Aufsteiger und Verführer. Er macht als Kritiker in Berlin Karriere, während Hans Unwirrsch sich unbeirrt auf der Suche nach Wahrheit, Freiheit und Liebe begibt und schließlich Pfarrer in einem kleinen Ort an der Ostsee wird.
„Der Hungerpastor“ ist 1863 im Vorabdruck als erste Ausgabe der „Deutschen Roman-Zeitung“ erschienen.

Bedeutsame Gesellschaftsromane schrieb THEODOR FONTANE mit „Effi Briest“, „Irrungen Wirrungen“ und „Frau Jenny Treibel“.

  • BWS-DEU2-0232-07.pdf (554.26 KB)
Lernhelfer (Duden Learnattack GmbH): "Der realistische Roman." In: Lernhelfer (Duden Learnattack GmbH). URL: http://www.lernhelfer.de/schuelerlexikon/deutsch-abitur/artikel/der-realistische-roman (Abgerufen: 17. October 2025, 02:17 UTC)

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Theodor Fontane

* 30.12.1819 in Neuruppin
† 20.09.1898 in Berlin

THEODOR FONTANE zählt zu den bedeutendsten Erzählern des poetischen Realismus im 19. Jahrhundert. Er hat entscheidend auf die Entwicklung des deutschen Romans eingewirkt und hatte u.a. großen Einfluss auf THOMAS MANN.

Erst im Alter von ungefähr sechzig Jahren entschloss FONTANE sich, ausschließlich als Schriftsteller zu arbeiten. So entstanden die meisten seiner Werke in seinem letzten Lebensabschnitt, in den Jahren nach 1876. Es sind vor allem Romane, die die preußische Geschichte behandeln und sich mit Problemen von Liebe und Ehe und sozialen Fragen auseinandersetzen. So wurde FONTANE zum Chronisten der preußisch-deutschen Realität.

Seine Romane spiegeln die überkommenen und sich auflösenden, aber noch gültigen Formen der damaligen Gesellschaft wider. Der bekannteste und mehrfach verfilmte Roman von FONTANE ist seine „Effi Briest“ (1895).

Der Untertan

„Der Untertan“ ist eine sozialkritische Satire über das wilhelminische Deutschland. In seinem Mittelpunkt steht der Typ des vaterlandstreuen deutschen Untertanen, der sich den Mächtigen um seiner Karriere Willen anbiedert, seine nationale Gesinnung zur Schau trägt und skrupellos an seinem gesellschaftlichen Aufstieg arbeitet, während er die ihm Untergebenen rücksichtslos unterdrückt.

Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen

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† 17.08.1676 in Renchen (Baden)

HANS JAKOB CHRISTOFFEL VON GRIMMELSHAUSEN war der bedeutendste deutsche Erzähler des 17. Jahrhunderts. In einer Zeit des galanten höfischen Romans erregte er durch seine volkstümliche, urwüchsige Sprache und seinen humoristischen Realismus Aufsehen und Interesse. Er schrieb fast alle seine Werke unter verschiedenen Pseudonymen, so auch den Schelmenroman „Simplicissimus“, der als erster deutscher Prosaroman von Weltrang seinen Ruhm begründete. Neben Romanen verfasste er Moralsatiren, Streitschriften sowie Kalender- und Anekdotenbücher.

Woyzeck

In BÜCHNERs fast naturalistischem Drama „Woyzeck“ (1836) wird der einfältige, aber gutmütige Soldat Woyzeck von seinem Vorgesetzten ausgenutzt und geschunden. Der Hauptmann philosophiert mit ihm über Moral und Tugend. Beides könnten sich die Armen nicht leisten, meint Woyzeck: „Es muß was Schönes sein um die Tugend, Herr Hauptmann. Aber ich bin ein armer Kerl!“ Um sich einige Groschen zu verdienen, dient er dem Arzt als Versuchsperson. Dieser will anhand einer Erbsendiät Obskures beweisen. Als ihm der Tambourmajor auch noch seine Geliebte fortnehmen will, wird Woyzeck zum Mörder.

Er tötet seine Freundin Marie im Affekt. Sprachlich nähert sich das Drama, das nur als Fragment vorliegt, dem Naturalismus an: Die Figuren sprechen größtenteils Darmstädter Dialekt.

„Woyzeck“ wurde 1979 mit KLAUS KINSKI in der Hauptrolle verfilmt. Der vorliegende Text lehnt sich in der Reihenfolge der Auftritte an diesen Film an.

Lenz-Novelle

GEORG BÜCHNERs Novelle „Lenz“ ist das wichtigste Werk des deutschen Frührealismus. In ihr werden naturalistische, auch expressionistische Merkmale vorweggenommen. BÜCHNER orientierte sich nicht an den klassischen idealen des „Guten, Wahren, Schönen“. Von den Romantikern übernahm er die Ästhetisierung des Hässlichen, d.h. Leben war für ihn Ganzheit. Das Leben, wie es ist, schließt auch den Wahnsinn des Helden ein. Damit begab sich Büchner in eine Gegenposition zu den zeitgenössischen Kritikern. Seinen Lenz lässt er sagen:

„Ich verlange in allem Leben, Möglichkeit des Daseins, und dann ist's gut; wir haben dann nicht zu fragen, ob es schön, ob es häßlich ist, das Gefühl, daß was geschaffen sei, Leben habe, stehe über diesen beiden, und sei das einzige Kriterium in Kunstsachen.“


BÜCHNERs literarische Haltung entsprang seinem Lebensmotto: Leben als Selbstzweck. Das bedeutet, Leben um des Lebens willen. Deswegen schaffte BÜCHNER keine Kunstfiguren als Verkörperung von Idealen, sondern Menschen aus Fleisch und Blut. Eine Verklärung seiner Figuren verbietet sich von selbst.

 

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