Modelle der Friedenssicherung – USA und UdSSR

Neue Ansätze in der internationalen Politik

Das Ende des Ersten Weltkriegs verursachte einschneidende machtpolitische und ideologische Veränderungen in der Weltpolitik. Nachdem die Europäer die Erde mehrere Jahrhunderte lang militärisch, politisch und wirtschaftlich beherrscht hatten, traten 1917 mit den USA (Kriegseintritt) und der Sowjetunion (Oktoberrevolution) zwei neue Mächte auf die weltpolitische Bühne. Beide Staaten brachten eigene Vorstellungen mit, wie der Frieden auf der Erde zukünftig gesichert werden sollte. Die durch den Krieg geschwächten und verschuldeten europäischen Staaten verloren gleichzeitig einen großen Teil ihrer weltpolitischen Bedeutung.

Modelle der Friedenssicherung

Der amerikanische Präsident WOODROW WILSON führte mit seiner „Vierzehn Punkte“-Rede zur Errichtung eines Völkerbundes das liberale Modell der Friedenssicherung in die Weltpolitik ein. In Russland verkündete der Revolutionär WLADIMIR I. LENIN mit seinem „Dekret über den Frieden“ ein sozialistisches Modell der Friedenssicherung.
Von beiden Modellen der Friedenssicherung ging eine große Sprengkraft für das internationale System aus, da beide Modelle den Anspruch erhoben, auf der ganzen Welt zu gelten – sie schlossen sich damit gegenseitig aus. Der vormals quer durch die Nationen gehende Konflikt zwischen kapitalistischen und sozialistischen Ideen wurde mit dem Kriegseintritt der USA und der russischen Oktoberrevolution gewissermaßen verstaatlicht, da jetzt zwei Staaten diese Ideen verkörperten. Allmählich wurde dieser Konflikt zum Ost-West-Konflikt, da sich die Staaten entweder zu dem einen oder zu dem anderen Prinzip bekannten. Allerdings wurde er erst nach dem Zweiten Weltkrieg zum bestimmenden Merkmal der internationalen Politik.

Das liberale Modell der Friedenssicherung

Durch amerikanische Material- und Nahrungsmittellieferungen während des Krieges hatten die europäischen Alliierten einen riesigen Schuldenberg bei den USA angehäuft. Außerdem hatten die USA mit ihren Soldaten und Waffen entscheidend dazu beigetragen, das Deutsche Reich und seine Verbündeten zu besiegen. Präsident WILSON wollte das dadurch gewonnene Gewicht der Vereinigten Staaten nutzen, um seine Vision einer weltweiten Friedensordnung durchzusetzen. Sein Ziel war es, die Welt für die Demokratie sicher zu machen und im Welthandel alle wirtschaftlichen Schranken zu beseitigen. Ein Frieden ohne Besetzungen, das Selbstbestimmungsrecht der Völker, die Freiheit der Meere, die Neuordnung des Kolonialsystems und die Öffentlichkeit von Verträgen waren weitere zentrale Bestandteile seines Konzepts. Da die Vereinigten Staaten inzwischen das wirtschaftlich stärkste Land der Erde waren, konnten sie von dieser Weltordnung einen besonders großen Nutzen erwarten.
Das Mittel zur Durchsetzung der liberalen Friedensordnung sollte nach WILSONS Vorstellung der Völkerbund werden, eine Vertretung aller Staaten der Erde. Wenn ein Staat den Frieden brechen würde, sollten sich alle anderen Staaten gegen ihn verbünden und so den Frieden wiederherstellen. Der Völkerbund wurde 1919 auf der Pariser Friedenskonferenz gegründet, doch der US-Senat lehnte ein Jahr später den Beitritt der Vereinigten Staaten zum Völkerbund ab, da er befürchtete, in internationale Konflikte verwickelt zu werden. Damit fehlte dem Völkerbund bereits zu Beginn einer der wichtigsten Staaten. Auch das besiegte Deutschland sowie das revolutionäre Russland fehlten bei der Gründung des Völkerbundes.
Außerdem sollte ein System von Verträgen den weltweiten Freihandel sichern, das heißt, der wirtschaftliche Zugang zu den Märkten eines jedes Staates sollte jederzeit möglich sein. Kein Staat sollte also Schutzzölle auf ausländische Waren erheben oder seine Waren durch Subventionen oder andere künstliche Maßnahmen gegen ausländische Konkurrenz schützen dürfen. Dadurch sollte die Wirtschaft der Staaten dermaßen miteinander verflochten werden, dass ein Krieg zwischen ihnen gewissermaßen unmöglich wurde.

Das sozialistische Modell der Friedenssicherung

Nur einen Tag nach der Oktoberrevolution (7. November 1917) hatte LENIN seine Idee eines sozialistischen Friedensmodells verkündet.
Wie WILSON forderte er einen Frieden ohne Besetzungen, das Selbstbestimmungsrecht der Völker und die Öffentlichkeit der Diplomatie. Anders als dieser wandte er sich jedoch nicht an die Staatsführungen, sondern an die Arbeiter in England, Frankreich und Deutschland. LENIN rechnete mit einer Ausbreitung der sozialistischen Revolution, welche die kapitalistische Wirtschaftsordnung auf der Erde beseitigen sollte, um einem sozialistischen Weltmarkt Platz zu machen.
Seine Vorstellung war, dass die sozialistische Revolution nach und nach in allen Ländern der Erde stattfinden sollte. Die Länder, in denen die Revolution stattgefunden hatte, würden dann freiwillig einer Union sozialistischer Länder beitreten, sodass letztendlich ein sozialistischer Weltstaat entstünde. Da es in dieser klassenlosen Weltgesellschaft kein Privateigentum an Produktionsmitteln mehr gäbe und alle Menschen gleichgestellt wären, würde es auch keinen Grund mehr für Auseinandersetzungen geben. Kriege würden dann der Vergangenheit angehören, denn nach der kommunistischen Theorie waren Kriege letztendlich wirtschaftliche Interessenskonflikte zwischen kapitalistischen Staaten.
Zentrales Mittel zur Umsetzung des sozialistischen Friedensmodells sollte die III. Internationale (Komintern) werden, die 1919 in Moskau gegründet wurde. Mithilfe dieser Organisation der Revolutionäre aller Länder sollten die Umsturzversuche in Mitteleuropa unterstützt werden. Die Hoffnung auf sozialistische Revolutionen in Deutschland, England oder Frankreich nach dem Vorbild der russischen Revolution erfüllte sich jedoch nicht, sodass sich die Kommunistische Partei Russlands zuerst auf den Aufbau des Sozialismus im eigenen Land konzentrieren musste – 1922 wurde die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) gegründet.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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