Völkerwanderung in Europa

Der Begriff „Germanen“

Bei den Engländern werden die Deutschen „Germans“, Germanen, genannt, bei den Franzosen „Allemands“, Alemannen. In Deutschland leben Schwaben, Franken, Sachsen und Thüringer. Von den Goten kennen wir noch die gotische Schrift. Ob Alemannen, Sweben, Franken, Sachsen, Thüringer oder Goten, ob Vandalen, Alanen, Burgunder und Langobarden oder Angeln, Sachsen und Jüten, bei all diesen Stämmen handelt es sich um frühere germanische Stämme. „Germanen“ ist ein Sammelbegriff für verschiedene Völkergruppen in Nord-, Ost- und Mitteleuropa in den Jahrhunderten um die Zeitenwende; die Gruppen selbst kannten keine Bezeichnung für ihre Gesamtheit.

Der Begriff „Völkerwanderung“

Unter „Völkerwanderung“ bzw. „germanischer Völkerwanderung“ im engeren Sinn versteht man die Wanderung germanischer Stämme von ihren Ursprungsgebieten nach Süd-, West- und Mitteleuropa hauptsächlich in der Zeit vom 4. bis 6. Jh. n. Chr. Zugleich drängten slawische Stämme in die frei gewordenen Gebiete in Mittel- und Osteuropa nach (die Endungen vieler heutiger Ortsnamen auf -itz bzw. -au sind Zeugnisse der slawischen Ansiedlungen). Die Wanderbewegungen hatten eine tief greifende Bevölkerungsverschiebung in ganz Europa zur Folge und bewirkten, dass sich verschiedene eigenständige Reiche germanischer Stämme auf römischem Boden bildeten. Das Römische Reich in seiner bisherigen Form zerfiel allmählich und wurde 395 geteilt in eine westliche und eine östliche Hälfte. Das Weströmische Reich zerbrach 476, während das Oströmische Reich (auch Byzantinisches Reich oder nur Byzanz genannt, da der oströmische Kaiser in Byzanz residierte) bis 1453 bestand.

Ursachen der Völkerwanderung

Die 200 Jahre andauernde Völkerwanderung hatte verschiedene Ursachen. Zum einen brachte das Bevölkerungswachstum der Germanen eine Landnot mit sich, zum anderen verschlechterten sich die klimatischen Bedingungen allmählich so stark, dass die Erträge des Ackerbaus nicht mehr als Ernährungsgrundlage ausreichten. Immer wieder war es bereits im 2. und 3. Jh. dazu gekommen, dass germanische Stämme die Grenzen des Römischen Reichs überschritten (z. B. Kimbern, Teutonen, Sweben, Markomannen, Alemannen oder Franken). Das Vordringen der einzelnen Stämme hatte aber keine nachhaltigen Wirkungen, und es kam nicht zu prägenden Völkerverschiebungen. Abgesehen von den kurzfristigen Einfällen, hatten sich die Beziehungen zu den Germanenstämmen an der römischen Grenzlinie bisher weitgehend friedlich gestaltet: Germanen waren als Bundesgenossen im römischen Heer und in der Verwaltung teilweise in hochrangigen Stellungen tätig gewesen, ferner hatte es einen Tauschverkehr zwischen Römern und Germanen gegeben.

Auslöser der Völkerwanderung: der Vorstoß der Hunnen

Über die genannten inneren Gründe für die Völkerwanderung hinaus gab der Druck von außen ihr den stärksten Schub: der Ansturm der Hunnen. Die Hunnen waren ein eurasischer Nomadenstamm aus den Steppen der Mongolei, der nach jahrhundertelangen Kämpfen von den Chinesen vertrieben wurde. Mit ihrem Vorstoß nach Westen lösten sie ihrerseits eine sich wellenartig verbreitende Wanderbewegung der verschiedenen flüchtenden und vertriebenen germanischen Stämme aus: die Völkerwanderung.

Die Westgoten

Im Jahr 375 erreichten die Hunnen Südrussland und unterwarfen dort das Reich der Ostgoten. Die hunnischen Krieger waren den Goten durch ihre Bewaffnung mit Bogen überlegen, da sie damit ihre Feinde aus einiger Entfernung bekämpfen konnten. Ein Teil der Goten gliederte sich den Hunnen ein; der größere Teil jedoch floh in das Römische Reich.
Bereits im darauffolgenden Jahr 376 zerstörten die Hunnen das Reich der Westgoten, die seit dem 3. Jh. nördlich der Donau auf dem Gebiet des heutigen Rumänien siedelten. Sie fanden Aufnahme in das Römische Reich, denn auch dort war man wegen des drohenden Ansturms der Hunnen beunruhigt. Der römische Kaiser VALENS siedelte die westgotischen Flüchtlinge südlich der Donau in Thrakien an, auf dem Gebiet des heutigen Bulgarien. Von der Aufnahme der Germanen ins Reichsgebiet versprach er sich eine schlagkräftige Hilfe gegen die gefürchteten Hunnen. Eine Rolle mag auch der christliche Glaube gespielt haben, den VALENS mit den Westgoten teilte. Die Westgoten hatten sich als erster Germanenstamm zum Arianismus, einer frühchristlichen Ausdeutung des Christentums, bekannt.
Doch schon kurze Zeit später kam es zwischen Römern und Westgoten zum Konflikt. In dessen Folge zogen West- und Ostgoten im Verbund mit Hunnen plündernd umher und machten sich den Zulauf von römischen Sklaven und Bergwerksarbeitern zunutze. VALENS konnte wegen der Perserkämpfe nicht sofort eingreifen. Erst 378 kam es zu einer Schlacht bei Adrianopel (heute Edirne), bei der die Römer vernichtend geschlagen wurden und VALENS ums Leben kam. Diese Schlacht war die erste nachhaltig wirkende Niederlage gegen germanische Stämme und die erste entscheidende Schwächung der römischen Reichsgrenze.

THEODOSIUS I., VALENS' Nachfolger als römischer Kaiser, gelang 379 ein Friedensvertrag mit den Westgoten. Sie erhielten Siedlungsland an der Donaugrenze in Moesien und Thrakien und behielten als erster germanischer Stamm auf römischem Gebiet die völkerrechtliche Anerkennung. Gegen Bezahlung sollten sie den Grenzschutz übernehmen und im Kriegsfall Heeresdienst für Rom leisten.
395 nahm der Westgote ALARICH I. den Königstitel an und begründete damit ein Westgotisches Königreich auf römischem Boden. Es kam nun erneut zu Schwierigkeiten, denn ALARICH unternahm einen ausgedehnten Raubzug durch das Imperium: Nachdem er durch Griechenland gestreift war, überfiel er 401 schließlich Italien. Die Römer konnten die Westgoten zwar zunächst schlagen, doch bald belagerten sie Rom erneut. Nach langen vergeblichen Verhandlungen war 410 die Eroberung und Plünderung Roms, der „Ewigen Stadt“, nicht mehr zu verhindern. ALARICH wie auch sein Schwager und Nachfolger ATHAULF unternahmen beide jeweils einen vergeblichen Versuch, in Afrika einzufallen. Unter ATHAULFS Bruder und Nachfolger WALLIA kam es 418 zu einem Friedensvertrag mit den Römern, die den Westgoten erlaubten sich in Aquitanien (heutiges Südwestfrankreich) anzusiedeln. Um die Hauptstadt Tolosa, das heutige Toulouse, entstand das Tolosanische Reich der Westgoten .
In der Regierungszeit THEODERICHS I. breitete sich das Tolosanische Reich allmählich über ganz Spanien aus und erreichte um 475 seine größte Ausdehnung unter dessen Sohn EURICH (von Loire und Rhône im Norden bzw. Osten bis Spanien). Gleichzeitig erhielt das Tolosanische Reich seine Unabhängigkeit. EURICH und später sein Sohn und Nachfolger ALARICH II. übernahmen Elemente römischer Rechtscodices in den neu zusammengestellten Gesetzbüchern.
Im Jahr 507 wurden die Westgoten von den Franken unter deren König CHLODWIG I. aus dem aquitanischen Teil ihres Reichs vertrieben; bei der entscheidenden Schlacht bei Vouillé fiel auch König ALARICH II. Nun beschränkte sich das westgotische Reich auf Spanien. 585 konnten die Westgoten den Sweben zusätzlich den nordwestlichen Teil Spaniens abringen. Ende des 6. Jh. traten die Westgoten vom arianischen zum katholischen Christentum über. Das Westgotenreich in Spanien fand sein endgültiges Ende 711 durch die Mauren.

Kurzer Rückblick auf das Römische Reich

Als der römische Kaiser THEODOSIUS I. im Jahr 395 starb, teilte er jeweils die Westhälfte bzw. die Osthälfte des Römischen Reichs unter seine beiden Söhne HONORIUS und ARCADIUS auf. Faktisch kam das zwar der Spaltung des Reichs gleich, doch führte THEODOSIUS damit nur die schon lange bestehende Verwaltungsteilung fort. Die Reichseinheit sollte zwar weiterhin aufrechterhalten werden, aber unter dem äußeren Druck der eindringenden Germanen im Westen, durch den Kirchenstreit im Osten, vor allem aber durch die fehlende Zentralgewalt des ohnehin schwachen Kaisertums brach das Reich schließlich endgültig in zwei Teile.
Im Weströmischen Reich blieb Rom die Hauptstadt; die Kaiser residierten jedoch ab 404 in Ravenna. Die Hauptstadt des Oströmischen Reichs wurde Byzanz, später nach seinem Kaiser in Konstantinopel umbenannt. Im Westen sprach man lateinisch, im Osten griechisch.
Das weströmische Heer, das zur Mehrheit aus germanischen Söldnern bestand, rief 476 den germanischen Söldnerführer ODOAKER zum König aus; gleichzeitig wurde der letzte weströmische Kaiser ROMULUS AUGUSTUS abgesetzt – das besiegelte das Ende des ohnehin machtlos gewordenen Weströmischen Reichs.

Die Hunnen unter ATTILA

Die Hunnen hatten um 400 ihren Zug nach Westen fortgesetzt und ihr Herrschaftsgebiet allmählich ausgedehnt; um 450 erstreckte sich das hunnische Reich von der Ukraine bis zu Donau und Rhein. Seit 434 war ATTILA König der Hunnen, zunächst noch gemeinsam mit seinem Bruder BLEDA, nach dessen Ermordung 445 wurde er Alleinherrscher.
Im Jahr 451 überfiel ATTILA Gallien mit einem immensen Heer aus hunnischen und germanischen Reitern. Doch ihm stellten sich die Weströmer unter dem Feldherrn AETIUS im Verbund mit den Westgoten und Franken entgegen. Es kam zur Schlacht auf den Katalaunischen Feldern (in der Nähe der heutigen Stadt Troyes in Mittelfrankreich), die ATTILA und seinem Heer die entscheidende Niederlage einbrachte. Zwar zogen die Hunnen in den beiden darauffolgenden Jahren plündernd durch Italien, doch ihre Schlagkraft war ihnen genommen, und sie wichen in ihr Siedlungsgebiet nach Pannonien (im heutigen Ungarn) zurück. Bald nach ATTILAS Tod im Jahr 453 zerfiel das Hunnenreich, und die fast 80 Jahre andauernde Hunnengefahr war gebannt.
Der Hunnenkönig ATTILA ist bis heute eine sagenumwobene Gestalt. Schon zu Lebzeiten galt er als unbesiegbar. Während er in der spätantiken Überlieferung ausschließlich als Plünderer dargestellt wird, später gar als „Gottesgeißel“ und in der altnordischen Sage als grausamer Atli, erscheint er in der deutschen Heldensage, vor allem im Nibelungenlied, als der gütige König Etzel.

Die Ostgoten

Nachdem die Hunnen das Ostgotische Reich in Südrussland 375 erobert hatten, floh ein Teil der Ostgoten in das Römische Reich, ein anderer Teil unterwarf sich den Hunnen. Nach ATTILAS Tod ließ sich die Mehrheit der Ostgoten im ehemaligen Hunnenreich, in Pannonien, nieder.Auf Veranlassung des oströmischen Kaisers marschierten die Ostgoten 488 unter Führung ihres Königs THEODERICH DEM GROSSEN (in der germanischen Sage Dietrich von Bern) in Italien ein. Der dort residierende Heerkönig ODOAKER hatte seinem Reich inzwischen Sizilien, Dalmatien und das Reich der Rugier einverleibt. THEODERICH belagerte ODOAKER in Ravenna zwei Jahre lang und besiegte ihn schließlich („Rabenschlacht“ in der deutschen Heldensage). 493 kam es zu einem Vertrag zwischen THEODERICH und ODOAKER, der beiden die gemeinsame Herrschaft Italiens zugestand. Doch nach der Übergabe der Residenzstadt Ravenna ermordete THEODERICH seinen Vertragspartner auf heimtückische Weise, ließ sich von seinem Heer als König über Goten und Römer ausrufen und errichtete das Reich der Ostgoten.
Italien mit rund 6 Millionen Einwohnern wurde nun von einer verhältnismäßig kleinen Oberschicht von etwa 150 000 Ostgoten beherrscht. Obwohl THEODERICH die Verschmelzung der Goten mit den Römern durch ein Heiratsverbot unterband, förderte er ein friedliches Miteinander beider Bevölkerungsgruppen und bemühte sich um eine gerechte Herrschaft: Die römische Bevölkerung behielt ihre Rechte; Verwaltung und Rechtsprechung ebenso wie Handel und Gewerbe blieben in römischer Hand. Nur der Kriegsdienst war auf die Goten beschränkt. Spannungsreicher wirkte sich die gegensätzliche Auffassung vom Christentum der arianischen Ostgoten und der katholischen Römer aus.
THEODERICH baute durch geschickte Heiratspolitik ein germanisches Bündnissystem gegen die byzantinische Übermacht auf. Doch das Bündnis konnte nicht verhindern, dass die gegnerischen Franken den Westgoten das Tolosanische Reich abrangen. Streitigkeiten wegen der Nachfolge des bei der Schlacht gefallenen Königs ALARICH II. führten schließlich zum Krieg innerhalb des Bündnisses. THEODERICH trug den Sieg davon und erhielt dazu die Herrschaft über das Westgotenreich .THEODERICH DER GROSSE starb 526 und wurde in dem noch heute zu besichtigenden Grabmal in Ravenna beigesetzt.
Nach 20-jährigem Krieg gegen den byzantinischen Kaiser JUSTINIAN („Gotenkrieg“) wurde das Ostgotenreich schließlich durch den Feldherrn NARSES im Jahr 553 erobert.

Der „Wanderbund“ der Vandalen, Alanen und Sweben

Weitere germanische Volksstämme, die vor den herannahenden Hunnen flüchteten, waren die Vandalen, Alanen und Sweben. Die Vandalen kamen aus dem östlichen Mitteleuropa; die Alanen waren ursprünglich ein Stamm iranischer Herkunft nördlich des Kaukasus. Die Sweben waren Elbgermanen, siedelten sich aber zum Teil in Südwestdeutschland an und bildeten die ethnische Grundlage der Alemannen (heute Schwaben). Ein anderer Teil der Sweben, der östlich der Donau seinen Siedlungsraum hatte, schloss sich mit den Vandalen und den Alanen zu einem sogenannten „Wanderbund“ zusammen. Gemeinsam zogen sie durch das heutige Süddeutschland, überschritten 406 die geschwächte Rheingrenze bei Mainz und zogen plündernd durch Gallien.
Während ein Teil der Alanen und der Sweben sich gegen die Westgoten durchsetzen konnte und in Gallien blieb, marschierten die anderen Volksteile weiter bis nach Spanien. Dort wurden die Sweben von den Westgoten nach Nordwestspanien abgedrängt, wo sie ein eigenständiges Reich errichteten, das bis 585 standhielt.
Infolge der Kämpfe mit den in Spanien siedelnden Westgoten wich der inzwischen entstandene Großstamm der Vandalen nach Südspanien aus und prägte der dortigen Landschaft seinen Namen auf (Andalusien). Was den Westgoten nicht gelungen war, erreichten nun die Vandalen unter ihrem Führer GEISERICH: 429 erreichten sie das unter römischer Herrschaft stehende Nordafrika und eroberten in langen Kämpfen den nordwestlichen Teil und 439 schließlich Karthago. Auf römischem Land errichteten sie das erste von Rom anerkannte germanische Königreich. 455 setzten sie nach Italien über und plünderten Rom (im Gegensatz zum heutigen, den Vandalen nicht gerecht werdenden Begriff des „Vandalismus“ handelte es sich damals nicht um blinde Zerstörungswut). In den Folgejahren schlugen sie u. a. Sardinien und Korsika ihrem Reich zu. Mit dem Tod des Königs GEISERICH begann der Niedergang des Vandalenreichs. Der überlegenen oströmischen Macht unter Kaiser JUSTINIAN konnte es nicht standhalten und wurde 534–535 durch den byzantinischen Feldherrn BELISAR vernichtet.

Burgunder

Auch die Burgunder überschritten 406/07 den Rhein und wurden durch einen Bündnisvertrag mit Rom 413 um Worms und Speyer herum angesiedelt. 436 kam es zu heftigen Auseinandersetzungen mit den von dem weströmischen Feldherrn AETIUS beauftragten Hunnen. Sie führten zu einer schweren Niederlage des Burgunderreichs und seinem König GUNDAHAR (Gunther) – und bildeten den Hintergrund der Nibelungensage. Daraufhin ließen sich die Burgunder im Gebiet der Flüsse Rhône und Saône nieder und gründeten dort ihr Königreich (443–534). Noch heute zeugt das französische Gebiet Burgund von der damaligen Ansiedlung, die allerdings weiter östlich lag.

Die Franken

Die Franken waren ein Stammesverband mehrerer germanischer Kleinstämme des östlichen Mittel- und Niederrheins.
Das Frankenreich war die einzige auf Dauer fortbestehende Reichsgründung auf römischem Boden. Von allen germanischen Reichen bildete es die bis zum beginnenden Mittelalter bedeutendste Großmacht, die bestimmend wurde für die politische Ordnung West- und Mitteleuropas. Begünstigend wirkte sich dabei aus, dass beide Teilstämme der Franken – die Salier und die Rheinfranken – allmählich in Gallien eingewandert waren und sich in Toxandrien (Nordbrabant) im 4. Jh. als römische Bundesgenossen behauptet hatten.
In der zweiten Hälfte des 5. Jh. setzte sich das Geschlecht der Merowinger bei den Saliern durch. Die noch unter König CHILDERICH I. bestehende Bundesgenossenschaft zu Rom beendete sein Sohn und Nachfolger CHLODWIG I. (Ludwig). Er besiegte 486 den letzten weströmischen Statthalter in Gallien und beendete dort die römische Herrschaft. Die anderen Gaukönige im rheinfränkischen und belgisch-niederländischen Raum beseitigte er durch Mord, Verrat und List.
Von großer Bedeutung für die Reichsbildung war der Übertritt CHLODWIGS – und damit auch der Franken – zum Christentum im Jahr 497/98. Mit diesem religiösen und zugleich politischen Schritt schuf er zum einen eine enge Verbindung zwischen Königtum und Papsttum und gewann die christliche Führungsschicht des Landes, die Bischöfe und Äbte, für sich. Zum anderen unterstützte das katholische Bekenntnis die Feindschaft zu den arianischen Westgoten. Und drittens konnten sich nun die fränkisch-germanischen und die galloromanischen Bevölkerungsteile untereinander vermischen. Deren Verschmelzung war einer der wichtigsten innenpolitischen Faktoren für die Dauerhaftigkeit des Reichs.
Die Franken unterwarfen oder vertrieben andere germanische Stämme: Sie besiegten 496 die Alemannen und vertrieben 507– trotz des germanischen Bündnisses durch den Ostgotenkönig THEODERICH – die Westgoten aus ihrem Tolosanischen Reich. Nach dem Tod CHLODWIGS 511 brachten dessen Nachfolger auch die Reiche der Thüringer (531) und der Burgunder (534) unter ihre Herrschaft. Das Frankenreich reichte nun vom Atlantik bis zum Main und von den Pyrenäen bis Friesland.
Die Merowinger verloren ihre Macht im 7. und 8. Jh. an das Geschlecht der Karolinger. Unter ihrer Herrschaft konnten die Franken ihren Machtbereich immer weiter ausdehnen, der seinen Höhepunkt unter KARL DEM GROSSEN erreichte - er war der mächtigste Herrscher seiner Zeit in Europa und wurde 800 vom Papst zum Kaiser gekrönt.
Unter KARLS Nachfolgern wurde das Karolingerreich mehrmals geteilt. Westlich des Rheins entstand das Königreich Frankreich, östlich des Rheins erinnert der heutige Raum Franken im Maingebiet an die alte Stammesbezeichnung.

Die Jüten, Angeln und Sachsen

Die römische Provinz Britannien war bereits 410 von den Römern aufgegeben worden; die römischen Schutztruppen gegen die Seefahrer, die Britannien schon lange bedrängt hatten, waren abgezogen. Die nun herrschenden lokalen Fürsten warben germanische Söldner an, die vermutlich erst den Einfall der Germanenstämme in Britannien heraufbeschworen.
Die Jüten (aus Jütland), die Angeln (aus Südschleswig) und die Sachsen (aus dem Gebiet zwischen Weser und Elbe) setzten 449 nach Britannien über. Um 500 konnte das Vordringen der Germanen noch einmal vorübergehend zum Stillstand gebracht werden (von diesem Sieg über die Germanen handelt die Sage von König Artus). Doch ließen sich die weitreichenden Eroberungen der Jüten, Angeln und Sachsen nicht aufhalten. Sie vertrieben die keltischen Einheimischen (u. a. in die gallische Bretagne, die noch heute den Namen der Briten trägt) und gründeten angelsächsische Königreiche – auf die Angeln geht der Name England zurück. Im ausgehenden 8. Jh. begannen die Plünderungen der Normannen („Wikinger“), die später die Herrschaft über die angelsächsischen Reiche errangen.

Die Langobarden

Die ursprünglich aus Skandinavien stammenden Langobarden hatten an der Elbe gesiedelt, waren seit dem 2. Jh. nach Pannonien vorgedrungen und hatten dort ein langobardisches Reich gegründet. Nach ihrem Einfall in Norditalien 568 entstand dort ein zweites Reich unter König ALBOIN. Die Eroberungen auch mittelitalienischer Gebiete fanden um 650 ihren Abschluss und hatten zur Folge, dass Italien in einen langobardischen (später kaiserlichen) und einen byzantinischen (später päpstlichen) Teil zerfiel. 774 wurde das Langobardenreich von KARL DEM GROSSEN in Besitz genommen.
Der Einfall der Langobarden 568 in Italien markiert das Ende der germanischen Völkerwanderung. Erst mit den Wikingerzügen im 8.–10. Jh. fand sie ihren endgültigen Abschluss.

Der byzantinische Kaiser JUSTINIAN I.

JUSTINIAN I. wurde im Jahr 527 oströmischer Kaiser und bestimmte in den vier Jahrzehnten seiner Regierung maßgeblich die weitere Entwicklung des Römischen Reichs. Er verstand sich als Nachfolger der großen römischen Kaiser; dementsprechend richtete er sein außenpolitisches Hauptziel auf die Wiederherstellung der alten Grenzen des Römischen Reichs.
Mithilfe seiner beiden Feldherrn BELISAR und NARSES eroberte und vernichtete er 534/35 das Vandalenreich, nach 20-jährigem Krieg 553 schließlich auch die Ostgoten, kurz zuvor rang er den Westgoten die Südspitze Spaniens ab. Als er 565 starb, hatte er zumindest wieder das Mittelmeergebiet (Nordafrika, Italien, Südspanien und die Mittelmeerinseln) dem Byzantinischen Reich eingegliedert. Die meisten Rückeroberungen gingen unter seinen Nachfolgern bald wieder verloren.

Auswirkungen der Völkerwanderung

Die germanischen Reiche, die in der Zeit der Völkerwanderung auf römischem Reichsgebiet entstanden waren, hatten zumeist nur kurzen Bestand. Von Dauer waren nur die Reiche der Westgoten in Spanien, der Langobarden in Italien, der Angelsachsen in Britannien, vor allem aber das Reich der Franken in Gallien.
Es waren hauptsächlich die Reiche der ostgermanischen Stämme (Ostgoten, Vandalen, Burgunder), die sich nicht dauerhaft etablieren konnten, da sie den Zusammenhang zu ihren heimatlichen Wurzeln aufgaben und damit die Erobererschicht gegenüber der ansässigen Bevölkerung zahlenmäßig unterlegen blieb. Zudem mussten die Unterschiede des christlichen Glaubens überbrückt werden: Die ostgermanischen arianischen Eroberer standen der unterworfenen römisch-katholischen Bevölkerung gegenüber. Ein dauerhafter Bestand der Germanenreiche war am ehesten dort gewährleistet, wo sich die Eroberer mit den einheimischen Bevölkerungsteilen sozial und kulturell mischen konnten (Franken).
Unabhängig von der unterschiedlichen Lebensdauer der germanischen Reiche, bewirkte die Völkerwanderung eine tief greifende Umgestaltung des ethnischen Gefüges. Sie prägte die politische, soziale und kulturell-religiöse Struktur Europas bis weit ins Mittelalter.

Übersicht über die germanischen Reiche

  • 419–507 Tolosanisches Reich der Westgoten in Aquitanien
  • 507–711 Zweites Reich der Westgoten in Spanien
  • 493–553 Reich der Ostgoten in Italien
  • 429–534 Reich der Vandalen in Nordafrika
  • 443–534 Reich der Burgunder
  • ab 486 Merowingisches Frankenreich
  • 449–8./9. Jh. Angelsächsische Königreiche
  • 568–774 Reich der Langobarden
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