Zur Geschichte der Zahlen

Zahlen sind uns heute etwas Selbstverständliches, und mit natürlichen Zahlen, positiven und negativen Dezimalzahlen gehen wir tagtäglich um. Ohne Zahlen wäre unser Computerzeitalter unvorstellbar. Woher aber kommen die Zahlen, wie sind sie entstanden?

Dem bedeutenden Mathematiker LEOPOLD KRONECKER (1823 bis 1891) wird im Hinblick auf die Entwicklung der Mathematik folgender Ausspruch zugeschrieben: Die natürlichen Zahlen hat der liebe Gott geschaffen, alles andere ist Menschenwerk. Der englische Philosoph und Begründer der klassischen Nationalökonomie ADAM SMITH (1723 bis 1790) charakterisierte die Ausdrücke für Zahlen als eine der abstraktesten Ideen, zu deren Bildung der menschliche Geist fähig sei.

Erste Vorstellungen von Zahl und Form sind sicher bereits in der älteren Steinzeit, dem Paläolithikum, vor mehr als 15000 Jahren entstanden. Auch gibt es zahlreiche Anhaltspunkte, dass bestimmte Tierarten mengenmäßige Unterschiede wahrnehmen können, etwa das Küken, das erkennt, ob mehr oder weniger Körner in seinem Futterbehälter sind.

Diese mengenmäßigen Unterschiede zu beschreiben bedurfte es aber der Zahlen als Abstraktion. Dabei waren zunächst nur die „Zahlen“ eins, zwei und viele gebräuchlich.

Mit dem Übergang des Menschen vom Jäger und Sammler zum Ackerbauer und Viehzüchter in der jüngeren Steinzeit, dem Neolithikum, vor etwa 10000 Jahren wuchs das Bedürfnis nach gegenseitiger Verständigung, nach Entwicklung von Sprache sowie nach Erfassung und Beschreibung quantitativer Beziehungen sprunghaft an. Damit zählt wohl auch das Bedürfnis nach einer Benennung von Zahlen zu den ältesten Antrieben für die Entwicklung menschlicher Sprache.

In mehreren europäischen Sprachen besteht eine interessante Ähnlichkeit zwischen den Worten für zählen und erzählen. Im Italienischen heißt es contare/raccontare, im Spanischen contar/contar, im Französischen compter/reconter und im Englischen findet man tale/tell für Erzählung bzw. erzählen. Im Griechischen bedeutet logos soviel wie Rechnung, Wort, Erzählung.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die These, dass die Zahl Neun mit dem Adjektiv neu zusammenhänge. Diese Verwandtschaft gibt es auch im Lateinischen (novem/novus), im Französischen (neuf/neuf), im Englischen (nine/new) und im Sanskrit (nava/navas). Als Erklärung wird dazu angeführt, dass man bis zur Acht durch Verdoppeln der Zwei gelangt sei und die Zahl Neun etwas qualitativ Neues darstelle. Für diese These spricht, dass das Verdopplungsprinzip bei der Bildung von Zahlwörtern in vielen afrikanischen Sprachen erkennbar ist.

Zu einer ganz erheblichen Steigerung der Fähigkeiten der Menschen, mit Zahlen umzugehen, führte die Erfindung der Schrift. Man unterscheidet im Wesentlichen zwei geschriebene Rechensysteme:

  1. Additionssysteme (additive Systeme),
    in dem jede Zahl durch die direkte Addition (evtl. auch Subtraktion) der numerischen Werte einzelner Ziffern entsteht, wie etwa bei der Hieroglyphenrechnung des alten Ägypten oder den römischen Zahlzeichen;
  2. Positions- oder Stellenwertsysteme,
    die zwingend ein Zeichen für unbesetzte Stellen verlangen.

Positionssysteme kommen nur in vier Zivilisationen mit geschriebener Sprache vor, und zwar in Mesopotamien, in China, im alten Indien und in der Mayakultur Zentralamerikas. Unser dekadisches Positionssystem geht auf den indischen Kulturkreis zurück. Im Jahre 773 wurden durch einen Inder astronomische Schriften des indischen Mathematikers BRAHMAGUPTA (geb. 598) an den Hof des Kalifen AL-MANSUR in Bagdad gebracht. Der bedeutende arabische Mathematiker Al-CHWARIZMI (etwa 780 bis etwa 850) verwertete diese in seinem Lehrbuch der Arithmetik, in dem er die neuen indischen Ziffern erklärte und verwendete. Dieses Buch erschien um 820. Im 12. Jahrhundert wurde es durch ROBERT VON CHESTER in Spanien übersetzt. Danach traten die sogenannten arabischen Ziffern ihren Siegeszug an, vor allem deshalb, weil man mit ihnen viel leichter rechnen konnte. Ihre Form hat sich seit ihrer Schaffung durch die Inder mehrfach verändert, die heutige Gestalt geht auf ALBRECHT DÜRER (1471 bis 1528) zurück.

Ein großes Problem aber war die Zahl Null. Die Mathematiker des Mittelalters konnten eine Zahl, die „Nichts“ bedeutete, nicht oder nur schwer verstehen. Entscheidend wurde die Verwendung der Null, wie auch die Verbreitung der arabischen Ziffern insgesamt, durch den italienischen Mathematiker LEONARDO FIBONACCI VON PISA (etwa 1180 bis 1250) befördert.

Auch die Griechen mit ihrer weit entwickelten Mathematik hatten keinen Begriff von Null. Des Weiteren rechneten sie die Eins nicht zu den Zahlen, sie war die Monade, aus der alle anderen Zahlen hervorgingen. Auch der deutsche Rechenmeister und Dichter JACOB KÖBEL (1470 bis 1533) vertrat die Auffassung, dass Eins keine Zahl, sondern erzeugendes Prinzip aller Zahlen sei.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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