Frauen in der Mathematik

Beschäftigt man sich intensiver mit der Geschichte der Mathematik (und auch mit der der Naturwissenschaften), so ist festzustellen, dass bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts unter der großen Zahl auf diesem Gebiet tätiger Wissenschaftler nur wenige Namen von Frauen zu finden sind. Dieser Zustand ist letztlich den gesellschaftlichen Verhältnissen geschuldet, die von Vorurteilen gegenüber Frauen geprägt waren und diese vom wissenschaftlichen Leben nahezu ausschlossen.
Beispielweise blieben Frauen in Deutschland bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts die Türen der Universitäten und Hochschulen verschlossen, erst ab 1870 ließ man sie als sogenannte Hospitantinnen und 20 Jahre später als vollwertige Studenten zu. Noch im Jahre 1902 lehnte der Senat der Berliner Universität die Immatrikulation von Frauen prinzipiell ab.

Diese Vorbehalte gegenüber Frauen hat es in den Anfängen der Mathematik nicht gegeben. So ist bekannt, dass PYTHAGORAS VON SAMOS (etwa 580 bis etwa 500 v. Chr.) auch Schülerinnen in seinen Bund der Pythagoreer aufnahm. Eine davon, nämlich seine spätere Frau THEANO, kann als eine der ersten Mathematikerinnen angesehen werden. Auch die griechischen Philosophen PLATON (427 bis etwa 347 v. Chr.) und SOKRATES (etwa 470 bis etwa 399 v. Chr.) förderten in ihren Schulen Frauen.
Die erste Frau mit eigener Schule war HYPATIA VON ALEXANDRIA (etwa 370 bis 415). Ihr erster Lehrer war ihr Vater, ein Mathematiker und Astronom. Um 400 ist HYPATIA eine bedeutende Philosophin jener Zeit und hält in Alexandria Vorlesungen in Philosophie und auch in Mathematik. Sie schrieb u. a. Kommentare zu Schriften von APOLLONIOS und DIOPHANT, d. h., sie brachte ältere Werke (wahrscheinlich auch die „Elemente“ des EUKLID) auf den neuesten wissenschaftlichen Stand. Auch gilt HYPATIA als bedeutendste Problemlöserin jener Zeit. Im Jahre 415 fiel sie einem Mordkomplott zum Opfer.

In Europa stagnierte die Mathematik bis zur Renaissance, und auch dann sind es nur wenige Frauen, die sich einen Namen als Mathematikerin machten (bzw. machen konnten). Zu erwähnen sind GABRIELLE-EMILIE DU CHÂTELET-LOMONT (1706 bis 1746), MARIA GAËTANA AGNESI (1718 bis 1799) und SOPHIE GERMAIN (1776 bis 1831).
Die französische Philosophin und Mathematikerin EMILIE MARQUISE DU CHÂTELET wurde in einer aristokratischen Familie geboren. Sie war lange Jahre mit FRANÇOIS-MARIE VOLTAIRE (1694 bis 1778) befreundet, lebte und arbeitete mit diesem zusammen. Ihr Verdienst ist es, Schriften von NEWTON, speziell dessen Hauptwerk „Philophiae naturalis principia mathematica“, und LEIBNIZ aus dem Lateinischen übersetzt und kommentiert zu haben.

MARIA GAËTANA AGNESI entstammte einer wohlhabenden italienischen Familie. Der Vater war Mathematikprofessor an der Universität Bologna.
Maria soll schon als Kind außerordentlich begabt gewesen sein, mit fünf Jahren sprach sie fließend Französisch und mit elf beherrschte sie sieben Sprachen. Nachdem sie ursprünglich ins Kloster gehen wollte, dies aber auf vehementen Widerstand ihrer Lehrer stieß, konzentrierte sich MARIA AGNESI auf das Studium der Mathematik. Im Alter von 20 Jahren gab sie eine Sammlung von Aufsätzen, u. a. über Philosophie, Logik, Himmelsmechanik und NEWTONs Gravitationstheorie, heraus. Unter diesen befinden sich die „Analytischen Gesetze“, die Aussagen zu Algebra, analytischer Geometrie und Differenzial- und Integralrechnung enthielten und systematisierten. Dieses Werk wurde später in viele Sprachen übersetzt und war zugleich Grund dafür, dass MARIA AGNESI in die Akademie der Wissenschaften von Bologna aufgenommen wurde.
Ab 1748 übernahm MARIA AGNESI Vorlesungen ihres Vaters an der Universität und wurde zwei Jahre später sogar auf den Lehrstuhl für Mathematik und Naturphilosophie berufen. Nach dem Tode des Vaters im Jahre 1752 brach sie jedoch ihre wissenschaftliche Karriere ab und widmete sich den Rest ihres Lebens barmherzigen Aufgaben.

Die 1776 in Paris geborene Kaufmannstocher SOPHIE GERMAIN war Autodidaktin. In der Bibliothek ihres Vaters entdeckte sie Bücher von NEWTON und EULER, die sie (nachdem sie sich Latein selbst beigebracht hatte) wie literarische Werke las. Um in die 1794 gegründete École polytechnique aufgenommen zu werden, nahm sie die Identität eines Mannes an. Bevor dieses entdeckt werden konnte, hatte SOPHIE GERMAIN bereits ihre mathematische Begabung unter Beweis gestellt. Unter anderem beschäftigte sie sich mit FERMATs letztem Satz, was auch GAUSS beeindruckte. Für ihre Arbeit wurde ihr der große Preis der Pariser Akademie verliehen. Obwohl Frankreich und speziell Paris seiner Zeit das Zentrum mathematischer Forschungen darstellten, war SOPHIE GERMAIN die einzige Frau die sich dort durchsetzen konnte.

Die Situation für eine wissenschaftliche Karriere von Frauen änderte sich auch im folgenden Jahrhundert nicht. Zu den wenigen, die trotz aller Hindernisse eine wissenschaftliche Laufbahn aufnehmen konnten, zählen die Russin SOPHIA WASSILJEWNA KOWALEWSKAJA (1850 bis 1891), die als erste Frau auf dem Gebiet der Mathematik promovierte, sowie die deutsche Mathematikerin EMMY NOETHER (1882 bis 1935), die bis zu ihrer Emigration in die USA vor allem an der Göttinger Universität wirkte.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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