Die Frühsozialisten oder Sozialutopisten

Die Anfänge des Sozialismus in Frankreich

Dass gerade in Frankreich das sozialistische Denken seinen Aufschwung nahm, lässt sich kaum durch die wirtschaftliche Entwicklung des Landes erklären. Anders als England war Frankreich zu dieser Zeit noch wenig industrialisiert, lebten zwei Drittel der Bevölkerung auf dem Land und von der Landwirtschaft. Die maßgeblichen sozialen Gegensätze bestanden daher auch nicht zwischen Arbeitern und Bürgertum, sondern der Bourgeoisie einerseits und dem Adel und Klerus auf der anderen Seite.

Allerdings konnte das Bürgertum seine wirtschaftlichen Interessen in der 1815 einsetzenden Restaurationsphase zur Geltung bringen. Durch das eingeführte Zensuswahlrecht wurde die breite Masse der französischen Bevölkerung von der politischen Mitbestimmung ausgeschlossen. Und die hohen Einfuhrzölle schützten französische Landwirtschaft und Manufakturen vor der übermächtigen englischen Konkurrenz. So verdoppelten sich in der nachrevolutionären Phase die Gewinne der Unternehmer trotz rückständiger Produktionsweise, während die Unterhaltskosten für die Bevölkerung beständig anstiegen. Die Situation für die arme Bevölkerungsmehrheit verschlimmerte sich noch in den Wirtschaftskrisen 1817/18 und 1828–1832. Es kam zu lokalen Protesten und dem Aufbau erster Unterstützungskassen.
Doch mindestens ebenso wichtig wie diese ökonomischen Eckdaten war, dass in Frankreich mit dem Geist der Revolution die Ideale von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit lebendig blieben. Daran knüpften die utopischen Sozialisten an, die zu Beginn des 19. Jh. auf höchst unterschiedliche Weise Modelle einer guten Gesellschaft entwarfen. Zu den wichtigsten Vertretern, die im Folgenden vorgestellt werden, gehören:

  • der Graf CLAUDE HENRI DE SAINT-SIMON,
  • CHARLES FOURIER,
  • PIERRE JOSEPH PROUDHON,
  • LOUIS AUGUSTE BLANQUI und
  • LOUIS BLANC, sowie
  • der Engländer ROBERT DALE OWEN und
  • der in Magdeburg geborene WILHELM WEITLING.

CLAUDE HENRI DE SAINT-SIMON (1760–1825)

Als liberaler Adliger kämpfte SAINT-SIMON im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (1775–83) auf Seiten der Kolonialisten und beteiligte sich ebenfalls aktiv an der Französischen Revolution. Durch die Spekulation mit enteigneten Kirchengütern und Ländereiern erwarb er sich ein beträchtliches Vermögen, das er jedoch bald darauf durch seine Projekte und seinen Lebensstil wieder verlor. 1806 war er ruiniert und lebte bis zu seinem Tod in Armut, war aber in dieser Zeit als politischer Schriftsteller höchst aktiv.

SAINT-SIMONs politische Theorie basiert auf geschichtsphilosophischen Überlegungen, einem Wechsel organischen und kritischen oder krisenhaften Perioden, durch die sich die Gesellschaft fortentwickelt. Die Französische Revolution markiert für ihn den Anfang der Übergangsphase, in der sich die moderne industrielle Produktion gegen die feudale Ordnung durchzusetzen beginnt. Als industriell bezeichnet SAINT-SIMON jegliche nützliche Tätigkeit (also auch Handwerk und Landwirtschaft) im Unterschied zu den Rentiers, Grundbesitzern und dem Landadel. Sein Eintreten für die Industrialisierung hat ihm anfänglich die Unterstützung von Bankiers und Manufaktur-Unternehmern eingebracht.

Er verband den Umbau zur Industriegesellschaft mit der Erreichung des gesellschaftlichen Glücks oder Wohlstands und entwarf eine Ordnung, die zur Durchsetzung der wirtschaftlich-industriellen Gesetzmäßigkeiten führen sollte. Dazu gehörte ein System aus drei Kammern. In der ersten sollten Erfinder, Ingenieure und Künstler sitzen. Die zweite behielt er den Wissenschaftlern vor, während in der dritten Industrielle, Bankiers und Landwirte die von den beiden anderen Kammern unterbreiteten Innovationen wirtschaftlich umsetzen sollten. Mit dieser – laut SAINT-SIMON – auf vernünftige Prinzipien gegründeten Gesellschaftsordnung sollte der industrielle Fortschritt zum Nutzen aller verwirklicht werden. Hierzu schlug er auch eine Föderation der europäischen Staaten vor. Für seine Projekte versuchte SAINT-SIMON vergeblich, die Unterstützung von Zar ALEXANDER I. und LUDWIG XVIII. zu gewinnen.

In den 1920er-Jahren wandte er sich dagegen verstärkt der Arbeiterschaft zu. Denn sie galt es, zu Wohlstand und Bildung zu führen, damit sie zur Mehrung des industriellen Reichtums beitragen können. In seinem offenen Brief „Henri Saint-Simon à Messieurs les ouvriers“ (1821) unterbreitete er ihnen daher einen Forderungskatalog, der u. a. staatlich unterstützte Arbeitsstellen, staatlich geförderte Bildung und den Aufbau von Kultur- und Freizeiteinrichtungen beinhaltete. Mit dem Kurswechsel verlor SAINT-SIMON die Sympathien des wohlhabenden Bürgertums.

Nach seinem Tod wurden die Kerngedanken SAINT-SIMONs von seinen Anhängern zu einem als Saint-Simonismus bekannt gewordenen System ausgebaut. Federführend waren hierbei BAZARD, RODRIGUEZ und ENFANTIN, die in einer Reihe von Vorlesungen für

  • die Abschaffung des individuellen Erbrechts,
  • die öffentliche Kontrolle der Produktionsmittel und
  • die schrittweise Emanzipation der Frauen

eintraten. Anhänger SAINT-SIMONs engagierten sich auch wirtschaftlich in mehreren Großprojekten. Bald jedoch nahm der Saint-Simonismus sektiererische Züge an, entwickelte sich zu einer Art Geheimbund, dessen Mitglieder den Kult der Brüderlichkeit pflegten. Er verlor in den 1930er-Jahren rasch an Bedeutung, nachdem Polizei und Behörden massiv gegen seine Anhänger vorgingen. ENFANTIN und zwei weitere Führungspersonen wurden zu einem Jahr Gefängnis verurteilt.

CHARLES FOURIER (1772–1837)

FOURIER entstammte einer in Besançon ansässigen Kaufmannsfamilie, zog später nach Lyon, wo er sein Vermögen während der Französischen Revolution verlor. Bis 1830 war er gezwungener Maßen im Handel tätig. Erst dann konnte sich FOURIER voll und ganz seinen gesellschaftstheoretischen Ambitionen widmen. Doch bereits 1808 erschien seine erste Schrift über die „Théorie des quatre mouvements et des destinées générales“, in der er der von NEWTON entdeckten Gravitation drei weitere Kräfte (organische, instinktive und soziale Attraktion) hinzufügte. Zwischen 1822 und 1836 verfasste er einen Reihe von weiteren Schriften und Aufsätzen.
Im Zentrum seiner Arbeiten steht die Kritik an der Zivilisation, so wie sie sich im anbrechenden Kapitalismus, der industriellen Produktion und dem wachsenden Privateigentum abzeichnet. Diese Entwicklung führt laut FOURIER zum moralischen und sozialen Verfall der Gesellschaft, weil die Privatinteressen und der individuelle Besitz überhand nehmen. Doch trägt die industrielle Gesellschaft bereits den Keim einer neuen, sozialen Ordnung in sich, die FOURIER als „régime sociétaire“ bezeichnet. In einem solchen „régime“ soll sich die wahre Freiheit verwirklichen lassen. Denn an die Stelle des Zwangs zur Arbeit tritt eine auf die Neigungen und Fähigkeiten jedes Einzelnen und die Bedürfnisse der Gemeinschaft abgestimmte Tätigkeit.
FOURIERs Modell einer solchen Gemeinschaft, in der alle Mitglieder zum gemeinschaftlichen Nutzen beitragen, ist unter dem Namen „Phalanx“ bekannt geworden. Die von ihm geplante „Phalanx“ sollte sich aus 1 620 Menschen unterschiedlicher Herkunft und Qualifikation zusammensetzen und auf der Grundlage landwirtschaftlicher Selbstversorgung ein in sich geschlossenes Wirtschaftssystem aufbauen. Zur Finanzierung solcher Mustersiedlungen, deren Mitglieder in einem Gemeinschaftshaus (dem „phalanstère“) wohnen sollten, sah FOURIER die Ausgabe von Aktien vor. Ein Teil des in der „Phalanx“ erwirtschafteten Gewinns sollte den Aktionären und dem Aufbau weiterer Produktions- und Lebensgemeinschaften zugute kommen. Doch stellte das Modell der „Phalanx“ für FOURIER nur den ersten Schritt zur umfassenden Neuordnung der Gesellschaft und Produktionsweise dar. Mit ihm wollte er en miniature demonstrieren, wie eine neue Gesellschaft organisiert werden kann, in der die sozialen Gegensätze und Unterschiede sich auf harmonische Weise ausgleichen lassen, indem jedes Mitglied seinen natürlichen Fähigkeiten und Neigungen gemäß tätig ist.
Allerdings scheiterte FOURIER mit seinem Gründungsversuch bereits an der Finanzierung und an fehlenden Kandidaten für seine Mustersiedlungen. Seine Ideen verbreiteten sich jedoch in der französischen Öffentlichkeit und veranlassten mehrere seiner Anhänger zur Gründung solcher Gemeinschaften. Nach FOURIERs Tod gründete sein Schüler VICTOR PROSPER CONSIDERANT eine Siedlung in Texas. Und auch in anderen Staaten der USA wurde nach dem Vorbild FOURIERs mit dem Aufbau von „Phalanxen“ begonnen. Die meisten dieser Kolonien zerfielen jedoch recht schnell oder wandelten sich in kapitalistische Unternehmen bzw. Kooperationen um.

PIERRE JOSEPH PROUDHON (1809–1865)

Der berühmteste, von PROUDHON überlieferte Satz stammt aus seinem Buch „Was ist Eigentum?“ (1840) und lautet: „Eigentum ist Diebstahl“. Damit wurde er zu einem der wichtigsten Stichwortgeber des Anarchismus. PROUDHON kam aus armen ländlichen Verhältnissen. Sein Vater arbeitete in einer Brauerei, die Mutter war als Köchin und Dienstmagd beschäftigt. Dennoch konnte PROUDHON mit Hilfe von Stipendien am Collège von Besançon studieren, musste jedoch seine Studien unterbrechen, um zu arbeiten. Bei einem Aufenthalt in Paris machte er sich mit den ökonomischen Schriften von ADAM SMITH und DAVID RICARDO vertraut.

Außerdem nahm er an zwei von der Akademie in Besançon ausgeschriebenen Wettbewerben teil. Sein zweiter Wettbewerbsbeitrag war die schon erwähnte Schrift über das Eigentum. PROUDHON begründet seine These, Eigentum sei Diebstahl, damit, dass es sich weder durch bloße Aneignung noch durch Arbeit rechtfertigen lasse. Vielmehr entstünde es, weil die Entlohnung der einzelnen Arbeiter pro Arbeitstag nicht dem Wert der von ihnen kollektiv erzeugten Produkte entspreche. So profitiere der Unternehmer einerseits von der Gesamtkraft all seiner Arbeiter (die höher sei als die Summe der einzelnen, entlohnten Arbeitskräfte) und andererseits von den geschaffenen Gütern. An diese Schrift schlossen sich zwischen 1841 und 1848 eine Reihe weiterer Veröffentlichungen an, die den in Paris lebenden KARL MARX dazu bewogen, PROUDHON zur Mitarbeit im Korrespondenzblatt der Kommunisten einzuladen. PROUDHON schlug dieses Angebot aus. Auf seine 1848 erschienene Schrift „Le système des contradictions économiques ou philosophie de la misère“ reagierte MARX mit dem Pamphlet „Misère de la Philosophie“.

Nach der Februarrevolution in Frankreich (1848) wurde PROUDHON zum Mitglied der Verfassungsgebenden Versammlung gewählt. Vergeblich versuchte er, eine den Bedürfnissen der Arbeiter entsprechende Nationalbank zu gründen. Um das soziale Elend der Arbeiter zu beseitigen, entwarf PROUDHON eine Theorie des „Mutualismus“ (Wechselseitigkeit) zwischen kleinen, lockeren Gruppierungen, die ihre wirtschaftlichen und politischen Ansprüche untereinander aushandeln sollten. Auf diese Weise wollte PROUDHON den Staat als Herrschaftsinstanz überflüssig machen und durch die Selbstregierung gesellschaftlicher Gruppen ersetzen. Damit lieferte PROUDHON entscheidende Impulse für den französischen (Anarcho-)Syndikalismus, der statt zentralisierter Interessenvertretungen die Selbstorganisation der Arbeiter an der Basis propagiert.

LOUIS AUGUSTE BLANQUI (1805–1881)

BLANQUI gehörte zu den Ersten, die man als Berufsrevolutionäre bezeichnen kann. Der Sohn eines Unterpräfekten schloss sich während seines Pariser Studiums einer revolutionären Geheimgesellschaft an und verbrachte zwischen 1830 und der 48er-Revolution insgesamt neun Jahre in Haft und zwei weitere unter Arrest. 1847 rief er eine neue politische Bewegung ins Leben, die in der Revolution äußerst einflussreich war. Von 1865 bis 1870 lebte er im Exil in Brüssel, organisierte aber von dort aus den Widerstand gegen NAPOLEON III. und war maßgeblich an seinem Sturz beteiligt. Seine Mitstreiter spielten auch eine wichtige Rolle während der Zeit der Pariser Kommune (März–Mai 1871), wohingegen BLANQUI selbst im Vorfeld der Kommune verhaftet wurde. Vergeblich versuchten die Kommunarden, ihn im Austausch mit ihren Gefangenen freizubekommen. Er wurde erst 1879 wieder aus der Haft entlassen und gewann das Mandat der Stadt Bordeaux, durfte aber seinen Sitz in der Nationalversammlung nicht wahrnehmen.
BLANQUIs politische Zielsetzungen, die in direkten, konspirativ geplanten Aktionen erkämpft werden sollten, waren vom Klassenkampf gegen das Privateigentum des Besitzbürgertums geprägt. Er trat für die Vergesellschaftung des Bodens und den Aufbau von selbstverwalteten Produktivassoziationen der Arbeiter ein. Um die ausgebeuteten Massen für seine revolutionären Ziele zu gewinnen, befürwortete er eine Art Erziehungsdiktatur, durch die der Umbau der Gesellschaft im Interesse des Volkes vollzogen und der Bevölkerung der „esprit communautaire“ vermittelt werden sollte.

LOUIS BLANC (1811–1882)

Der Journalist, Politiker und Historiker LOUIS BLANC schrieb in den 1930er- und 1940er-Jahren für zahlreiche Zeitschriften. 1840 erschien seine Schrift über die „Organisation du travail“. Darin forderte er, die Arbeit entsprechend der Fähigkeiten und Bedürfnisse der Arbeiter zu organisieren. Zur Verwirklichung dieses Anspruchs entwarf BLANC das System der Nationalwerkstätten („ateliers sociaux“). Mit ihnen sollte die kapitalistische Konkurrenzwirtschaft abgeschafft und durch das Prinzip des gleichen Lohns für alle Arbeiter ersetzt werden. Einen Teil der Gewinne wollte BLANC zur Bildung von Solidarkassen für Alte, Invaliden, andere „ateliers“ und Rücklagen verwenden, ein dritter Teil sollte zur Finanzierung technischer Innovationen dienen. Damit verbunden war die Umgestaltung des Staates und des Bankwesens im Interesse der arbeitenden Bevölkerung, um eine neue Epoche der Brüderlichkeit einzuläuten.

Als Mitglied der Provisorischen Regierung während der Februarrevolution versuchte BLANC, den Aufbau von „ateliers sociaux“ zu verwirklichen, scheiterte aber am Widerstand der Regierungsmehrheit. Er beteiligte sich am anschließenden Arbeiteraufstand und musste daraufhin nach England fliehen. Dort blieb er bis 1871. Im englischen Exil verfasste er sein 13-bändiges Werk über die „Histoire de la Révolution française“. Nach Frankreich zurückgekehrt, gewann er ein Abgeordnetenmandat für die Nationalversammlung und führte im Parlament die radikale Linke an. Seine Ideen, die MARX als „utopischen Sozialismus“ kritisierte, übten einen großen Einfluss auf die sozialistische Bewegung – insbesondere auf LASSALLE und die deutschen Sozialisten – aus.

ROBERT OWEN (1771–1858)

Als Sohn eines englischen Sattlers genoss ROBERT OWEN nur eine dürftige Ausbildung, die er aber durch eifriges Selbststudium anreicherte. Im Alter von zehn Jahren begann er, im Textilgewerbe zu arbeiten und war Ende des 18. Jh. bereits ein erfolgreicher Baumwollproduzent. 1800 zog OWEN nach Schottland und erwarb dort mit anderen die Mühlen von DAVID DALE, dessen Tochter er heiratete. In der schottischen Gemeinde New Lanark bauten OWEN und seine Kompagnons eine industrielle Mustergemeinschaft auf, die neben guten Wohn- und Arbeitsbedingungen, Schulen, über gemeinnützige Geschäfte und Läden für die Arbeitenden verfügte. Da das Projekt auch wirtschaftlich Erfolg hatte, machte es OWEN bald in ganz Großbritannien berühmt. Außerdem setzte sich OWEN für die rechtliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen in England ein. Seine Vorschläge wurden – wenn auch verwässert – im Factory Act von 1819 aufgegriffen.

1825 initiierte er in Indiana (USA) den Aufbau einer auf dem Prinzip der Selbstversorgung beruhenden Kooperative mit dem Namen „New Harmony“. Die Gemeinschaft zerfiel jedoch wenige Jahre später aufgrund von internen Streitigkeiten. So kehrte OWEN 1829 aus den USA nach England zurück und engagierte sich in der Gewerkschaftsbewegung. Als Befürworter eines friedlichen Gesellschaftsumbaus geriet er in Konflikt mit den radikaleren Gewerkschaftern, die zum Klassenkampf gegen das Bürgertum aufriefen. Daraufhin distanzierte er sich von den Gewerkschaften und verlebte die letzten 25 Jahre als politischer Schriftsteller. Zu den wichtigsten Schriften Owens zählen:

  • „New View of Society; or, Essays on the Formation of Character“, 3 Bände (1813/14)
  • „Report to the County of Lanark“ (1821)
  • und seine zwischen 1857 und 1858 verfasste Autobiografie.

Sein Sohn, ROBERT DALE OWEN, der in der Schule von New Lanark und in der Schweiz ausgebildet wurde, setzte die sozialreformerischen Bestrebungen des Vaters fort. Er wurde Mitbegründer der New Yorker Zeitschrift „Free Enquirer“, trat als Politiker in Indiana und im Kongress der USA in Erscheinung, engagierte sich für die Rechte der Frauen, die Abschaffung der Sklaverei und das öffentliche Schulwesen.

WILHELM CHRISTIAN WEITLING (1808–1871)

Als uneheliches Kind eines Dienstmädchens und eines später in Russland vermissten französischen Offiziers geboren, wuchs WILHELM WEITLING unter ärmlichen Verhältnissen auf. Dennoch konnte er die mittlere Bürgerschule in Magdeburg besuchen. Der Heranwachsende erfuhr eine intensive religiöse Erziehung. Ihr verdankte er seine umfassende Kenntnis der Bibel, die ihn befähigte, Stellen aus dem Gedächtnis zu zitieren. Nach der Schneiderlehre in seinem Geburtsort begab sich WEITLING 1826 auf die traditionelle Wanderschaft nach Hamburg, Leipzig, Dresden, Wien, Paris, um die handwerklichen Fähigkeiten zu vervollkommnen.
Prägend für seine politischen Ansichten war sein erster Paris-Aufenthalt 1835/36. Die französische Hauptstadt stellte in dieser Zeit das Exil für politische Flüchtlinge aus ganz Europa dar und entwickelte sich somit zum Umschlagplatz radikaler sozialpolitischer Ideen. 1835 wurde WEITLING Kommunist und schloss sich dem „Bund der Geächteten“ an. Der Bund verbreitete die Theorien der dem französischen Frühsozialismus zugerechneten Personen wie SAINT-SIMON und FOURIER.

Die nun folgenden Jahre bis zu seiner Verhaftung in Zürich am 8. Juni 1843 stellten den Höhepunkt seines die europäische Arbeiterbewegung prägenden Wirkens dar. Er schloss sich dem aus einer Spaltung des „Bundes der Geächteten“ hervorgegangenen „Bund der Gerechten“ an, in dessen Vorsitz er 1838 gewählt wurde. Der Bund erteilte ihm den Auftrag zur Abfassung seines politischen Programms, das als WEITLINGs Erstlingsschrift 1838 unter dem Titel „Die Menschheit, wie sie ist und wie sie sein sollte“ erschien. Darin bekannte sich WEITLING zur sozialen Revolution und entwarf eine Gesellschaftsordnung, die auf den Prinzipien der Gütergemeinschaft und der Nächstenliebe basieren sollte. In ihrer gewaltsam anzustrebenden Verwirklichung sah er die Erlösung der Menschheit gekommen. Die Programmschrift wurde in zweitausend Exemplaren geheim gedruckt und in größerer Zahl privat vervielfältigt. Die wandernden Handwerksburschen verbreiteten sie über ganz Frankreich, Deutschland und in der Schweiz. WEITLING, der als Theoretiker und Agitator hohes Ansehen genoss, zog dann in die Schweiz, um dort eine Dependance des „Bundes der Gerechten“ aufzubauen.
Im Juli 1842 nahm WEITLING die Arbeit an seinem Hauptwerk „Garantien der Harmonie und Freiheit“ auf, das ihn dann rasch einem breiten Publikum bekannt machte. Um die Jahreswende 1842/43 trat zwischen WEITLING und den beiden Zentralen in Paris und London eine Entfremdung ein. Die wachsende Bedeutung OWENs in England ließ seinen Einfluss im Bund schwinden. Trotz der Warnung seiner Freunde zog WEITLING ins konservative Zürich, wo er an seinem Buch „Das Evangelium des armen Sünders“ arbeitete, in dem er Kommunismus und Christentum zu vereinen suchte. Auf Initiative des Zürcher Kirchenrats wurde er verhaftet und der Großteil seiner Manuskripte beschlagnahmt. Zehn Monate verbrachte WEITLING in Einzelhaft, bis er Mitte 1844 entlassen und aus der Schweiz ausgewiesen wurde.

Im März 1846 kam es in Brüssel zu einer heftigen Auseinandersetzung mit dem jungen KARL MARX, der damals erst wenig bekannt war. Dessen „Kommunistisches Korrespondenz-Komitee“ attackierte WEITLINGs „religiöse Tändeleien“ als unvereinbar mit dem Kommunismus. Von Brüssel zog WEITLING in die USA. Bis zu seinem Tod blieb Nordamerika sein Betätigungsfeld. Hier gründete er einen „Befreiungsbund“, die Wochenzeitung „Republik der Arbeiter“ und arbeitete mit am Aufbau einer kommunistischen Kolonie. Alle Projekte scheiterten schließlich kläglich, was großenteils seiner revolutionären Ungeduld und seinem persönlichen Ungestüm anzulasten war. 1855 ging WEITLING auf vollständige Distanz zur Arbeiterbewegung. Im Jahr zuvor hatte er im Alter von 46 Jahren die junge CAROLINE TOEDT geheiratet. Bis Ende der 1860er-Jahre wuchs die Familie auf acht Personen an. WEITLING beschäftigte sich nun vornehmlich mit Problemen der Kinderpsychologie und -erziehung. In den letzten Lebensjahren galt sein Interesse außerdem astronomischen Studien und der Beschäftigung mit Erfindungen auf dem Gebiet seines Handwerks. Als wichtigste Erfindung konstruierte er eine Knopflochnähmaschine.

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