Die Rassenideologie der NS-Diktatur

Rassistisch motivierte nationalsozialistische Verbrechen

Viele nationalsozialistische Verbrechen hatten einen offensichtlich rassistischen Hintergrund. Untaten wie den Völkermord an den europäischen Juden, die gezielte massenhafte Ermordung von slawischen sogenannten „Untermenschen“ oder von Angehörigen der Sinti und Roma, die man damals als "Zigeuner" beleidigte, letztlich auch die Ermordung und Demütigung vieler Behinderter muss man im Zusammenhang mit einer nationalsozialistischen Rassenideologie und Rassenpolitik sehen. Diese Rassenpolitik basierte auf einer Rassenideologie, die sich auf ein, vor allem seit der zweiten Hälfte des 19. Jh., weitverbreitetes rassistisches Denken stützte.

Rassismus als Weltanschauung

Im Einzelnen kann man im 19. Jh. vor allem vier Quellen finden, aus denen sich das rassistische Denken der Nationalsozialisten speiste.
Der französische Diplomat ARTHUR DE GOBINEAU hatte 1853 und 1855 ein sehr einflussreiches vierbändiges „Essay über die Ungleichheit der menschlichen Rassen“ veröffentlicht, dessen Kernaussage war, dass es verschiedenwertige menschliche „Rassen“ gebe. An die Spitze einer Pyramide menschlicher „Rassen“ stellte er eine „weiße“, wohingegen eine „schwarze“, vornehmlich in Afrika beheimatete, und eine „gelbe“, in Asien siedelnde, von ihm zu den „niederen Rassen“ gezählt wurden.
Mit dem Begriff der Rasse wurden bei ihm letztlich gesellschaftliche, kulturelle oder politische Phänomene auf biologische Ursachen zurückgeführt. Zwar ist das wissenschaftlich nicht haltbar, konnte damals aber nur allzu gut zur Rechtfertigung kolonialistischer und später imperialistischer Politik der großen europäischen Staaten Europas genutzt werden.

Eine wissenschaftliche Fundierung kann solches Gedankengut auch durch Lehren des Naturforschers CHARLES DARWIN nicht erhalten. Eine sich auf ihn berufende bedeutende Strömung rassistischen Denkens, von der DARWIN sich distanzierte, übertrug Elemente seiner Evolutionslehre auf eine Lehre zur Geschichte der Menschheit. Im „Kampf ums Dasein“ würden durch die Prinzipien der „natürlichen Auslese“ und vor allem des „Überlebens des Tüchtigsten“ nur bestimmte, genetisch bedingte Erbinformationen weitergegeben. Der Rassismus behauptete nun, dass menschliche „Rassen“ Gemeinschaften seien, deren Angehörige viele ähnliche oder gleiche Erbinformationen in einer gemeinsamen Umwelt ausgeprägt hätten. Diese würden dann innerhalb dieser „Rasse“ an kommende Generationen weitergegeben werden.
Verbunden damit war auch die Vorstellung der Entstehung immer höherwertigerer „Rassen“, wobei die „weiße Rasse“ als „tüchtigste“ die hochwertigste sei.
Eine weitere, auf diesen Behauptungen aufbauende Strömung rassistischen Denkens basierte auf der Vorstellung, dass die Position von Völkern und „Rassen“ gegenüber anderen nur dann erhalten bliebe, wenn das Erbgut möglichst rein an die folgenden Generationen weitergegeben würde. „Vermischungen“ mit anderen „Rassen“ würden zur Minderwertigkeit führen. So entstand gegen Ende des 19. Jh. die sogenannte Eugenik als eine Art Erbgesundheitslehre, der es um die Reinheit der eigenen „Rasse“ durch Verhinderung solcher „Vermischungen“ und Förderung sogenannter hochwertiger Erbinformationen ging. In Deutschland hatte die Eugenik meistens die vielsagende Bezeichnung „Rassenhygiene“.
Eine vierte für die nationalsozialistische Rassenideologie wichtige Strömung begründete der Engländer HOUSTON STEWART CHAMBERLAIN. Er fügte der Vorstellung der unterschiedlichen Wertigkeit verschiedener „Rassen“ eine fast mythische Unterscheidung von Gut und Böse hinzu, die er mit einer damals sehr populären Feindschaft gegenüber Juden verband. Diese Verbindung der Rassenlehre mit der auch Antisemitismus genannten Judenfeindschaft führte dazu, dass er „Arier“ als Repräsentanten des Guten und Juden als Vertreter des Bösen einordnete.

Die nationalsozialistische Rassenideologie

Insgesamt wurden die verschiedenen Richtungen dieses menschenfeindlichen Rassismus des 19. Jh. von den Nationalsozialisten aufgenommen und zu einer eigenständigen Rassenideologie zusammengesetzt.
Allerdings finden wir für dieses weltanschauliche Ideengebäude kein allein gültiges, in sich geschlossenes Hauptwerk vor. Vielmehr sind wir heute auf verschiedene Quellen angewiesen, um eine solche Weltanschauung zu rekonstruieren.
Die Nationalsozialisten gingen von der menschenverachtenden Auffassung aus, dass es verschiedenartige und vor allem verschiedenwertige menschliche „Rassen“ gebe.
Ähnlich wie bei GOBINEAU standen auch bei ihnen die sogenannten „Arier“, zu denen man auch die Deutschen zählte, an der Spitze der Pyramide menschlicher „Rassen“.
Deshalb nannte man sie auch „Herrenrasse“. In einer Rede, die HITLER 1920 hielt, begründete er diese Position sehr primitiv damit, dass die „Arier“ sich als „nordische Rasse“ in der Vorzeit in der rauen Welt der „Eiswüsten“ hätten behaupten müssen. Unschwer kann man den Bezug auf darwinistische Denkweisen erkennen, wenn er daraus dann schloss, dass dabei nur die Besten und Tüchtigsten überlebt und ihren genetischen Bestand vererbt hätten.
Dieser hätte sich, so HITLER, im Laufe der Zeit zum sogenannten „Rassewert“ oder auch „Volkswert“, einer Art innerer Kern einer „Rasse“ oder eines Volkes, verfestigt. Erkennen könne man diesen an bestimmten, nur bei den „Ariern“ ausgeprägten charakteristischen Eigenschaften, wie z. B. Mut, Wahrhaftigkeit oder Urteilsfähigkeit, die so bei anderen „Rassen“ nicht vorhanden seien.
Daneben hätten „Arier“ als einzige „Rasse“ bestimmte, höher entwickelte soziale und kulturelle Fähigkeiten ausgeprägt. Dazu zählte man eine bestimmte, auf den Erhalt der Gemeinschaft ausgerichtete Arbeitsauffassung wie auch die Fähigkeit zur Gründung von Staaten und großen Kulturen.
Wie weitgehend diese Vorstellungen auf bloßem Wunsch beruhten, kann man daran erkennen, dass HITLER 1920 behauptete, dass selbst die alten Hochkulturen der Ägypter, Perser und Griechen nur durch „blonde, blauäugige Arier“ zu ihrer Bedeutung gelangt seien.
Zu allen diesen Leistungen und Fähigkeiten der „Arier“ seien andere, „niedere Rassen“, namentlich eine sogenannte „Südrasse“ und eine „Ostrasse“, zu der die Nationalsozialisten zum Beispiel die Osteuropäer, also die slawischen Völker zählten, nicht fähig gewesen. Man betrachtete sie daher auch „Untermenschen“, die den „Ariern“ im Laufe der Geschichte unterlegen gewesen seien.
Die Geschichte der Menschheit war für die nationalsozialistische Rassenideologie also ein Schauplatz, auf dem sich, wie in der biologischen Welt der Tiere und Pflanzen, der Stärkere bzw. die stärkste „Rasse“ und das zu ihr gehörende Volk im „Kampf ums Dasein“ durchsetzen würde.

Damit die „Arier“ in diesem Kampf weiterhin die Oberhand behielten, durfte nach der Auffassung dieser Rassenideologie ihr im Laufe der Geschichte herausgebildeter „Rassenwert“ nicht durch die Vermischung mit fremden „Rassen“ beeinträchtigt werden. Anknüpfend an die Eugenik des 19. Jahrhunderts waren die Nationalsozialisten geradezu besessen von der Idee der Rassereinheit.
Durch „Vermischung“ mit anderen „Rassen“ käme es zur Ausprägung minderwertiger Angehöriger der eigenen „Rasse“. Daher sollten solche „Vermischungen“ verhindert werden, was sich dann zum Beispiel im Verbot von Eheschließungen mit Angehörigen sogenannter anderer „Rassen“ niederschlug. Intimer Kontakt mit Angehörigen anderer „Rassen“ wurde dann auch häufig als „Rassenschande“ gebrandmarkt.
Behinderte Menschen betrachtete man als minderwertige Menschen, deren Behinderung letztlich auf solche „Vermischungen“ zurückgeführt wurde. In letzter Konsequenz wurden viele von ihnen „ausgemerzt“, also ermordet.

Der Rassenantisemitismus

Einen besonderen Stellenwert innerhalb der nationalsozialistischen Rassenideologie nahm die Feindschaft gegenüber den Juden ein, die man seit dem 19. Jh. auch Antisemitismus nannte.
Anknüpfend an CHAMBERLAIN, bei dem die „Arier“ das „Gute“ und die Juden das „Böse“ repräsentierten, galten Juden den Nationalsozialisten als absolute Gegenrasse, als das negative Gegenbild der „Arier“, als Todfeinde.
Alle den „Ariern“ zugerechneten Eigenschaften seinen bei den Juden als Gegenteil ausgeprägt.
Würden „Arier“ zum Beispiel Arbeit als Beitrag zur Gemeinschaft des Volkes betrachten, so sähen Juden sie nur als Mittel zum Zweck persönlicher Bereicherung. „Arier“ seien ehrlich, Juden hingegen verschlagen und hinterlistig.

Auf vielen Ebenen wurden solche Gegenüberstellungen angestellt. Besonders bedeutsam war die Vorstellung, dass Juden, anders als „Arier“, nicht zur Bildung von Staaten fähig und willens seien. Vielmehr würden sie sich, wie die Nationalsozialisten sagten, als „Parasiten“ in Staaten anderer Völker einnisten und diese ausplündern. Letztlich würden sie auf diese Weise nach der Auflösung der bestehenden Weltordnung streben, um selbst die Weltherrschaft zu übernehmen.

Von dieser in der nationalsozialistischen Ideologie behaupteten prinzipiellen rassischen Gegensätzlichkeit war es daher nur ein kleiner Schritt zur Vernichtungsforderung der Juden. Denn nur für eine der beiden Seiten konnte es in dieser abstrusen und wahnhaften Ideologie Platz geben. Die Vernichtungsforderung gipfelte dann in der von den Nationalsozialisten sogenannten „Endlösung der Judenfrage“, die nichts anderes als den Massenmord an Millionen von Juden meinte.

Nationalsozialistische Rassenideologie und Rassenpolitik

Es ist vor allem anfänglich häufig gefragt worden, ob es überhaupt eine nationalsozialistische Rassenideologie im Sinne einer einheitlichen, in sich geschlossenen nationalsozialistischen Weltanschauung gegeben habe. Dabei wies man darauf hin, dass diese nicht in einem einzigen, alle Aspekte umfassenden und verbindlichen Werk vorgelegen habe. Zwar habe die nationalsozialistische Bewegung von Anfang an auch rassistisches Gedankengut vertreten. Gefragt wurde aber, ob dieses aus sich heraus zu rassistischen Handlungen motiviert hätte, oder ob diese Äußerungen nicht in einem politischen Zusammenhang mit der Machteroberung und Machtausdehnung gesehen werden müssten. Insofern wäre die nationalsozialistische Rassenideologie ein Sammelsurium verschiedenster Äußerungen, gemacht zu unterschiedlichen Anlässen, und keine handlungsleitende Maxime gewesen.
In diesem Sinne könnte man dann den Antisemitismus der Nationalsozialisten vor allem als ein Mittel verstehen, die eigenen Anhänger und viele weitere Menschen mit dumpfen antisemitischen Gefühlen für die nationalsozialistische Sache zu mobilisieren.
Auch könnte man mit dieser Sichtweise fragen, ob die Stilisierung der Osteuropäer zu „Untermenschen“ nicht einfach ein Mittel gewesen sei, um die Deutschen für den Eroberungskrieg in Osteuropa zu gewinnen.
Andererseits kann man diese Interpretationen der Zusammenhänge aber auch mit guten Gründen hinterfragen. Wenn es nämlich einzig um die Eroberung, Ausdehnung oder Sicherung der Macht gegangen wäre, dann ist es unerklärlich, dass die Nationalsozialisten den Holocaust auch noch zu einem Zeitpunkt fortführten, als man z. B. die zum Transport der Juden benutzten Züge dringend für die Beförderung von Soldaten und militärischen Gütern gebraucht hätte.
Und wäre es nicht im Sinne der Machteroberung auch sinnvoller gewesen, nach anfänglichen militärischen Erfolgen in Osteuropa durch eine geschickte Politik in den eroberten Ländern möglichst viele Einheimische auf die eigene Seite zu ziehen? Stattdessen führte man aber weiterhin einen Vernichtungskrieg, der nicht nur viele Menschenleben kostete, sondern auch vor Versklavung und Demütigung vieler Osteuropäer nicht haltmachte.
So geht man heute eher von einer zwar nach und nach entstandenen, sich über ihre einzelne Aspekte hinaus aber für viele zu einer Einheit zusammenfügenden nationalsozialistischen Rassenideologie aus, die viele Deutsche zu grausamen und verbrecherischen Handlungen motivierte.

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