Marschmusik

Geschichte

Die militärische Funktion des Marsches ist schon im Altertum nachweisbar. Mit der Einführung des im Tempo vorgegebenen Gleichschritts in das militärische Reglement im 17. Jh. und der Ablösung des bis dahin üblichen Trommelschlags durch Blasorchester (Militärmusik) gewann der Marsch an Bedeutung, und nach und nach bildeten sich, namentlich in Preußen unter FRIEDRICH WILHELM I. (1688–1740), den verschiedenen Erfordernissen entsprechende, vor allem im Tempo differierende Typen heraus:

  • Straßenmärsche,
  • Parademärsche,
  • Präsentiermärsche,
  • Geschwindmärsche,
  • Sturmmärsche,
  • Reitermärsche.

Jedes Regiment erhielt einen eigenen Marsch. Traditionsreiche Märsche sind beispielsweise

  • der aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges stammende „Marsch der finnländischen Reiterei“,
  • „Der Dessauer“ aus dem 17. Jh. und
  • der „Yorcksche Marsch“, den LUDWIG VAN BEETHOVEN (1770–1829) als „Marsch für die böhmische Landwehr“ (1809) komponierte.

Das letzte Beispiel belegt auch die Praxis, Titel und Widmungen alter Märsche auszutauschen, um sie somit der gewünschten Ideologie anzupassen.

Im preußischen Heer unterschied man

  • „Kleines Spiel“ (Trommeln und Pfeifen) und
  • „Großes Spiel“ (Holz- und Blechblasinstrumente mit Schlagzeug und Schellenbaum).

Weiterhin entstanden zunehmend die Liedermärsche, deren Trio aus einem bekannten Volkslied bestand, z.B.:

  • „Kärntner Liedermarsch“,
  • „Ein Jäger aus Kurpfalz“,
  • „Das Lieben bringt groß' Freud“.

Das Mitsingen der Marschmelodien, oft mit selbst erfundenen Texten, bot eine gewisse Ablenkung bei langem Marschieren, andererseits enthielten die Originaltexte oft stimulierende Durchhalteparolen oder dienten der Verherrlichung der Monarchie.

Mit der Französischen Revolution entstand der von der preußisch-österreichischen Tradition abweichende Revolutionsmarsch, der mit seiner punktierten Rhythmik und häufigen Sechzehntelauftakten einen kraftvollen, vorwärtsdrängenden Schwung verbreitete (z.B. ROUGE DE LISLE, „Marseillaise“, 1792).

Auch das wachsende Nationalbewusstsein, vor allem der slawischen Nationen, prägte zahlreiche Märsche des 18./19. Jh., z.B. den auf ungarischer Volksmusik basierenden „Rakoczy-Marsch“, später die tschechischen Liedermärsche von FRANTISEK KMOCH (1848–1912).

Marschmusik als Unterhaltungsmusik

Hatte der Feudaladel bereits den Marsch neben seiner militärischen Funktion zur Repräsentation und Ausgestaltung von Feierlichkeiten genutzt (Ein- und Auszüge, Triumph-, Fest-, Hochzeitsmärsche usw.), so erkannte das aufstrebende Bürgertum den unterhaltenden Aspekt des Marsches – Marschmusik wurde auch als Unterhaltungsmusik genutzt.

  • So kamen einerseits Konzerte mit in Größe und Besetzung ständig erweiterten Militärorchestern auf, nahmen die großen Tanz- und Unterhaltungskapellen (z.B. Strauß-Kapelle) den Marsch in ihr Repertoire auf,
  • während andererseits eine Vielzahl von Tanzliedermärschen für kleine Ensembles geschaffen wurden.

Auch der Militärmarsch wurde nun zur Unterhaltung gespielt. Das führte zu einer Erweiterung der Form, besonders das abschließende Trio erfuhr als Grandioso häufig eine groß angelegte Steigerung.

Im 19. Jh. zählte der Marsch zu den beliebtesten Musizierformen. Unzählig sind die Märsche und Marschlieder in den Operetten, Possen und Revuen.

  • In Wien entstand in Verbindung mit dem Wiener Lied eine folkloristische Variante der Marschmusik.
  • In Deutschland dominierte der Marsch nach der Reichsgründung unter Preußens Führung (1871) als Symbol militärischer Macht, z.B. „Preußens Gloria“ (GOTTFRIED PIEFKE, 1815–1884), „Alte Kameraden“ und „In Treue fest“ (CARL TEIKE, 1864–1922).
  • In den USA avancierte JOHN PHILIP SOUSA (1854–1932) zum „King of March“. Seine Märsche „The Stars and Stripes Forever“ (1897) und „The Washington Post“ (1898) wurden Welterfolge.

Die Marschmusik war von großer Bedeutung für die Herausbildung des Jazz, z.B. für das Repertoire der Marching und Street Bands. Auch im Revuetanz baute man zahlreiche Choreografien auf dem Marschrhythmus auf. Als musikalische Grundlage dienten dabei sogenannte „moderne Märsche“ – Kompositionen, in denen der Marschcharakter mit rhythmisch-stilistischen Mitteln der Tanzmusik (Swing) aufgelockert worden war. Diese wechselseitigen Beziehungen zwischen Marsch und Tanzmusik halten bis in die Gegenwart an.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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